Vom Vergrößerungsglas bis zu lebenden Schildkröten

Von Max Boehnel · 18.11.2005
Es ist die umfangreichste Ausstellung, die je über Charles Darwin gezeigt wurde. Das American Museum of Natural History versteht sie nicht als Beitrag in der Diskussion um die göttliche Schöpfung versus Evolutionstheorie, sondern als erzieherische Maßnahme im vernachlässigten amerikanischen Bildungssystem.
Wenn Ellen Futter, die Leiterin des amerikanischen Naturgeschichtemuseums, zur Ausstellungseröffnung verneint, die Kuratoren seien seitens der Vertreter der Schöpfungslehre unter Druck gesetzt worden, dann hat sie wahrscheinlich Recht. Zumindest hat sich das Museum bei der Konzeption der "Darwin"-Schau nicht beeinflussen lassen. Daran lässt Ellen Futter keinen Zweifel.

Mit der Ausstellung habe sich das Museum klar auf die Person Darwin und auf seine Theorie konzentriert. Die Angriffe der Kreationisten auf die Evolutionstheorie seien im historischen Kontext zu sehen, als eine von vielen gesellschaftlichen Reaktionen in den letzten 150 Jahren auf Darwin.

Kreationisten - das sind im konservativen Amerika die Anhänger der biblischen Schöpfungslehre, die in den letzten Monaten viel Staub aufwirbeln. Unter dem Schlagwort "Intelligent Design" propagieren sie ihren Glauben an ein göttliches Schöpfungswerk als Alternative zur Evolutionstheorie.

Sie sind zwar eine kleine Minderheit, lernen in der augenblicklichen Entsäkularisierung aber, sich wie Fische im Wasser zu bewegen. Wie konservativ-gläubig die amerikanische Gesellschaft inzwischen ist, zeigen Umfrageergebnisse. Einer "Gallup"-Erhebung vom vergangenen Monat zufolge stimmen 53 Prozent der Erwachsenen in den USA der These zu, Gott habe den Menschen so geschaffen, wie es in der Bibel steht. Ein Drittel der Befragten glauben, Gott stehe als "intelligent designer" hinter der Evolution der Lebensformen, und nur 12 Prozent halten die Evolutionstheorie für eine hinreichende Erklärung. Es sei allerdings nicht direkt dem religiösen Fundamentalismus zu verdanken, der so zu solchen erschreckenden Zahlen führe, meint die Museumsleiterin, als vielmehr die mangelnde wissenschaftliche Allgemeinbildung in den USA.

So verstehen die Kuratoren die Ausstellung, die drei Jahre lang vorbereitet wurde, denn auch nicht als Beitrag im neu aufgelegten amerikanischen Kulturkampf, sondern als erzieherische Maßnahme im vernachlässigten Bildungssystem: Charles Darwin im Kontext seiner Zeit. Von seinem Vergrößerungsglas über sein Büro und Dokumente von Briefwechseln und Auszügen aus seiner ersten Fassung der Evolutionstheorie von 1844 bis hin zu lebenden Galapagos-Schildkröten und Fröschen ist die Ausstellung die umfangreichste, die die Öffentlichkeit je über den Wissenschaftler zu sehen bekam.

1859 veröffentlichte Darwin sein Hauptwerk "Vom Ursprung der Arten", das die Evolutionstheorie gänzlich erklärte und bis heute als Grundpfeiler der Naturwissenschaften gilt und denselben Stellenwert genießt wie etwa die Einsteinsche Relativitätstheorie und Newtons Erkenntnis der Schwerkraft.

Auch Randal Keynes, der Charles Darwins Ururenkel ist und über seinen berühmten Urahnen ein viel beachtetes Buch geschrieben hat, trug zur Ausstellung bei. Darwin sei zu Beginn seiner Forschungen ein gläubiger Christ gewesen, sagt Keynes:

" Als er zu der Erkenntnis gelangte, dass die Arten sich verändern, was der erste Erkenntnispunkt in der Evolutionstheorie ist, sah er das zunächst nicht als Herausforderung seiner eigenen religiösen Überzeugungen, wie viele Menschen heute übrigens auch nicht. Als Darwin sagte, seine Theorie sei wie das Geständnis eines Mordes, meinte er, so würden viele Gottesgläubige seine Theorie sehen. Charles Darwin hing dem christlichen Glauben so lange wie möglich an und sah in ihm zunächst keinen Widerspruch zu seinen Forschungsergebnissen. "

Aus Furcht, verspottet und angefeindet zu werden, hatte Darwin seine Erkenntnisse 15 Jahre lang geheim gehalten. Keynes erläutert, dass Darwin jahrelang mit sich rang, bevor er "Vom Ursprung der Arten" veröffentlichte.

Keynes: " Er dachte nach und quälte sich damit richtiggehend ab. Nicht zuletzt, weil seine Frau eine überzeugte Christin war und er wusste, wie viel ihr der Glaube bedeutete. Am Schluss kam er zu der Überzeugung, dass die Welt unmöglich das Werk eines gütigen Schöpfers sein konnte. Darwin verwies auf dabei auf das ungeheure Ausmaß von Leid und Krankheit in der Welt. Er wollte an einen Schöpfer glauben, aber er konnte es nicht. Er gab aber auch zu, dass er auf die Frage nach dem Ursprung des Lebens keine Antwort wusste und bezeichnete sich deshalb als Agnostiker, nicht als Atheist. "

Neuerdings machen in den USA Kreationisten mit eigenen Museumsführungen und religiösen und pseudoreligiösen Erklärungsansätzen von sich reden
- worauf sich das "American Museum of Natural History" bereits vorbereitet hat, wie der Chefkurator Niles Eldridge erläutert.

Eldridge: " Wir halten es wie immer damit, dass jeder Besucher herzlich willkommen ist. Extra-Sicherheitsvorkehrungen halten wir nicht für erforderlich. Aber unsere Angestellten haben sich mit der Vorstellungswelt der Kreationisten vertraut gemacht und werden, wenn sie Fragen haben, gerne darauf antworten."

Service:

Die "Darwin"-Schau ist im American Museum of Natural History in New York vom 19. November 2005 bis 29. Mai 2006 zu sehen.