Vom Tintenstrahldrucker gelenkt

Von Christian Gampert · 30.08.2013
Wade Guyton diesmal anders: Der auch in Europa höchst einflussreiche amerikanische Maler hat für eine Ausstellung in Zürich den Akt des Malens einem Tintenstrahldrucker überlassen. Er druckt auf Leinwände oder herausgerissenen Seiten von Kunst-, Architektur- und Lifestylezeitschriften eine am Computer entwickelte, minimalistische Formensprache.
Wade Guyton diesmal anders: Der auch in Europa höchst einflussreiche amerikanische Maler hat für eine Ausstellung in Zürich den Akt des Malens einem Tintenstrahldrucker überlassen, der auf Leinwände oder herausgerissenen Seiten von Kunst-, Architektur- und Lifestylezeitschriften eine am Computer entwickelte, minimalistische Formensprache druckt.

Wenn man die fünf Meter hohen Ausstellungssäle der Züricher Kunsthalle betritt, dann nimmt man vor allem den leeren Raum selber wahr. Und man bemerkt dann, dass die Wände der Halle quasi verdoppelt sind durch Leinwände, die sich an den White Cube anschmiegen. 2,50 sind sie hoch, die längste von ihnen ist 15 Meter lang. Ein Teil dieser Leinwände ist schwarz, der andere weiß - aber es gibt viele Flecken, Gebrauchsspuren, Schrunden, farbliche Übergänge.

Der Witz ist: Nichts davon ist gemalt, alles ist gedruckt. Wade Guyton arbeitet nicht mit Stift und Pinsel, sondern mit Produktionsmitteln, die auch in unserem Alltag Verwendung finden. Die riesigen Leinwände sind durch einen programmierten Drucker gelaufen, ebenso wie die sehr kleinen Blätter, die einen Stock tiefer in den Vitrinen liegen.

"Ich habe versucht, Zeichnungen mit der Hand zu machen - und war ein bißchen frustriert über diesen Prozess. Und dann hab ich begriffen, dass der Drucker das viel besser kann als ich. Das schien mir eine einfache Lösung des Problems. Und dann entwickelte sich das zu einer eigenen Sprache; und es wurde für mich zu einer fast täglichen Übung."

Mit Kratzspuren versehenen Leinwände
Der Ansatz ist: Der künstlerische Prozess soll objektiver, neutraler, vielleicht auch mechanischer werden. Der halbwegs geschulte Zuschauer aber, steht er vor diesen abstrakten Riesenformaten, denkt natürlich gleich an Farbfeldmalerei und Hard-Edge oder vielleicht auch an die leeren und mit Kratzspuren versehenen Leinwände des Cy Twombly. In Wahrheit findet die künstlerische Arbeit hier zwischen Mensch und Maschine statt, sagt Kuratorin Beatrix Ruf.

"Handschrift und Komposition oder eine künstlerische Absicht im Sinne einer Gestaltung findet hier nicht statt - sondern es ist ein Dialog mit den Möglichkeiten der Produktion; aber auch mit dem Scheitern der Technologie zum Beispiel ... "

Der Gag ist nämlich, dass der Drucker nicht alles umsetzen kann, was der Künstler eingibt. Er scheitert an bestimmten Aufgaben, und gerade daraus ergeben sich Unregelmäßigkeiten, die das scheinbar Gleichmäßige dieser Farbbahnen aufheben: Da wird hinterrücks dann doch eine individuell gestaltete Farblandschaft sichtbar.

"Da passieren Fehler, es passieren Verunreinigungen, es passieren auch Irrwege. Sowohl auf den Arbeiten auf Leinwand wie auf den von Wade Guyton entwickelten Zeichnungen. Die Information wird nicht 1 zu 1 auf ein Material übertragen. Sondern die Materialien mischen sich ein, die Materialien kreieren Verunreinigungen auch. Und dazu kommt noch, dass die Leinwände so lang sind, dass die auch auf dem Atelierboden schleifen ... "

Man kann 15 Meter lange Leinwände nur gerollt transportieren, und dabei entstehen Spuren, die im makellosen Weiß des Museums dann wie Fremdkörper wirken, irgendwie menschlich. Diese riesigen Werke kann man sich nicht zu Hause übers Sofa hängen, das ist Kunst für eine Institution, für weite Räume. Trotzdem fühlt man sich nicht erschlagen von diesen Dimensionen, sondern eher wie in einem Bühnenbild ...

"Obwohl die absolut monumental sind, diese Gemälde, und auch die Installation mit den Zeichnungen, kippt das um in eine physische Erfahrung. Sowohl des Raumes wie auch der Werke. Die nichts mehr mit dem repräsentativen Monumentalen zu tun haben, das wir aus anderen geschichtlichen Realitäten kennen."

Zeugnisse eines Produktionsprozesses
Der zweite Ausstellungsraum ist dann quasi eine Umkehrung des ersten: hier liegen in Vitrinen kleine bedruckte Blätter, die tagebuchartig das dokumentieren und übereinanderschichten, was Wade Guyton sich so auf den Computer holt - von Nachrichten, Fotos und Bildern bis zu E-Mails.

Die Blätter ist absolut unterschiedlich, auf manchen dominiert die Schrift, andere sind fast ganz schwarz. Ob das schön ist, hält Guyton gar nicht für die Frage: dies sind Zeugnisse eines Produktionsprozesses, dies ist seine Welt. Um dieses Private zu zeigen, sind die Vitrinen mit grellgelben Böden ausgelegt, der Farbe von Guytons Küche - während die Großformate das Private sprengen und transzendieren, wird bei den kleinen Drucken der banale Alltag als Folie genommen.

Um ehrlich zu sein: die kathedralen-artigen Hallen mit Guytons schwarz-weißen Farbfeldern sind weitaus beeindruckender als die Kleinkunst. Man fühlt den Raum und sich selber. Und man sieht, wie es gemacht ist - sagt Kuratorin Beatrix Ruf.

"Ich glaube, was man erfährt ist: ein sehr direkter physischer Kontakt. Der aber so gut temperiert ist, dass man das Denken nicht vergißt."