Vom Psychothriller ohne Action bis zum verpatzten Regiedebüt

Vorgestellt von Anke Leweke |
In "Als das Meer verschwand" kehrt ein Kriegsfotograf nach 17 Jahren in sein neuseeländisches Heimatdorf zurück und fördert alte Familiengeheimnisse zutage. In "Lenz" wird der Protagonist getrieben von einer diffusen Sehnsucht und taucht ab in einen Kleinfamilien-Kokon. Und "Der die Tollkirsche ausgräbt" ist das wenig überzeugende Regiedebüt der Schauspielerin Franka Potente.
"Als das Meer verschwand"
Von Brad McGann
Mit Matthew Macfeyden, Mirinda Otto, Emily Barclay, Colin May

Der Tod seines Vaters bringt Paul nach 17 Jahren zurück in die Heimat, in ein kleines Kaff in Central Otago auf der Südinsel Neuseelands. Hier sieht sich der inzwischen zum Kriegsfotografen avancierte junge Mann mit alten Bekannten und noch immer nicht verheilten Wunden konfrontiert.

Da ist sein Bruder Andrew und da ist Jackie Pauls ehemalige große Liebe, und ihre Tochter Celia, mit der er sich anfreundet. Als das Mädchen eines Tages spurlos verschwindet, steht für die Bewohner der Kleinstadt Paul als Sündenbock fest. Es beginnt eine Spurensuche, die alte Familiengeheimnisse zutage fördert. Meint der Zuschauer die Zusammenhänge verstanden zu haben, dringt der Regisseur Brad McCann noch tiefer in die verdrängte Vergangenheit dieser Familie ein und bringt neue Geschichten zum Vorschein.

"Als das Meer verschwand" ist ein Psychothriller, der ganz ohne äußere Action auskommt. Es ist ein ruhig erzählter Film, dessen Kamera sich immer wieder die Zeit lässt, die Weite der neuseeländischen Landschaft einzufangen. Damit seine Protagonisten aber auch seine Zuschauer Zeit zur Ruhe finden.

"Lenz"
Von Thomas Imbach
Mit Milan Peschel, Barbara Mauer, Noah Gsell

Ein Regisseur dreht einen Film über die Figur eines Regisseurs, der gerade einen Film vorbereitet. Dieser Film beruht auf dem Erzählfragment eines Dichters, der darin von den Erlebnissen eines anderen Dichters schreibt. Imbachs Lenz, großartig gespielt von dem Berliner Theaterschauspieler Milan Peschel, ist das, was man landläufig eine gescheiterte Figur nennt. Von einer diffusen Sehnsucht nach Familie und Geborgenheit getrieben, macht sich Lenz auf nach Zermatt, um sich mit seinen achtjährigen Sohn zu treffen. Hier, inmitten des Skirummels, entwickelt sich das Innere einer Almhütte zum Kleinfamilien-Kokon, in dem Lenz und seine Ex-Frau vorübergehend wieder zusammenfinden.

Ein wahres Kunststück gelingt Imbach mit seinen Aufnahmen der gewaltigen Berglandschaft. Die mächtigen Wolken, schneeverwehten Täler und unheimlich in der Dämmerung thronenden Gipfel werden nicht nur zum faszinierenden Bild für Lenz’ wechselnde Stimmungen, sondern auch zum Inbegriff für den rätselhaften Sog, der seine Seele zunehmend erfasst. Ganz wie bei Büchner wird die mit subjektiver Kamera gefilmte Natur zum Spiegel des Ichs, zum Ausdruck eines Menschen, in dessen Wahrnehmung die Außenwelt langsam mit innerer Einsamkeit und Todesdüsternis verschwimmt.

"Der die Tollkirsche ausgräbt"
Von Franka Potente
Mit Emilia Sparagna, Christoph Bach, Justus von Dohnanyi, Max Urlacher

Wir schreiben das Jahr 1918 und aus Geldgründen will ein Gutsbesitzer seine junge, schöne Tochter verheiraten. "Der die Tollkirsche ausgräbt" ist ein Stummfilm. Die Heldin ist weiß geschminkt, ihren Augen weiß aufgerissen. Es gibt Schrifttafel, Kreisblenden und viel dramatische Musik. Das Regiedebüt der Schauspielerin Franka Potente erinnert an eine studentische Übung in Sachen Stummfilm. Doch spürt man den Bildern den Willen an, große Kunst zu machen, möglichst originell zu sein. Da buddelt der Hund eine Mumie aus. Wenn man sie auswickelt, kommt ein Punk mit Anarcho-Jacke zum Vorschein. Da laufen Hähne durchs Bild und Tafeln mit dem Wort "Kikirikiiiiiiiii" werden eingeblendet. Mit dem Wort prätenziös ist denn auch schon alles gesagt, was man über diesen Film sagen kann.