Vom Opernsänger zum Kantor

Rückkehr zur Musik der Synagoge

Fallback Image
Assaf Levitin (r.) mit seinem Gesangstrio "Die 3 Kantoren" bei einem Auftritt im Rathaus von Gera © Deutschlandradio
Von Jonathan Scheiner · 08.07.2016
Viele Jahre hat Assaf Levitin auf den großen Opernbühnen dieser Welt gestanden. Inzwischen konzentriert sich der Bassbariton auf sein Gesangstrio "Die Drei Kantoren". Der Israeli studiert am Abraham Geiger-Kolleg in Potsdam und lebt in Berlin.
Das Liebeslied "Shein vi di levone" ist ein jiddischer Klassiker, das gerne und häufig gesungen wird. Kein Wunder also, dass das Lied auch auf dem Debütalbum der "3 Kantoren" auftaucht. Doch nur ein Teil der 16 Songs, die dieses A-Capella-Trio zusammengestellt hat, stammt aus der Welt der Jidden. Das übrige Repertoire ist eher typisch für Kantorenmusik, und besonders dann, wenn diese Chasanim aus Israel stammen. Denn neben Synagogenliedern gibt es vor allem israelische Evergreens zu hören.
All diese Lieder sind auch Assaf Levitin bestens vertraut. Der Bassbariton aus Israel hat das Gesangstrio "Die 3 Kantoren" zusammen mit dem Tenor Ido Ben-Gal und dem Bariton Amnon Seelig gegründet.
Die drei Sänger kennen sich noch aus Israel, doch zu Kollegen wurden sie erst später am Abraham Geiger-Kolleg in Potsdam. Dort lassen sie sich derzeit zu Kantoren ausbilden. Als Assaf Levitin vor zwei Jahren gefragt wurde, ob er nicht beim Jahresempfang der Israelischen Botschaft in Berlin auftreten wolle, war die Idee der "3 Kantoren" geboren. Seither touren die drei Sänger mit einer Mischung von Pijutim und Festgesängen sowie israelischen und jiddischen Gassenhauern durch den deutschsprachigen Raum.

Zunächst sah es nach einer Opernkarriere aus

"Noch bevor ich an der Musikakademie angefangen habe zu studieren, habe ich schon in Chören gesungen. Und schon damals ging das los, dass nachgefragt wurde nach Sängern, die an den Hohen Feiertagen noch frei sind. Mein erster großer Einsatz als Sänger in der Liturgie war mit einem Chor aus Israel in Sydney. Das haben wir dann vier Jahre hintereinander gemacht. Ein Jahr später dann in Sao Paulo und so habe ich Erfahrungen gesammelt. Und das ist für einen Sänger eine gute Art, Geld zu verdienen. Die Nachfrage ist größer als das Angebot. So kam ich dazu."
Doch zunächst sah alles nach einer Karriere an der Oper aus. Seine Ausbildung hat Assaf Levitin in seiner Heimatstadt Tel Aviv begonnen und sie dann an der Hochschule des Saarlandes für Musik und Theater fortgesetzt. Ein paar Jahre hat Assaf Levitin als klassischer Sänger an den Opernbühnen dieser Welt gesungen, war am Theater Dortmund oder am Operhaus Zürich engagiert.
Mit religiöser jüdischer Musik wollte der Israeli damals nichts zu tun haben:
"Und so habe ich irgendwann den Pianisten Jascha Nemtsov kennengelernt, der mich bei der 'Winterreise' begleitet hat. Zwei Jahre später habe ich dann gehört, dass er die Leitung des Kantorenseminars in Potsdam übernommen hat. Irgendwann hat er mich dann für die Ausbildung begeistern können. Denn der Kantorenberuf ist mehr als nur Sänger sein. Es gibt sehr viele Aspekte, auch Gemeindearbeit, Seelsorge, Konfliktmanagement."

Als Kantor bewertungsfrei singen

Seine Rückkehr zur Musik der Synagoge war auch dem Umstand geschuldet, dass Assaf Levitins Stimme unter dem Stress des Klassikbetriebes zu leiden begann. Zeitweilig konnte er nur noch unter Antibiotika singen. Ein Phänomen, dass er sich heutzutage gar nicht mehr vorstellen kann, seit er nicht mehr als Opernsänger, sondern als Kantor auftritt.
"Das sind zwei getrennte Welten für mich. Singen ist zwar Singen in technischer und stimmlicher Hinsicht. Doch wenn ich als Kantor singe, geht es viel weniger um mich selbst. Ich muss nicht immer irgendwelche Hintergedanken haben, ob meine Stimme schön genug ist, ob ich gut genug singe, denn die Beterschaft kommt, um zu beten. Da bin ich eher eine Art Animateur. Ich improvisiere viel. Und das wichtigste: Das ist echt, das ist nicht: Machen, so als ob!"
Assaf Levitin benützt Begriffe wie "Tiefgang" und "Spiritualität", wenn er über seinen Gesang spricht. Einen solchen Grad der Echtheit, wie er ihn als Kantor erlebt, könne er auf der Opernbühne gar nicht erreichen, sagt Levitin. Das klingt tiefenentspannt. Und es klingt, als habe da ein Israeli in Berlin nicht nur seine neue Heimat gefunden, sondern auch seine wahre Stimme.
Mehr zum Thema