Vom Karrieristen zum Widerständler?

23.11.2006
Hjalmar Schacht war der mächtigste deutsche Bankier des 20. Jahrhunderts. Er diente der Weimarer Republik und dem Dritten Reich. Kurz vor dem Krieg wurde Schacht entlassen, später zeichnete er von sich das Bild eines mutigen Regimegegners. Wie tief er aber in die Machenschaften der NS-Systems verstrickt war, zeigt Christopher Kopper in seinem Buch "Hjalmar Schacht - Aufstieg und Fall von Hitlers mächtigstem Bankier".
Er gehörte zu den einflussreichsten Männern des Dritten Reiches: Hjalmar Schacht. Als Reichsbankpräsident und gleichzeitig Reichswirtschaftsminister finanzierte und organisierte er Hitlers Expansions- und Aufrüstungspolitik. Durch seine guten internationalen Kontakte und mit hohem diplomatischem Geschick beruhigte er die ausländischen Banken, stabilisierte die Reichsmark und verschleierte die enorme Verschuldung, die Deutschland an den Rand des Ruins brachte. 1939 bei Hitler in Ungnade gefallen und aus seinen Ämtern entlassen, bewegte sich Schacht an den Rändern des Widerstands, doch die Männer des 20. Juli trauten dem arroganten Karrieristen nicht über den Weg.

Dennoch wurde Schacht nach dem Attentat auf Hitler verhaftet, entging der Verurteilung durch Freislers Volksgerichtshof. Im Nürnberger Kriegsverbrechertribunal saß Hjalmar Schacht auf der Anklagebank, das Urteil lautete auf Freispruch. Trotzdem musste er für mehrere Jahre ins Gefängnis, ein deutsches Entnazifizierungsverfahren stellte Schachts maßgebliche Beteiligung am Erfolg von Hitlers Politik fest. In seinen 1953 erschienenen, sehr erfolgreichen Memoiren stilisiert sich Schacht zum entschiedenen Regimegegner und -kritiker, der sich keinerlei Schuld bewusst war.

Anhand neuer, erst heute zugänglicher Quellen und Dokumente bringt Christopher Koppers Biographie die wesentliche Verstrickung Schachts im NS-System ans Licht. In seinem spannenden, teilweise rasant geschrieben Buch weist der Bielefelder Historiker nach, wie eng der steile Aufstieg Schachts mit politischem Opportunismus verknüpft war. Schacht war ein brillanter Geldmarkt- und Währungsexperte, mit zugleich sicherem Instinkt für politische Machtkonstellationen. Als Reichsbankpräsident schon in den 1920er Jahren steuerte er die Reparationspolitik gegenüber den Siegermächten des Ersten Weltkriegs, hintertrieb die Pläne jedoch in einem intriganten Doppelspiel, mit dem er sich ab der Weltwirtschaftskrise von 1929 bei Hitler und Goebbels lieb Kind machte. Erst durch Schachts mächtigen Einfluss wurden die Nationalsozialisten bei der Großindustrie und den Banken salonfähig. Und ohne Schacht hätte Hitlers ruinöse Finanzpolitik in einem Debakel geendet.

Christopher Kopper, Sohn des Bankiers Hilmar Kopper, versteht es, die komplizierten ökonomischen Details und Transaktionen in ihrer Bedeutung für den politischen Zusammenhang zu zeigen. So entsteht auch die Geschichte des Kapitals von 1920 bis 1939, die nicht von der Psychologie ihrer Protagonisten zu lösen ist. Als Ergänzung zur Biographie Schachts ist deshalb unbedingt Koppers so lesenswerte wie erschreckende Studie "Bankiers unterm Hakenkreuz"" (2005) zu empfehlen. Die nationalsozialistische Katastrophe war ohne Geld nicht möglich, ein kleiner Kreis von Menschen hat sie finanziert, Millionen Opfer haben dafür bezahlt.

Rezensiert von Joachim Scholl

Christopher Kopper: Hjalmar Schacht. Aufstieg und Fall von Hitlers mächtigstem Bankier
Hanser-Verlag München
432 Seiten, 24,90 Euro