Vom ersten Wurf zur 1000. Sendung

Von Jens Rosbach · 25.09.2007
Im September 2004 brachte das Deutschlandradio eine Innovation auf den Radio-Markt: ein kurioses Mini-Hörspiel, das zufällig ins laufende Programm "geworfen" wurde. Die schrägen und witzigen Audio-Produkte - <papaya:link href="/wurf/index.php" text="Wurfsendungen" title="Wurfsendungen" target="_self" /> genannt - wurden ein Radio-Renner. Heute wird die 1000. Wurfsendung ausgestrahlt.
Vor drei Jahren wurde im Kulturprogramm des Nationalen Hörfunks ein Vogel erschossen.

"Es war an einem schwülen Sommertag 1684, als der holländische Seemann Cornelius von den Grachten in einem einfachen Ruderboot an der Südkiste von Mauritius landete. Die Lage schien aussichtslos. Da erblickte er im Uferwald einen dicklichen grauen Vogel. 'Wat is dat denn?'"

Das Federvieh, um das es ging, war eine Dronte – ein flugunfähiges, pummelig-trotteliges Tier. Das letzte seiner Art.

"Schuss - Mhhmm, lecker""

Das Minihörspiel war 51 Sekunden lang und die erste Wurfsendung, die produziert wurde. Sie "knallte" im September 2004 – zusammen mit weiteren skurrilen Stückchen - ins damals noch etwas behäbige Kulturprogramm von Deutschlandradio Berlin, heute Deutschlandradio Kultur. Stefanie Hoster, die verantwortliche Hörspielchefin, setzte bei der "Sekunden-Kunst" ganz bewusst auf Überraschung.

"Die Irritation war, dass nichts erklärt wurde. Es kam einfach: Wurfsendung – und dann kam irgendwas. Ja, heutzutage wird ja doch in vielen Programmen ja ständig erklärt, jetzt kommt das und dann kommt das und wenn das nicht war, dann das nächste usw. Und ich glaube, es ist eben neu, wenn es für etwas keine Schublade gibt."

Im Funkhaus schüttelte manch ein Kollege verdattert den Kopf und einzelne Stammhörer schrieben böse Briefe über die ungewohnte Audio-Kunst.

"Ja, die haben geschrieben: Sie verderben mir mit diesen Wurfsendungen einfach die Laune, und das ist ein Grund, das Radio auszuschalten. Ich dachte, den meisten machen wir gute Laune. Also der eine, der da ausschaltet, der hat Pech gehabt – aber vielleicht gewöhnt er sich ja noch dran."

Die Masse der Hörer ließ sich begeistern. Bei vielen erreichte die oft absurd-tiefsinnige Wurfpost sogar Kultstatus. "Ich habe gestern ein Stück bei Ihnen gehört, bei dem es um Klobrillen ging", schrieb etwa ein Fan, "Ich saß gerade im Auto und musste vor lauter Lachen anhalten".

"Durch den Strumpf durch, sprach der Räuber, gib mir 1000 Scheine! Durch das Glas durch, sprach der Bankmann, große oder kleine!"

Auch bei Experten schlug die Wurfsendung ein. So erhielt das Format 2005 den Rundfunkpreis der Fach-Zeitschrift Radio Journal. Außerdem übernahmen BBC und Radio Danmark das Konzept für ihr Programm.

Heute wird die Wurfsendung stündlich im Radiofeuilleton gesendet. Und zwar nach dem Zufallsprinzip. Ein Wurfgenerator wählt die Stücke aus, das heißt: Eine speziell entwickelte Software setzt die unterschiedlich langen Mikro-Produktionen willkürlich zu Wurfpaketen zusammen. Nur die langen Hörspiele werden einzeln gesendet. Und lang heißt hier: 45 Sekunden.

Sie können zu dem Thema auch ein Gespräch mit dem "Erfinder" der Reihe, Wolfgang Hagen, und der betreuenden Redakteurin, Julia Tieke, in unserem Audio-on-Demand-Angebot hören. Die beiden erklären die Hintergründe und die Machart der Audio-Stücke.
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