Vollendet - unvollendet?

Gast: Peter Gülke / Moderation: Michael Dasche · 06.05.2012
Weniger der knappen Lebensspanne, die Franz Schubert vergönnt war, ist es geschuldet, dass sich unter seinen Werken so ungewöhnlich viel Fragmentarisches findet. Eher entsprach es seiner rastlosen Arbeitsweise, seinem hohem Anspruch an ein künstlerisches und handwerkliches Gelingen, wenn er zum Teil recht weit gediehene und vielversprechende Partituren entweder "auf Eis" legte oder gar völlig verwarf.
Das berühmteste Fragment Schuberts ist seine Sinfonie h-Moll von 1822, die "Unvollendete", die seit ihrer um Jahrzehnte verspäteten Uraufführung (1865) die gebührende Anerkennung als eines der Gipfelwerke abendländischer Musik fand. Von einem "vollendeten Torso" ist seither die Rede, was die besondere Position der Sinfonie gegenüber anderen sinfonischen Fragmenten treffend beschreibt. Gleichwohl sollten diese weniger bekannten Entwürfe von 1818 und 1821 sowie von 1828, dem Todesjahr des Komponisten, zur h-Moll-Sinfonie im Zusammenhang gesehen werden. Er besteht vor allem darin, dass es sich bei allen Fragmenten nicht nur um Zeugnisse eines Scheiterns handelt, sondern - positiv ausgedrückt - um fortschreitende Versuche, kompositorisch "Gewolltes und Erreichbares" in Einklang zu bringen.

Im Gespräch mit dem Musikwissenschaftler und Dirigenten Peter Gülke geht es um diesen Bezug zwischen der "Unvollendeten" und anderen sinfonischen Fragmenten. Die besondere Kompetenz des Studiogastes ist nicht zuletzt durch seine Einrichtung von drei solchen Fragmenten zu "hypothetischen Partituren" und seine Aufnahme dieser Entwürfe mit der Dresdner Staatskapelle dokumentiert.