Volksverhetzer.de

Von Beate Feeken und Thilo Schmidt · 04.09.2007
Benjamin Schöler hat seine Mobilfunknummer geändert und antwortet nicht mehr auf E-Mails. Der Greifswalder Theologiestudent hat Probleme, große Probleme, seit er Anzeige gegen volksverhetzende Internetseiten erstattet hat. Und seit die Ermittlungsbehörden seine Adresse herausgegeben haben. Er wird von Rechten belästigt, bedrängt, bedroht. Fast täglich bekommt der couragierte Student Drohbriefe per E-Mail und per Post. Benjamin Schöler gibt trotzdem nicht auf. Jetzt erst recht nicht.
"Also, ich werde euch mal was ansurfen, wo ich weiß, dass wir gleich fündig werden."

"In Belsen, in Belsen, da hängen se an den Hälsen, fidirallala, fidirallala, fidirallalalala. In Buchenwald, in Buchenwald, da machen wir die Juden kalt."

"Also diese Musik habe ich gefunden in einem rechtsextremen Internetforum. Dessen Betreiber habe ich im Februar 2005 angezeigt, habe keine Rückmeldung von der Staatsanwaltschaft bekommen, habe zwischenzeitlich Ende 2005 und Mitte 2006 das Ganze erneut angezeigt und auch noch mal rückgefragt, habe wiederum keine irgend geartete Rückmeldung von der Staatsanwaltschaft bekommen und die Seite gibt es noch heute unverändert."

Greifswald, im Sommer 2007. Benjamin Schöler sitzt an seinem Computer. Was er im Internet gefunden hat, ist haarsträubend wie dieses: Bekannte Melodien wie "Die Vogelhochzeit", aber auch moderne Rockmusik werden als Träger volksverhetzender Texte missbraucht.

Die Gruppe, die zur "Vogelhochzeit" aufruft, nennt sich "Kommando Freisler". Roland Freisler war ein berüchtigter Nazi-"Blutrichter". Titel der Gruppe heißen "Belsen", "Judenschwein" und "Giftgas".

Dass solches Gedankengut noch immer im Internet frei zugänglich ist, will Benjamin Schöler verhindern. Er ist 27 Jahre alt, studiert in Greifswald Theologie, hat sein zwölf Quadratmeter großes Arbeitszimmer mit Schreibtisch, Stehpult und Bücherregalen gefüllt. Bis zur Decke stapeln sich Bücher, vor allem Geschichtsbücher. Schöler forscht zum Thema Judenverfolgung.

"Ich hab, als ich eine Veranstaltung machte über die Deportation der Juden aus Pommern, die Warnung gekriegt: Mensch, pass auf, da könnten ja auch Nazis kommen, diese Veranstaltung stören. Das hab ich zum Anlass genommen mich mal ans Internet zu setzen und zu gucken: Was gibt’s eigentlich für Nazistrukturen hier in der Region? Wer sind diese Leute? Wie sind die organisiert? Und bei dieser Recherche fand ich – relativ an der Oberfläche, ich musste also nicht tief gehen – strafbare Inhalte, volksverhetzende Texte, Nazisymbole, die strafbewährt sind. Und ich dachte mir damals: Mensch, das ist ja eigentlich gar nicht so schlecht, dass du was findest, was von den Justizbehörden verfolgt werden kann. Meistens sind solche Neonazi – Inhalte ja unterhalb der Schwelle, wo es strafbar wird - aus diesem Gedanken heraus hab ich das angezeigt."

Schöler dachte, gegen rechtsextreme Webseiten vorzugehen sei ganz einfach: Anzeige, es wird ermittelt und dann fällt ein Urteil. Doch die Realität sieht anders aus. In den meisten seiner angezeigten Fälle gab es entweder gar keine Ermittlungen oder diese wurden relativ schnell eingestellt. Zum Beispiel mit der Begründung, dass an der Strafverfolgung kein öffentliches Interesse bestehe. Stattdessen zeigten die Rechten großes Interesse.

"In einem Fall beispielsweise ist es so gelaufen, dass ich die Anzeige geschrieben habe, es dann zu polizeilichen Ermittlungen kam und schon bei der ersten Vernehmung der Angeschuldigten die Polizei meine Identität mitgeteilt hat, inklusive meiner Adresse und aller Daten. Und die Dame hat sich dann eben an die rechtsextreme Szene gewandt, hat in Rundbriefen vor mir gewarnt, hat versucht, über mich Erkundigungen einzuziehen. Das hat dann weitere Veröffentlichungen nach sich gezogen auf einer rechtsextremen Website. Hier in der Region, im Störtebekernetz, erschien dann tatsächlich meine Adresse, zusammen mit einer Warnung vor mir. Und das ist natürlich für mich sehr ärgerlich, dass ich weiß, eine solche Veröffentlichung geht auf die direkte Weitergabe meiner Daten durch die Polizei zurück."

Der Theologiestudent nimmt einen dicken Aktenordner aus dem Regal. Gesammelte Texte – Postkarten, Mails, Auszüge aus Internetforen.
Email von "Volksgerichtshof":

"Ihr Fall wurde dem Schnellgericht übergeben. Das Urteil wird Ihnen bei Vollstreckung verlesen. Rechtsmittel sind ausgeschlossen. Wir kriegen jeden!"

Ein Nutzerkommentar auf der Internetseite Stoertebeker.net lautet:

"Herr Schöler sollte mal bei Gelegenheit die strafende Hand Gottes kennenlernen. Aber bitte nach Möglichkeit, ohne Beweise und Spuren zu hinterlassen. Außer am Schöler. Dort sollten DEUTLICHE Spuren verbleiben."

"Ich hab mein eigenes Todesurteil per E-Mail bekommen, mittlerweile mehrfach. Oder eine Deportationsanweisung, dass ich mich also täglich bereit halten soll, in ein Arbeitslager verbracht zu werden. Das Ganze in altdeutscher Schrift gehalten und mit Hakenkreuz und SS-Runen versehen. Es gibt Anrufer, die mich zum Teil auch mitten in der Nacht anrufen und mir mitteilen, dass ich auf ihrer Liste ganz oben stünde. Wenn denn die politische Wende kommt, würde mit Verrätern wie mir kurzer Prozess gemacht. Es hat auch schon einen Aufmarsch von Neonazis vor meinem Wohnhaus gegeben. Also ein eindeutiges Signal: Wir wissen, wo du wohnst. Nimm dich in Acht."

Als der Druck unerträglich wurde, wandte sich Schöler an den Opferhilfeverein Lobbi. Dort beraten sechs Teilzeitkräfte in ganz Mecklenburg-Vorpommern die Opfer rechtsextremer Gewalt. Roger Müller von Lobbi:

"Wir haben ihm auf jeden Fall geraten, dass er gucken soll, dass seine Mitbewohner, dass das mit denen alles geklärt ist, wie die mit der Sache umgehen. Wir haben ihm geraten, ein Netzwerk oder sich auch innerhalb Greifswalds so abzusichern, dass er Leute hat, auf die er zurückgreifen kann."

Nach dem Motto "Flucht nach vorn" wandte sich Schöler auch an die Medien. Ein Interview mit der "Ostseezeitung" wird auf der Seite Stoertebeker.net hämisch kommentiert:

"Hätte er gewusst, was er sich aufhalst, hätte er vermutlich die Finger davon gelassen."

Über fast jede öffentliche Aktion von Schöler wird auf dieser Internetseite berichtet.

"Hinter dieser Website Störtebeker-Netz und Altermedia steckt vermutlich ein Neonazi in Stralsund, dessen Name durchaus auch bekannt ist."

Kein unbekannter Name für die Mitarbeiter von Lobbi, dem Opferhilfeverein rechtsextremer Gewalt in Mecklenburg-Vorpommern.

"Also wenn ich ehr …, es kommt mir … dass das irgendwie schon auch ein sehr sozial abgegrenzter Mensch ist, der wirklich, na ja, mehr oder weniger in seiner Bude alleine vor sich hinhockt und, ja, sich daran erfreut, was er für tolle Sachen im Internet fabrizieren kann."

"Der ganz eindeutig mit nem Bezug auf Vorpommern seine Inhalte auswählt, aber bundesweit rezipiert wird. Also es ist keine sozusagen Lokalplattform, sondern eine Seite, die bundesweit gelesen wird, aber eben Themen aus Mecklenburg und Vorpommern besonders häufig bringt. Insofern bin ich für ihn natürlich auch interessant gewesen, weil ich einfach räumlich in seiner Nähe bin."

Und unter ständiger Beobachtung? Auch aktuelle Fotos von Schöler werden auf rechten Websites veröffentlicht. Die Bilder und Texte werden vollständig von anderen Betreibern rechtsextremer Internetseiten kopiert. Stoertebeker.net ist ein Leitmedium der rechtsextremen Szene. Da wird zum Beispiel den durch Mügeln gehetzten Indern unterstellt, sie seien Straftäter oder Illegale. Michael Flenker vom Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern:

"Also nach Einschätzung des Verfassungsschutzes Mecklenburg–Vorpommern, ist die Heimatseite, so nennen es ja die Rechtsextremisten, Störtebekernetz, eine der meistbesuchten Homepages überhaupt im Rechtsextremismus, und hat sich damit zu einer bundesweit bedeutsamen Informationsbörse ausgeweitet. Insoweit beobachtet der Verfassungsschutz des Landes die Entwicklung im Störtebekernetz ganz aufmerksam und gibt auch entsprechende Hinweise an die Strafverfolgungsbehörden."

Zur Haupttätigkeit des Störtebekernetzes gehört auch und immer wieder, die Vergangenheit neu zu erfinden. Holocaust-Leugnung oder aber die Verherrlichung des Dritten Reiches durch die Blume, gehören zum Standardrepertoire.

Für die, die das Erbe Anne Franks pflegen und die Erinnerung wach halten, ist das unerträglich. Das Anne-Frank-Zentrum in Berlin und ihr Direktor Thomas Heppener haben Anzeige gegen das Stoertebeker-Netz gestellt:

"Wir ham das Störtebekernetz angezeigt, weil wir auf dieser rechtsextremen Seite immer wieder Verunglimpfungen von Anne Frank gefunden haben, dass man behauptet hat, das Tagebuch von Anne Frank sei eine Lüge. Und uns liegt ja daran, genau auch im Internet zu zeigen, dass rechtsextreme Seiten nicht machen können, was sie wollen. Und wir wissen, dass auch die Staatsanwaltschaft ermittelt, und haben der natürlich auch unsere Expertise, unsere Kenntnisse zur Verfügung gestellt."

Über die Verbrennung eines Anne-Frank-Tagebuchs in Pretzien heißt es im Störtebekernetz:
"Zwar sind wir weit entfernt, den Leuten in Pretzien wegen der Verbrennung dieses Buches […] Vorwürfe zu machen, ist ein solches Verhalten nach der Lektüre des Buches menschlich gesehen doch zumindest nachvollziehbar. […] Könnte man sich dazu entschließen, die Anne-Frank-Tagebücher künftig auf weicherem Papier zu drucken, wüßten wir auch noch eine andere Verwendungsmöglichkeit, die wir jedoch aus Gründen des guten Geschmacks an dieser Stelle nicht näher anführen wollen."

"Wir wissen, wie schwierig es ist, Internetseiten zu verbieten. Gerade das Internet ist ja ein sehr freies Medium. Mir geht es darum, insgesamt die Grenzen aufzuzeigen, was ist erlaubt und was ist verboten in Deutschland, und auch ein Stück natürlich durch solche Ermittlungen natürlich ein Stück weit Druck auf die Verfasserinnen und Verfasser auszuüben. Und ich sehe sowieso: Juristische Aufarbeitung ist immer nur ein ganz kleiner Teil. Es geht eigentlich darum, Zivilcourage und Engagement zu zeigen und sich nicht alle Sachen gefallen zu lassen. Und wenn wir da mit einer solchen Anzeige dies auch deutlich machen, ist schon viel erreicht."

Das Störtebekernetz nutzt die weltweite Informationsfreiheit aus. Der Server wird in den USA vermutet.

"Die Strafverfolgungsbehörden können natürlich entsprechende Straftaten verfolgen, soweit sie in diesem Internetportal begangen werden, und das kann sicherlich dann, nach entsprechenden Verfahren, zu einer Abschaltung führen; in einer solchen Situation sind wir im Moment aber noch nicht."

"Grundsätzlich ist dies Störtebekernet natürlich der Strafverfolgung zugänglich,"

erklärt Ralf Lechte, Oberstaatsanwalt in Stralsund.

"… das Problem ist, die Inhalte, die dort verbreitet werden, bewegen sich oft in einem sogenannten Graubereich; es ist noch nicht sicher, dass die Inhalte, die dort verbreitet werden, auch Straftatbestände erfüllen. Es gibt dort Betreiber, die uns zum Teil bekannt sind, zum Teil nicht bekannt sind, die sich sehr gut mit der Rechtsprechung auskennen - die also wissen, wann der Tatbestand der Volksverhetzung, der hier im Wesentlichen strafrechtlich im Raum steht – greift und wann nicht. Und sie wissen, wie sie ihre Texte formulieren müssen, dass sie immer sehr nah an die Grenze kommen, aber nicht in die Strafbarkeit hereinkommen."

Die Staatsanwaltschaft Stralsund gilt mittlerweile als engagiert bei der Verfolgung rechtsextremer Delikte. Aber auch die Verfasser von volksverhetzenden Texten und die Betreiber der Internetseiten sichern sich ab. So hat Stoertebeker.net eine identische Spiegelseite namens Altermedia. Wenn eine geschlossen wird, ist die andere noch da. Ein weiteres Problem ist, nachzuweisen, wer die Texte ins Internet stellt. Bei einer Website, die auf einem deutschen Server liegt, ist es relativ einfach, den Urheber zu ermitteln. Oberstaatsanwalt Lechte:

"Häufig stehen bei Propagandadelikten die Server im Ausland, um dann den Täter zu ermitteln, benötigt man internationale Rechtshilfe. Internationale Rechtshilfe bekommt man nur, wenn die Delikte auch in dem Land, wo der Server steht, unter Strafe bedroht sind – das ist das sogenannte Prinzip der Gegenseitigkeit. Und wie Sie wissen, sind viele Server in den USA, grad von den Rechtsextremen, und in den USA gilt die Meinungsfreiheit uneingeschränkt, das heißt auch, rechtsradikale Inhalte dürfen dort verbreitet werden, ohne dass man dort gegen Strafgesetze verstößt."

Hinzu kommt, dass es zeitaufwändig und teuer ist, alle verfügbaren Dateien herunterzuladen und zu sichern. Damit die Daten für ein Gerichtsverfahren verwertet werden können, müssen sie vor nachträglicher Manipulation geschützt sein. Dafür sind Profis, Gutachter und spezielle Programme notwendig. Darüber hinaus braucht eine Staatsanwaltschaft, die sich intensiv mit Kriminalität im Internet beschäftigt, auch genügend Personal.

"So ist es ohne Weiteres möglich, wenn man sich vorstellt in Internet-Tauschbörsen, wo illegal Filme getauscht werden, da sind ruckzuck mehrere 1000 Beschuldigte vorhanden, wenn man so etwas untersucht und dementsprechend auch die Verfahren, so dass ein solches Verfahren die Kapazität von ungefähr zehn Prozent einer Staatsanwaltschaft wie der Staatsanwaltschaft Stralsund pro Jahr lahm legt beziehungsweise verbraucht. Und wenn mehrere solcher Verfahren kommen, dann haben wir natürlich ein Kapazitätsproblem."

In einem von Benjamin Schöler angezeigten Fall scheiterten die Ermittlungen auch daran, dass es bei der Staatsanwaltschaft keinen Internetzugang gab und ein Kriminalbeamter nicht in der Lage war, eine Website abzuspeichern. Das war in Bayern. Aber auch in Mecklenburg-Vorpommern gibt es Fälle, in denen die technischen Möglichkeiten fehlen oder das Personal nicht ausgebildet ist, sagt Roger Müller von Lobbi e.V.

"Also, wir waren bei einem Gerichtsverfahren in Wolgast, und da waren die Richter und Staatsanwaltschaft am ersten Tag bemüht, sag ich mal, haben aber nicht wirklich die Kenntnisse, was das Internet betriff und so weiter. Allerdings war dann am zweiten Tag ein Staatsanwalt, der da sehr firm war, sehr viel Ahnung hatte, sich da auch doll mit beschäftigt hatte und der dann auch dementsprechend da Fragen gestellt hatte und gehandelt hat. An sich denke ich aber, dass das auch eher eine Sache ist, die hier nicht wirklich interessiert, ne."

Der Angeklagte wurde wegen Volksverhetzung zu 660 Euro Geldstrafe verurteilt.

Auch eine Buchhändlerin in Nürnberg kam mit einer geringen Geldstrafe davon. Unter dem Deckmantel einer esoterischen Buchhandlung, hetzte sie gegen Juden und Ausländer. Nach zwei Jahren zäher Verhandlungen wurde ihre Internetseite endlich geschlossen. Vor wenigen Monaten allerdings hat die Buchhändlerin ihre Seite unter neuem Namen wieder ins Netz gestellt.

Es waren Anzeigen des engagierten Greifswalder Studenten Benjamin Schöler, die zu Urteilen und zur Schließung von Rechten Internetseiten führten. Doch der Rechtsstaat ist damit nicht wieder hergestellt.

"Also, ja. Es ist ein Erfolg, aber in gewisser Weise ein Phyrrussieg. Um einen Fall noch mal zu benennen: ein Rentner aus Berlin, der eine Website mit rechtsradikalen Inhalten betrieben hat, ist zwischenzeitlich verurteilt worden wegen Volksverhetzung, auch in mehreren Fällen verurteilt worden, und hat seine Seite geschlossen. Ob das nun ein Erfolg war, wage ich zu bezweifeln, denn ich glaube, dass in dem Falle der Prozess eher dazu geführt hat, dass dieser Herr, der vorher nicht zur organisierten rechtsextremen Szene gehörte, aber eben mit antisemitischen und ausländerfeindlichen Gedanken geliebäugelt hat, sich jetzt dezidiert in die Szene begeben hat, sich vernetzt hat, im Austausch mit anderen steht. Und er veröffentlicht weiterhin Texte. Nicht mehr auf seiner eigenen Website, jetzt auf Websites, die von anderen verantwortet werden. Also in dem Falle hat der Prozess nicht dazu geführt, jemanden von seiner Sache abzubringen, sondern im Gegenteil ihn eigentlich nur in seiner Auffassung bestärkt."

Benjamin Schöler macht, was Bürgerpflicht und eigentlich selbstverständlich ist. Ob es nun um das Informationsnetz in der großen weiten Welt geht oder um kleine Dörfer in Vorpommern. Dort haben Neonazis längst flächendeckende Strukturen aufgebaut, die NPD ist die einzig sichtbare Partei, die dort Flagge zeigt. Außerhalb der wenigen größeren Städte wie Greifswald, haben Rechte im Nordosten leichtes Spiel. Besonders dann, wenn alle um sie herum Schweigen oder zum Schweigen gebracht werden.

"Also das auf jeden Fall. Also wenn in bestimmten Städten eben immer wieder Nazis schlagen, und die Leute, die geschlagen werden, entweder wegziehen oder keine Anzeigen erstatten, Strukturen versuchen aufzubauen oder sich irgendwie anderweitig dagegen zu wehren – klar. Also dann entsteht da so eine Hegemonie."

Dagegen hat das Internet noch den Vorteil, dass man auch anonym aktiv werden kann: Das zeigen Internetseiten wie die deutsche Seite "haGalil" und "Aktion Kinder des Holocaust" in der Schweiz. Sie bieten Formulare zur Meldung extremer Seiten, schützen den Anzeigenden, sichern Daten, geben sie an Behörden weiter. Samuel Althof von der "Aktion Kinder des Holocaust" nimmt auch Kontakt zu Providern auf. Erfolgreich. Einige Betreiber in Deutschland löschen jetzt Links mit diskriminierenden Seiten und arbeiten mit Jugendschutz.net zusammen. Wer anonym anzeigen möchte, kann sich aber auch an die Polizei wenden.

"Zur Polizei zu gehen und sagen: Ja, hier, ich hab ne Website gefunden und die ist nicht sauber, möchte meinen Namen aber nicht sagen - das wird wahrscheinlich ein bisschen schwierig. Aber versuchen kann man es auf jeden Fall."

Benjamin Schöler blieb nicht anonym. Trotzdem gab und gibt er nicht auf. Jetzt erst recht nicht.

"Ich glaube, mit diesen ganzen Drohungen bezwecken die, dass sie mich isolieren, dass sie mich mürbe machen, dass sie mich davon abbringen, weiterhin jemanden anzuzeigen, von dem ich weiß, er hat eine Straftat begangen. Letztlich ist ihnen das nicht gelungen, weil sie durch diesen dauernden Druck, der aufgebaut worden ist, mich letztlich eigentlich erst in diese Rolle hineingezwängt haben, aus der sie mich herausholen wollten.

Trotzdem ist es natürlich so, dass diese ganzen Einschüchterungsversuche und diese ganzen Drohungen eben auch ihre Spuren hinterlassen, zumal eben auch die Versuche natürlich da sind, an mein Umfeld heranzukommen und zum Beispiel meine Mitbewohner zu bedrohen, mich bei der Leitung meiner Universität zu denunzieren. In diesen Fällen habe ich eben gemerkt, es ist wichtig, dass ich selber Transparenz und Öffentlichkeit herstelle und nicht die Öffentlichkeit den Nazis überlasse."