Volkstheater Rostock

Steilvorlage für die Entlassung

Sewan Latchinian beruhigt in Rostock Teilnehmer einer Demonstration gegen seine Entlassung am Volkstheater.
Sewan Latchinian beruhigt in Rostock Teilnehmer einer Demonstration gegen seine Entlassung am Volkstheater. © dpa / picture alliance / Bernd Wüstneck
Von Hartmut Krug · 04.04.2015
Zwölf Intendanten hat das Volkstheater Rostock seit der Wende verschlissen. Sewan Latchinian galt am Ende als Heilsbringer, nun ist er wegen einer umstrittenen Äußerung gefeuert worden. Die Proteste dagegen empfindet Kommentator Hartmut Krug durchaus als gerechtfertigt.
1751 wurde in Rostock die erste stationäre norddeutsche Theaterspielstätte eröffnet. Doch viel Theaterliebe regte sich seitdem nicht in der Stadt. Allein zwischen 1952 und 1985 errang das Volkstheater mit realsozialistischem Erklär-Theater Beachtung. Irgendwie gab es das Theater auch weiterhin, aber ohne sonderlich angenommen zu werden.
Seit der Wende gibt es schwere Einbrüche bei den Besucherzahlen, das Volkstheater wurde seitdem von den Rostockern kaum noch wahrgenommen. Die von den folgenden Dauer-Querelen zwischen Politikern und Intendanten um die Finanzierung des Hauses genervt wurden und kaum noch eine inhaltliche Identifikation mit ihrem Theater entwickelten. Zwölf Intendanten hat die Stadt seit der Wende verschlissen, sechs mussten vorzeitig gehen und kosteten die Stadt in der Regel sechsstellige Summen.
Mit Sewan Latchinian holte man sich Mitte 2014 einen Heilsbringer, der dem Volkstheater neues Publikum und ein Profil verschaffen sollte. Doch kaum hatte er in Rostock mit einigem Erfolg begonnen, da war sein Intendantenvertrag über vier Sparten schon Makulatur: Zwei von ihnen, die Oper und das Ballett, sollte er auflösen. Wogegen sich Latchinian zu Recht unbotmäßig wehrte und ein Bürgerbegehren ankündigte.
Machtpolitik ohne überzeugende kulturpolitische Argumente
Man muss jetzt nicht im Detail aufzählen, wie Rostocks Oberbürgermeister Roland Methling und die Bürgerschaft Theaterpolitik als finanzpolitische Sparpolitik missverstehen und wie Kultusminister Matthias Brotkorb eine Theater-Strukturreform anstrebt, die auf der seit Jahren betriebenen Deckelung der Landeszuschüsse beruht. Beide Politiker setzen auf Machtpolitik mit finanzpolitischen, aber ohne überzeugende kulturpolitische Argumente. Eins aber mögen beide nicht: Widerspruch. Latchinian schon. Bei einer Theaterdemonstration in Neustrelitz sagte er, Zitat:
"Seit Wochen zerstören IS-Schergen im Irak die Jahrtausende alten Weltkulturerbestätten aus religiösen Vorwänden. Und hier bei uns in Mecklenburg-Vorpommern – ich setze das nicht gleich, aber vergleichen muss man das schon – hat momentan im Namen des Geldes die Zerstörung funktionierender Theaterstrukturen begonnen."
Harte, undiplomatische und wütend überspitzte Worte, durchaus. Mehr nicht. Keine Gleichsetzung. Doch für Oberbürgermeister Methling als Entlassungsvorwand eine Steilvorlage. Er rief seinen Hauptausschuss zusammen, der mit sechs zu fünf Stimmen Latchinians Entlassung beschloss. Das übliche folgte: Berechtigte Proteste vom Deutschen Bühnenverein und viel Aufregung in Theaterkreisen. Gefordert wird zu Recht die Rücknahme der Kündigung. Besser wäre, die Politiker täten nicht nur dies, sondern überlegten sich endlich einmal, welches Theater und warum sie es für Rostock wollen. Theater muss nicht sein. Auch nicht in der zweihunderttausend-Einwohner-Stadt Rostock. Doch wenn man es hat und behalten will, muss man auch wissen, wozu. Geld ist nicht alles, aber es findet sich.
Mehr zum Thema