Volksbühne Berlin

Ikone des Symbolismus

Von Scheinwerfern erleuchtet ist die Fassade des Theaters Die Volksbühne in Berlin
Die Volkbühne in Berlin © Picture Alliance / dpa / Manfred Krause
Von Bernhard Doppler · 14.01.2015
Das Stück "Pelléas und Mélisande" über die todgeweihte Liebe zweier Menschen gilt als bedeutendes Werk des Symbolismus. Nun wurde es an der Berliner Volksbühne aufgeführt - und zwar recht eindrucksvoll, meint unser Rezensent.
Wenn ein "Pelléas und Mélisande"-Abend des Bühnenmusikers und Regisseurs David Marton angekündigt ist, dann erwartet man zunächst eine musikalische Weiterentführung von Claude Debussys berühmtem "Drama lyriqe" - so wie Marton mit seinen Musikern und Schauspielern auch eindrucksvoll Alban-Berg- und Claudio Montverdi-Opern oder Richard Wagners "Rheingold" weiterentwickelt hatte.
Doch eine musikalische Paraphrase von Claude Debussys Musiktheater ist diesmal nicht zu hören. Im Zentrum steht der Text von Maurice Maeterlincks symbolistischem geheimnisvollen Schauspiel und als Musik werden vor allen Beethovensonaten, Songs ("secret love") und Kinderlieder gegeben. Das mit geheimnisumwitterten Jugendstil-Bildern und Symbolen aufwartende Drama (der Ring im Brunnen, die verknoteten Haare, das Todesbett des greisen, lüsternen Mannes, Warten auf ein Schiff am Meer): Hauskonzert einer biederen Familie.
Überzeugende Schauspieler und Musiker zugleich
Und wie bei allen Marton-Produktionen sind auch bei diesem Familienkonzert alle Beteiligten sowohl Schauspieler, als auch Musiker. Jan Czaikowski am Flügel und die Geigerin Nurit Stark sind fester Kern zahlreicher Marton-Produktionen an verschiedenen Bühnen, aber auch die Volksbühnenschauspieler Lilith Stangenberg (Melisande) und Hendrik Arnst (König Arkel) sind nicht nur als Darsteller integriert, sondern musizieren mit - wenngleich Hendrik Arnst lediglich eine C-Dur-Tonleiter auf dem Klavier zu Gehör bringt.
"Pelléas und Mélisande" als Familienkonzert macht durchaus Sinn. Sind vielleicht Maeterlincks Stücke, wie auch der Maeterlinck-Forscher Stefan Gross nahelegte, nicht vielleicht überhaupt als Werke tiefschwarzen, satirischen Humors zu verstehen und keineswegs nur todesschwer depressiv? Auf eine banale Familienkonstellation über mehrere Generationen vom Urgroßvater bis zum Kind lässt sich "Pelléas und Mélisande" jedenfalls fokussieren, wobei innerfamiliärer Missbrauch unterschwellig durchaus Thema ist. Der etwas verklemmte, Beethoven übende Klavier spiele König Golaud (Jan Czakowski) ist auf die schöne scheue "Rühr-mich-nicht-an"-Mélisande gestoßen und hat sie geheiratet, aber sie liebt heimlich in dieser Familienrunde den zupackenden Bruder (der isländische Schauspieler und Sänger Thorbjörn Björnsson). Auch Mutter Genevieve (besonders komödiantisch Marie Goyette) mischt sich ein und liest nicht nur Briefe, sondern auch sogenannte Privatnachrichten am Sampler vor.
Eine kluge neue Sicht auf einen klassischen Text der Moderne also und ein kammermusikalischer Genuss durch das eindrucksvolle Spiel von Nurit Stark und Jan Czajkowski obendrein.
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