Virtuoser Wüterich

Von Katinka Strassberger · 17.10.2013
Mathias Tretter, Mitglied des "Deutschen Zwangsensemble" macht seinen Ärger zur Kunst. Mit dem Programm "Mathias Tretter möchte nicht Dein Freund sein", in dem er Facebook und Co. veralbert, tritt der Kabarettist bei der am Donnerstag beginnenden "Lachmesse" in Leipzig auf.
"Gottseidank ist der Wahlkampf vorbei, manche sind bis heute noch nicht wieder aufgewacht."

Kurz nach der Bundestagswahl 2009 stand ein gut gelaunter Mathias Tretter auf der Bühne des academixer-Kabaretts. Gemeinsam mit Claus von Wagner und Philipp Weber durfte er für ihr gemeinsames Projekt, das Erste Deutsche Zwangsensemble, den Lachmesse-Preis entgegen nehmen, überreicht von Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung:

"Herzlichen Glückwunsch, tolles Ensemble. Ich freue mich aber auch über einen Neubürger, 1800 Euro Finanzausgleich."
"Wo darf ich mir das Begrüßungsgeld abholen?"

Geld gab es natürlich nicht für den aus Franken zugezogenen Kabarettisten, stattdessen aber sehr ermutigende Willkommensgrüße aus dem Kollegenkreis:

"Ich war noch keine Woche da, da hat mich Christian Becher, der mittlerweile leider verstorben ist, einer der Gründer der academixer angerufen, und hat gesagt, er findet es toll, wenn jemand in Anführungszeichen ‚Junges‘, also ich war damals 35, in die Stadt kommt, der Kabarett macht, und ob ich nicht mal vorbeischauen will. Ich hab das so noch nie erlebt, dass da keinerlei Ressentiments waren, sondern: Hey, komm her und schauen wir mal, was wir zusammen machen können."

Ein Angebot, dem Mathias Tretter gerne gefolgt ist, denn die Freude, mit anderen gemeinsam etwas zu entwickeln, zieht sich wie ein roter Faden durch sein Leben, das 1972 in Würzburg begann. Als Student organisierte er dort Hörspiel-Abende in einer Kneipe und gründete ein Literaturmagazin. Wenn es ihm tagsüber langweilig wurde in den Germanistik- und Anglistik-Seminaren, schrieb er satirische Texte, die er bei Poetry-Slams vortrug.

2003 beschloss der hünenhafte Mainfranke, das Kabarett zu seinem Hauptberuf zu machen und trat erstmals mit einem abendfüllenden Programm auf. Mittlerweile tourt er mit seinem vierten Solo erfolgreich durch die Lande und hat darüber hinaus immer noch viel Spaß an gemeinsamen Auftritten mit dem Ersten Deutschen Zwangsensemble. Und auch an einem guten Bocksbeutel. Den lässt er sich jetzt nach Leipzig schicken.

"Ich hab rübergemacht, hab es nicht mehr ausgehalten in Franken. CSU-Parteifunktionäre und Schwein im Naturdarm, das können Sie irgendwann nicht mehr auseinander halten."

"Ich werde ja immer gefragt: wieso sind Sie hergezogen? Wegen der Liebe? Das ist tatsächlich nur die Liebe zu Leipzig. Meine Frau ist zwar hier groß geworden, aber die war Anfang der 90er-Jahre in Würzburg, wir haben uns da kennen gelernt. Wir haben dann einfach irgendwann entschieden, wir ziehen zusammen weg. Nachdem wir Leipzig gut kannten, wussten wir um die Qualitäten der Stadt."

Und zu denen zählt auch die überaus lebendige Kabarett-Szene. Besonders den academixern fühlt sich Mathias Tretter inzwischen eng verbunden. Im Sommer hat er erstmals ein Stück für sie geschrieben und inszeniert: die satirische Komödie "Robinson Grützke". Darin spielen Carolin Fischer und Ralf Bärwolff vom academixer-Ensemble ein Paar, das sich auf einen Urlaub im südostasiatischen Borneo gefreut hatte. Stattdessen landen sie versehentlich in Borna, einer kleinen Stadt im Süden von Leipzig, die verzweifelt um neue Einwohner wirbt:

"Ich ziehe nicht nach Borna. Außerdem weißt du ja gar nicht, ob du die Stelle überhaupt kriegst.
"Ich habe erzählt, dass ich Germanist bin."
"Und deshalb sollst du gleich Kultur-Bürgermeister werden?"
"Ja, ich bin für die Kultur wie geschaffen. Ich habe eine Brille und weiß, wie man ohne Geld auskommt."

"Ich habe für die academixer schon mal ein paar Nummern geschrieben, aber dass ich ein ganzes Stück fast alleine schreibe und inszeniere, das ist absolute Premiere für mich."

Die Nervosität, die Mathias Tretter vor den ersten Aufführungen plagte, ist verständlich, denn gemeinsame Projekte von West- und Ost-Kabarettisten sind auch heute, fast 25 Jahre nach dem Mauerfall, immer noch eine Seltenheit. Das liegt vor allem daran, dass im Westen Solisten die Kabarettbühnen dominieren, im Osten Ensembles mit festen Spielstätten und klarer Aufgabenteilung. Üblicherweise liefern Autoren fertige Texte, die von den Darstellern dann interpretiert werden. Insofern stellte die Art, wie Mathias Tretter an die Sache heran ging, Carolin Fischer und Ralf Bärwolff vor ganz neue Herausforderungen:

"Es ist nicht so, dass ich ein Buch schreibe und das wird dann auswendig gelernt, sondern es entsteht sehr viel während der Proben. Darauf haben die beiden sich aber sehr schnell eingelassen und das hat richtig Spaß gemacht."

Und da das Stück auch ein großer Erfolg war, plant der 42-Jährige jetzt weitere Projekte mit den academixern. Mittlerweile fühlt er sich aber nicht nur beruflich, sondern auch privat pudelwohl in Leipzig. Mit Frau und Sohn lebt er mitten in der Stadt und schwärmt von ihrer Schönheit und der Atmosphäre, die er wesentlich lockerer findet als in Würzburg.

"Die Leute haben öfters mal ein Grinsen im Gesicht, bringen einen entspannten Spruch, was einem in Franken selten passiert. Da wird man eher angeblafft. Ganz ehrlich, ich habe kein Heimweh, im Gegenteil, ich bin heilfroh, dass ich hier bin."
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