Virginia, USA

Bürgerproteste gegen Trump

Ein Kind hält ein Schild in die Höhe, das für Clinton wirbt.
Schon vor der Wahl wurde in Virginia demonstriert. © picture alliance / dpa / Michael Reynolds
Von Esther Dischereit · 15.02.2017
US-Präsident Donald Trump wurde von vielen Menschen gewählt, viele protestieren aber auch gegen seine Politik - so auch im US-Bundesstaat Virginia. Von dort hat uns Lyrikerin Esther Dischereit einen Brief über den Widerstand der Bürger geschrieben.
Esther Dischereit schreibt uns am 15. Feburar 2017:
Virginia, das ist auch eine Zigarre. Der Geschmack beim Rauchen wird als besonders süß und heu- oder strohartig beschrieben, einstmals das wichtigste Exportgut der ersten englischen Siedler. Dieser Bundesstaat der Vereinigten Staaten ist überwiegend ländlich strukturiert. Trotzdem hatten Trump-Wähler hier letzlich keine Chance. Charlottesville mit etwa 50.000 Einwohnern bildet ein städtisches Zentrum, und inmitten dieses Zentrums liegt die Universität. University of Virginia. UVA: gegründet von Thomas Jefferson, dem Mann, der maßgeblichen Anteil an der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung hatte.
Ort des Widerstands wispert man so. Am Tag nach der Trump-Vereidigung waren hier 1000 Menschen auf der Straße. Am Morgen um 5.45 Uhr waren nochmals weitere 600 in neun Bussen zur zentralen Kundgebung nach Washington DC unterwegs. Ich bin zusammen mit drei Doktoranden gefahren. Sie hatten die selbstgemalten Schilder im Kofferraum. Der Dichter Dylan Thomas war bei uns:
Do not go gentle into that Good Night. Geh nicht sanft in diese Gute Nacht. "Black lives matter", Slogan der afroamerikanischen Bewegung gegen Polizeigewalt, und "Unterstützung für die, die die Wahrheit sagen": gemeint ist die freie Presse. Wir halten in einer Vorstadt. Jays Freundin wohnt hier und hat Bagels zum Essen besorgt. Wir bringen Kaffee mit, die Serviererin im Bistro sieht die Schilder und wünscht viel Glück.

Ab jetzt geht es um alles

Die Weiterfahrt zum Zentrum wird lange dauern, immer wieder sind Bahnen überfüllt, überall sind rosafarbene Mützen zu sehen, selbstgestrickt oder gekauft. Ein Flugzeug von SouthwestAirlines soll Pink angestrichen worden sein. Sicher ist das eine Protestaktion der Frauen, aber schon viele hier wissen, dass es mit der Ära Trump um alles geht: "Traut Putin nicht", schreibt eine ukrainische Frau auf ihrem Schild. Und: "Impeachment Now." "Amtsenthebung Jetzt". Oder: "Vergiss niemals, dass alles, was Adolf Hitler in Deutschland tat, legal war."
Diese Warnrufe werden begleitet von Mitteilungen wie der, dass der "Platz einer Frau zuhause" ist "und im Senat" oder dass "Böse Frauen" zurückschlagen. "Donald Dump, der Dumme und Vladmimir Poo Pin, heißt es, halt dich aus meinem Uterus raus", Anspielungen auf sexistische Bemerkungen des amerikanischen Präsidenten. "Rassismus gehört nicht ins Weiße Haus." Sei patriotisch und leiste Widerstand, sagen Sprecherinnen und sie schließen ausdrücklich die Einwanderer und Geflüchteten und Menschen ohne Papiere mit ein. Nicht schieben, nicht schieben! Wir halten uns an den Händen, damit wir nicht voneinander getrennt werden.
Zurück in Charlottesville mache ich mich auf die Suche nach Trump-Wählern. Ich habe trotz starker Nachfrage keine gefunden. Drüben in Westvirginia, da schon. Virginia und Westvirginia sind schon lange geteilt und politisch eben auch.

Die Uni bittet ausländische Studierende im Land zu bleiben

Jane ist Sachbearbeiterin für Personales und bringt mich im Auto zur Buchhaltung. Sie ist sicher über 65 Jahre alt, aber über ihre Pensionierung hat sie noch niemals nachgedacht. Ich weiß nicht genau, wohin ich dann eigentlich gehen möchte, sagt sie. Immerhin ist sie seit 30 Jahren hier, aber es gefällt ihr nicht mehr, weil jetzt die New Yorker da seien und ihr Tempo mitgebracht hätten. Man muss gelegentlich an einer Ampel warten, das habe es früher nicht gegeben. Natürlich sei es eine gute Sache, zurück zur Familie zu gehen, allerdings sind die in Iowa und da ist es bedeutend kälter.
Dann hat die Regierung Trump den Bann erlassen, jenes Dekret gegen Einreisende aus sieben muslimischen Staaten, von dem man nicht annehmen kann, dass es überhaupt verfassungskonform ist. Die New Yorker Taxifahrer stellten vorübergehend ihren Betrieb am Flughafen JFK ein.
Binnen zehn Stunden sind auch hier 500 Menschen auf den Beinen. Das ist unamerikanisch, sagen sie, und undemokratisch und "Refugees welcome". Eine jüdische Kollegin aus meinem Fachbereich sagt: Da kam meine Familie Anfang der 40er Jahre auf der Flucht vor Nazi-Deutschland hierher, damit wir jetzt das erleben?!
Die Universität von Virginia UVA hat sich mit anderen zusammengeschlossen, um gegen diese Maßnahme zu protestieren. Es gab offizielle Briefe an alle Studierenden und Lehrkräfte aus den betroffenen Ländern, bitte nicht das Land zu verlassen. Das Auslandsreferat bietet Hilfe an. Auch die 28 standen hier und wollten wissen, wie es weitergeht. Niemand weiß es. Die 28 Studierenden sind Menschen ohne Papiere, die seit Obama zugelassen werden konnten. Das Gesetz ist bisher nicht wieder bestätigt.
Auf dem Campus gibt es eine Mauer des Protestes. Jetzt ist die Farbe frisch und trocknet in der kalten Wintersonne.

Seit Oktober 2016 ist die Lyrikerin Esther Dischereit in den USA unterwegs. Einmal im Monate schilder sie uns ihre Eindrück von dort.





© Deutschlandradio / Bettina Straub
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