Villingen-Schwenningen

Anziehende Gegensätze

Zwei Ortsschilder in Villingen-Schwenningen (Baden-Württemberg)
Vor über 40 Jahren ist aus den zuvor eigenständigen Kommunen Villingen und Schwenningen eine gemeinsame Stadt geworden. © picture alliance / dpa / Patrick Seeger
Von Michael Brandt · 18.05.2015
War es eine Zwangsehe oder eine Zweckehe, die Villingen und Schwenningen bei der Gebietsreform Baden-Württembergs 1972 eingegangen sein? Nach über 40 Jahren ist die Trennung zwischen den beiden Städten noch immer deutlich.
Mitten im Bindestrich-Land Baden-Württemberg liegt die Bindestrich-Stadt Villingen-Schwenningen, und ein bisschen ist diese Stadt wie das Land: das Ergebnis einer Zwangsheirat, meint der Filmemacher Peter Barthele:
"Villingen-Schwenningen ist Baden-Württemberg im Kleinen. Da ist die eine Seite das bürgerliche, reiche Villingen, auf der anderen Seite das eher rote, die ehemalige Arbeiterstadt Schwenningen, die zum Schwäbischen gehört. Und diese beiden Seiten, die sind zwangsverheiratet worden."
Barthele hat die Stadt deshalb zum Ausgangspunkt für seinen Kinofilm "Baden-Württemberg von oben" gemacht. Über 40 Jahre bilden Villingen und Schwenningen jetzt eine gemeinsame Stadt, hier sollte - das war die Idee der Gebietsreform von 1972 - ein neues Oberzentrum für die Region zwischen Schwäbischer Alb und Schwarzwald wachsen. Aber weil beide Ortsteile ganz offensichtlich nicht zusammengehören, ist das mit dem Zusammenwachsen eben so eine Sache:
"Es gibt zwei Postleitzahlen, zwei Bahnhöfe, es gibt zwei Rathäuser natürlich. Und das Verrückteste ist, es gibt zwischen den beiden Städten so eine Art Demarkationslinie zwischen den beiden Stadthälften. Nämlich mitten drin so ein breiter Grünstreifen, wo mittlerweile das Kreiskrankenhaus, auf das sich beide Seiten geeinigt haben, steht, aber ansonsten Bauland, das keiner haben will."
Eigentlich war eine gemeinsame Stadtverwaltung geplant
Unterwegs mit Heinrich Maulhardt, dem Stadtarchivar von Villingen-Schwenningen auf diesem Grünstreifen, durch den sich die Straße vom badischen-katholischen Villingen ins schwäbisch-protestantische Schwenningen schlängelt.
"Das ist jetzt die Schwenninger Steig, also die Straße nach Schwenningen, jetzt geht es den Berg nach oben, dann auf so eine Hochfläche, und auf dieser Hochfläche - bis vor 20 Jahren war gar nichts. Das waren Felder."
Immerhin gab es viele Planungen. Schon seit den 70er Jahren war klar, dass hier das gemeinsame Krankenhaus des Landkreises hin soll, und eigentlich war auch eine gemeinsame Stadtverwaltung angedacht. Die gemeinsame Stadtverwaltung gibt es nicht und wird es wohl auch niemals geben, aber das Krankenhaus steht inzwischen, seit Sommer 2013, vom Plan bis zur Umsetzung 42 Jahre.
Dennoch spricht Stadtarchivar Maulhardt im Rückblick nicht von einer Zwangs- sondern von einer Zweckehe, und die müssen ja nicht die schlechtesten sein.
"Vom Namen ist es eine Bindestrich-Stadt. Natürlich ist das erst mal ein Nachteil, aber man kann auch sagen, dass sich Gegensätze anziehen."
Die Unterschiede waren groß - zu groß?
Die einen katholisch, die anderen protestantisch, die einen Württemberger, die anderen Badener. Das Wasser aus Villingen fließt über die Donau ins Mittelmeer, das aus Schwenningen über Neckar und Rhein in die Nordsee. Die Unterschiede, die die Gebietsreform überwinden wollte, waren groß, möglicherweise zu groß.
Insgesamt aber hat es mit der Gebiets- und der Kreisreform, letztere in Baden-Württemberg im Jahr 1973 beschlossen, nicht so schlecht geklappt. Das Land hat heute neun Stadt- und 35 Landkreise, die kleinsten mit rund 10.000 Einwohnern, die größten mit über 500.000, verteilt auf vier Regierungspräsidien. Und man lebt damit nicht schlecht. Die Kreise sind selbstbewusst, den Kommunen im Land geht es finanziell gut.
Dennoch machte sich vor allem die SPD im Land noch vor wenigen Jahren für eine neue Reform stark. Acht etwa gleich starke Regionalkreise sollen Regierungsbezirke und Kreise ersetzen, hieß die Forderung, die heute aus dem Mund von SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel so klingt:
"Das Konzept des Regionalkreises haben wir von Hannover abgeguckt, die das etabliert haben; Stadt und Land zu einem gemeinsamen Gebilde gemacht, um die Bezüge zwischen Stadt und Umland besser planen und lösen zu können."
Vor der Landtagswahl waren die Regionalkreise bei der Oppositionspartei SPD ein großes Thema, danach wurde die Regierungspartei SPD mit ihrer Forderung ganz leise. Und nun zieht Schmiedel den Vorschlag sogar zurück. Wir haben es uns mit den Regionalkreisen wahrscheinlich zu einfach gemacht, sagt er jetzt.
"Deshalb liegt die Zukunft nicht in einem Versuch, gleich starke Regionalkreise gründen zu können, sondern dass man schaut, wie man in bestehenden Strukturen besser kooperiert."
Eine Erkenntnis, die zum einen zeigt, dass Gebietsreformen in Baden-Württemberg auch 42 Jahre nach der Kreisreform ein heißes Eisen sind. Und die zweitens vermutlich viel böses Blut verhindert hätte, wenn man sie schon bei der Zusammenlegung von Villingen und Schwenningen im Jahr 1972 berücksichtigt hätte.
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