"Vier Tage im Mai"

Von Hannelore Heider · 28.09.2011
Der Schauplatz ist ein Waisenhaus an der Ostsee, besetzt von einem sowjetischen Trupp. Am Strand lagert eine Wehrmachtseinheit- Und mittendrin ist der Waisenjunge Peter, der sich als Held beweisen will und die beiden Lager gegeneinander aufhetzt. Ein bewegendes Drama.
Auch wenn in den ersten Maitagen des Jahres 1945 der große Krieg ausgeblutet war, ist das ein Kriegsfilm und um so ungewöhnlicher die beiden Kooperationspartner Russland und Deutschland.

Eine Kriegsgeschichte, noch dazu eine wahre, die die Feinde in diesem Krieg gemeinsam erzählen, mit Helden von beiden Kriegsseiten, ist einmalig. Der russische Kino-und Theaterstar Aleksei Guskov war auf diese wahre Begebenheit gestoßen, die sich an der Ostsee nur Tage vor Ende des Krieges abspielte, und hatte sich als Koproduzent der Mithilfe deutscher Filmförderung und des deutschen Regisseurs Achim von Borries versichert.

Erzählt wird aus der Perspektive des 13-jährigen deutschen Waisenjungen Peter (Pavel Wenzel), der bei seiner Tante (Gertrud Roll) aufwächst. Die Baronin leitet ein Heim für verwaiste Mädchen, in das ein sowjetischer Spähtrupp einzieht. Abgeschnitten vom Kriegsgeschehen wollen die Soldaten einfach nur das Kriegsende abwarten und endlich nach Hause.

Als sich eine versprengte deutsche Einheit am Strand einfindet, bekommt der sowjetische Hauptmann (Aleksei Guskov) den Befehl, sie festzunehmen, doch die drückende Übermacht der Deutschen und fehlenden Waffen machen das unmöglich. Auch auf deutscher Seite will niemand mehr kämpfen, ein merkwürdiger Burgfrieden breitet sich aus und die Hoffnung, davon zu kommen aus diesem Krieg, der so viele Opfer gekostet hat.

In diesem trügerischen Frieden entfaltet sich die Ruhe einer geschundenen Landschaft, die Zeit steht still und Begegnungen werden möglich zwischen erschöpften Menschen. Der Reichtum des Filmes besteht im inneren Erleben dieser außergewöhnlichen historischen Situation, die nur der Knabe nicht akzeptieren kann. Er wehrt sich gegen die Aufmerksamkeit des russischen Hauptmanns, er ist eifersüchtig auf die Liebesgeschichte eines von ihm versteckten Mädchens (Angelina Häntsch) mit dem russischen Funker, er beschimpft die Deutschen als Feiglinge.

Doch nicht er wird Schuld an der finalen Eskalation, die auch diese intim erzählte Geschichte mit nur wenigen Kampf- oder Gewaltszenen in den Bereich der Utopie verweist. Letztlich ist es eine humane Befehlsverweigerung, die anrückende sowjetische Panzersoldaten auf ihre eigenen Leute schießen lässt, zu den Verteidigern gehören die Deutschen. Diese Tragödie wurde zum Anlass für die Entstehung eines Filmes, der seinem hohen Konfliktpotential einen menschlichen Maßstab gibt. Sehenswert!

BRD/Russland 2011. Regie: Achim von Borries. Darsteller: Pavel Wenzel, Aleksei Guskov, Grigorij Dobrygin, Angelina Häntsch, Gertrud Roll, Alexander Held. 98 Minuten, ab 12 Jahren.