Vier Kumpel in der Midlifecrisis

Vorgestellt von Hans-Ulrich Pönack · 18.04.2007
Vier vom Leben wie vom Beziehungsdasein gebeutelte Kumpel düsen in "Born to be wild" für ein Wochenende mit ihren Maschinen los, um ein "Easy Rider"-Abenteuer zu erleben. "Full Metal Village" porträtiert ein Dorf, in das Rocker zum alljährlichen Heavy-Metal-Festival einfallen. "Dunia" erzählt die emanzipatorische Geschichte einer jungen Ägypterin.
Born to be wild – Saumäßig unterwegs
USA 2007, Regie: Walt Becker, Hauptdarsteller: John Travolta, Tim
Allen, William H. Macy, ab sechs Jahren


Der Film stammt von Walt Becker, einem ausgebildeten Regisseur und Drehbuchautor. Zudem ist er auch als Produzent sowie als Schriftsteller tätig. (Sein erster Roman "Link" stand vier Wochen lang auf der Bestsellerliste der "Los Angeles Times".) Nach seinem Regiedebüt mit "Die Hochzeitsfalle" (2000, Komödie über sympathische Mittzwanziger) und der dämlichen Teenager-Komödie "Party Animals - Wilder geht´s nicht" (2002) kümmert er sich nun um in die Jahre gekommene männliche Mittelstandsbürger, präziser - um vier vom existenziellen Leben wie auch vom Beziehungsdasein ziemlich gebeutelte, geschlauchte Kumpel in der schönsten Midlife-Crisis.

Woody, Doug, Bobby und Dudley aus Cincinatti. Die passionierten Motorradfahrer sticht mittenmal "der Hafer des Lebens". Und so düsen sie für ein ausgedehntes Wochenende mit ihren Maschinen los, "Easy Abenteuer-Rider" im Sinn. Einfach, bloß mal weg von zu Hause. Als sie sich am Stadtrand auch ihrer Handys entledigen, ahnen wir bereits: Das kann nicht gut gehen. Geahnt, gewusst, erlebt, denn eine ziemlich ungehobelte Motorradrockerbande taucht auf, um den vier "Wild Hogs" mächtig den Garaus zu machen, kräftig einzuheizen. Motto: Zoten, Zoff und Zitate.

In dieser nett-urigen, spätpubertären Selbstfindungsarie werden eben mal "Easy Rider" (natürlich), der Klassiker "Deliverance - Beim Sterben ist Jeder der Erste" (von John Boorman, 1971, mit Burt Reynolds) sowie - mit besonderem Eifer - "Die sieben Samurai" (1953) bzw. "Die glorreichen Sieben" (1960) augenzwinkernd- klamottig zitiert. John Travolta (53), Tim Allen ("Santa Clause 1-3"), Martin Lawrence ("Big Mama´s Haus") und William H. Macy ("The Cooler", "Fargo") sowie Ray Liotta ("GoodFellas", "Hannibal") mal wieder als aggressiver Rüpel, Bösewicht verhelfen diesem parodistischen Road-Movie zu reichlich Star-Appeal. Mehr Selbstironie-Humor allerdings hätte ihnen wie überhaupt hier dem gesamten Stoff und der nicht annähernd ausgereizten Road-Movie-Biker-Show besser getan. So bleibt alles irgendwie im freundlich-seichten Unterhaltungsmittelmaß stecken.

"Full Metal Village"
Deutschland 2006, Regie: Sung-Hyung Cho, Dokumentarfilm

Der Film stammt von der seit 17 Jahren in Deutschland lebenden Südkoreanerin Sung-Hyung Cho, die mit ihrem Dokumentarfilm in diesem Jahr den Max-Ophüls-Preis gewonnen hat. (In der 28-jährigen Geschichte dieses renommierten Festivals war es das erste Mal, dass ein Dokumentarfilm mit dem 1. Preis bedacht wurde.)

Originelles Thema: Das Porträt der Gemeinde Wacken in Schleswig-Holstein, in der Nähe von Itzehoe. In dem 1800-Seelen-Dorf beobachtet sie, wie sich die bäuerliche Bevölkerung alljährlich zum dreitägigen Heavy-Metal-Open-Air-Fest vorbereitet. "Wacken Open Air" bzw. "W:O:A:" lockt jedes Jahr zehntausende Fans aus aller Welt an.

Seit 1990 gibt es das Fest, und seitdem herrscht hier, in dem sonst so beschaulichen Ort, für kurze Zeit der Ausnahmezustand. Dank ihrer scheinbaren Naivität, die sich den Blick der Fremden im positiven Sinne bewahrt hat, und ihrer ruhigen, unbefangenen Herangehensweise gelingen der 40-jährigen Filmemacherin - die an der UNI Marburg Kunstgeschichte, Medienwissenschaften und Philosophie studierte - wunderbare Beobachtungen und intensive Gespräche mit einigen Dorfbewohnern.

Denn diese gehen sehr aufgeschlossen und mit trocken-lakonischem Humor "auf die Fremden" zu und wissen "ebenso" über sich und ihr Dorfleben zu erzählen. Fazit: Diese "naive" Begegnung zweier völlig unterschiedlicher Kulturen unaufdringlich-"echt" wie kurzweilig-unterhaltsam vorzuführen, ist jedenfalls ebenso liebevoll-überzeugend wie spaßig-munter-geglückt: Selten gab es in einem Dokumentarfilm so viel zu schmunzeln, zu lachen. Ein Prima-"Heimat"film.

"Dunia"
Ägypten / Libanon / Frankreich 2005, Regie: Jocelyne Saab, Hauptdarsteller: Hanan Turk, Mohamed Mounir

Der Film von Jocelyne Saab ist eine Co-Produktion zwischen Ägypten, Libanon, Frankreich aus dem Jahr 2005 und der dritte Spielfilm der 1948 in Beirut (Libanon) geborenen Drehbuchautorin und Regisseurin, die seit ihrem 18. Lebensjahr zwischen der nahöstlichen und der westlichen Welt pendelt. Sie studierte Wirtschaftswissenschaften in Paris, arbeitete danach als Journalistin und Kriegsreporterin und hat seit den frühen 70er Jahren über 20 Dokumentationen in Ländern und Regionen wie Libanon, Ägypten, Iran, Kurdistan, der Sahara und Vietnam gedreht.

1981 war sie Regie-Assistentin bei Volker Schlöndorffs in Beirut entstandenen Film "Die Fälschung". Ihr erster, hierzulande unbekannt gebliebener Film entstand 1985 und heißt "Une vie suspendue". Anfang der 90er Jahre initiierte und leitete sie ein Projekt zum Wiederaufbau des libanesischen Filmarchivs in Beirut. 1994 drehte sie ihren zweiten Spielfilm "Il etait une fois...Beyrouth". 2005 schuf sie außerdem 26 Videoclips mit Stars aus der arabischen Musikszene.

Ihr dritter Spielfilm erzählt von einer modernen jungen Ägypterin, einem Kind der Großstadt. Die hat Sehnsüchte wie die meisten jungen Menschen auch. Und wie so viele andere Altersgenossinnen auch, stößt sie bei dem Bemühen um Verwirklichung immer wieder an sowohl gesellschaftliche wie familiäre Grenzen.

Dunia hat gerade ihr Literaturstudium abgeschlossen und möchte, wie ihre Mutter, Tänzerin werden. Doch ihr Bewerbungstanz erscheint der Aufnahmejury zu erotisch-"aufgeladen". Also hilft sie sich privat weiter. Neben ihrer Ausbildung bei einem bekannten Tanzlehrer arbeitet sie an der Dissertation über die Liebe in der arabischen Poesie. Als sie einen seelenverwandten Schriftsteller kennen und lieben lernt, der sie mit der sinnlichen Kraft der Sprache vertraut macht, bricht sie aus ihrer Ehe aus.

Was für Tokio, New York, Berlin im Grunde selbstverständlich ist, gilt für das heutige Leben in Kairo nicht. Im "richtigen" Leben ebenso wenig wie im "Kino-Leben". Der souveräne wie packende Film spricht Themen an, die nicht nur im arabischen Kino unerwünscht sind: Emanzipation, Selbstverwirklichung, sexuelle Selbstfindung, zugleich schreckt er auch vor dem Tabu der klitoralen Beschneidung nicht zurück.

Ein mutiges Drama, das in Ägypten zum Politikum wurde: Ministerpräsident Mubarak persönlich soll den Film - gegen die Zensur und trotz der heftigen Kontroversen beim Internationalen Filmfestival von Kairo - freigegeben haben.
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