Vier Jahre Pegida

Berichterstattung macht eine Bewegung zum Politikum

21.10.2018, Sachsen, Dresden: Teilnehmer der Demonstration "Herz statt Hetze" ziehen durch die Dresdner Innenstadt, um zum vierten Jahrestag der Pegida-Bewegung für Weltoffenheit einzutreten
Teilnehmer der Demonstration "Herz statt Hetze" ziehen durch die Dresdner Innenstadt, um zum vierten Jahrestag der Pegida-Bewegung für Weltoffenheit einzutreten. © picture alliance/Oliver Killig/dpa-Zentralbild/dpa
Mely Kiyak im Gespräch mit Marietta Schwarz · 21.10.2018
Pegida hat selten mehr als 20.000 Menschen auf die Straße gebracht. Zur #unteilbar-Demo kamen 250.000 und doch wurde die kleinere Manifestation zum Politikum, die größere nicht. Die Kolumnistin Mely Kiyak sieht darin ein Versäumnis der Medienschaffenden.
10.000 Menschen gingen am Sonntag in Dresden auf die Straße und demonstrierten für Weltoffenheit: "Herz statt Hetze" lautete das Motto. Anlass war der vierte Jahrestag der Pegida-Bewegung. Eine Bewegung, der es sehr schnell gelungen ist, eine Diskussion in unserer Gesellschaft zu manifestieren. Ganz im Gegenteil zur #unteilbar-Demonstration vom 13. Oktober, zu der eine Viertelmillion Menschen auf die Straße gingen.

Die Journalistin Mely Kiyak hat sich in ihren letzten Artikeln gefragt, warum diese Demonstration für Solidarität weder die Medien lange beschäftigt, noch gesellschaftlich Auswirkungen gezeigt hat. Sie erklärte im Deutschlandfunk Kultur, dass es an ihrer eigenen Zunft, den Medienschaffenden liege, dass die #unteilbar-Demo verpufft ist.

Lediglich berichtende Berichterstattung

Es sei ein "wirklicher Wahnsinn, dass 250.000 Menschen auf der Straße sind und sozusagen als politische Diskursmasse keinen Tag überleben." Bis Sonntagmittag sei "noch ein bisschen die Rede von dieser Demo" gewesen, dabei "war es aber immer eine berichtende Berichterstattung, es war nicht wie bei allen anderen Demonstrationen in diesem Land, denken wir beispielsweise an Pegida, dass man versucht hat, herauszufinden: Wer sind diese Leute? Wofür gehen sie auf die Straße? Und vor allem: Es gab keine parteipolitische Vereinnahmung."

Über Pegida gibt es vier Studien

Kiyak rief in Erinnerung, dass es in den vier Jahren, in denen es nun schon Pegida-Demonstrationen gibt, nur zwei mit mehr als 20.000 Teilnehmern gegeben habe, dennoch gebe es mittlerweile vier Studien über dieses Phänomen. Die TU Dresden habe sich gleich zu Beginn dieser Leute angenommen und gefragt, wer sie sind und was genau sie politisch wollen.
"Der Irrsinn war ja, dass bei Pegida niemand eine politische Botschaft hatte, sie hatten dezidiert immer gesagt, dass sie nicht parteipolitisch vereinnahmt werden wollen", so Kiyak weiter. Und doch seien sie sofort politisch vereinnahmt worden. "Und nun gehen 250.000 Menschen auf die Straße und es passiert nichts, die werden beiseite gelassen."

Aggressionspotenzial interessanter für Medien

Kiyak kann sich das nur so erklären, dass rechtsextreme Bewegungen "besser vernetzt, besser finanziert und gelenkt und dass natürlich auch ihr Aggressionspotenzial interessanter für die Medien" seien. Und dass "die anderen, die für etwas auf die Straße gehen, von der Politik vielleicht gering geschätzt werden, dass man denkt, das sind irgendwie so verfilzte, zottelige, geschlechtsumgewandelte, naive Gutmenschen, die tanzen und bunte Luftballons in die Luft halten wollen".
Anders sei für sie nicht erklärbar, warum politische Parteien sich dieser Bewegung nicht annähmen - vor allem wenn man bedenkt, dass die Grünen, die SPD und die Linke mitmarschiert sind.

Warum hat uns #unteilbar so schnell nicht mehr interessiert?

Die Journalistin fragte schließlich in einem Appel an ihre Kollegen: "Warum hat uns ab Sonntagmittag diese Bewegung nicht mehr interessiert?" Wenn länger darüber berichtet worden und das Thema länger Aufmacher in sämtlichen Medien gewesen wäre, "dann wären mindestens zehn politische Institute da hingegangen. Wenn man über Pegida nicht geschrieben hätte, wären das einfach 2.000 Menschen gewesen, die dort gefroren und 'Ausländer raus!' gebrüllt hätten. Aber erst durch Berichterstattung wird eine politische Bewegung zu einem Politikum."
Die Journalistin Mely Kiyak
Die Journalistin Mely Kiyak fragt sich, "warum uns die #unteilbar-Demonstration vom 13. Oktober so schnell nicht mehr interessiert hat".© dpa / Gregor Fischer
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