Vielleicht horchen ja alle nur

Von Eva Raisig · 17.07.2011
Die Frage, ob wir Erdlinge allein im All sind, hat die Menschen schon immer umgetrieben. Seit 50 Jahren wird streng wissenschaftliche Forschung auf diesem Gebiet betrieben. Und mancher Forscher ist überzeugt, dass wir jederzeit fremdes Leben entdecken könnten.
Die Vorstellungen von Leben außerhalb der Erde, von bewohnten Himmelskörpern und Zivilisationen in fernen Sternensystemen, reichen weit in die Geschichte der Menschheit zurück. Auch der Wissenschaftsjournalist und Weltraumexperte Harro Zimmer beschäftigt sich schon lange damit:

"Die Vorstellung ist ziemlich alt und bis heute sind ja noch viele davon überzeugt, dass außerirdisches Leben, dass außerirdische Intelligenzen durchaus weit verbreitet sein müssen, denn der Mensch fühlt sich, glaube ich, verlassen und verloren in der Vorstellung, nur allein im Universum zu sein."

Lange schon gibt es Ideen und Versuche, mit Außerirdischen in Kontakt zu treten. Im 19. Jahrhundert wurden Überlegungen angestellt, vermeintliche Mondbewohner durch den gigantischen Anbau von Weizen und Pinienwäldern in Form des "Satzes des Pythagoras" in den Weiten Sibiriens auf sich aufmerksam zu machen. Ein bewohnter Mond und bevölkerte Nachbarplaneten galten zu dieser Zeit beinah als selbstverständlich. Noch in den 20er-Jahren des 20. Jahrhunderts lauschten die Forscher nach Funksignalen intelligenter Lebewesen auf dem Mars.

Harro Zimmer: "Man könnte sich ja vorstellen, dass es Zivilisationen gibt, die auf sich aufmerksam machen wollen und gezielt gewissermaßen in den Weltraum Signale senden. Was die große Zahl der Forscher bisher immer gedacht hat, ist, dass man sich in lokalen Funk einhören kann, dass man Kommunikation zwischen zwei Planeten oder benachbarten Sonnensystemen auffangen kann. Aber es ist natürlich die Frage, ob es Signale gibt, die zielgerichtet auffordern: Hier sind wir, hört uns. Das ist die große Diskussion. Es kann ja durchaus sein, dass alle nur horchen und keiner sendet."
Nicht allein die Frage, ob es andere Zivilisationen geben könnte, bewegt die Menschen. Auch die Frage, welche Konsequenzen ein Kontakt mit Außerirdischen auf die Menschheit hätte, ist der zentrale Punkt berühmter Science-Fiction-Romane und großer Kinoproduktionen.

Aber auch soziologische Studien beschäftigen sich mit dem Fall eines Funkkontakts oder gar eines Aufeinandertreffens des Menschen mit Außerirdischen. Nicht nur der Astrophysiker Stephen Hawking warnt allerdings vor der aktiven Suche nach außerirdischen Intelligenzen. Versklavung oder Vernichtung, die in der menschlichen Geschichte immer wieder vorkamen, wenn eine technisch höher entwickelte Zivilisation auf eine andere stieß, könnten die Folge sein.

Doch ob Freund oder Feind – zuvor steht die Frage: Gibt es überhaupt außerirdische Zivilisationen? Die Dunkelheit, in der die Menschen in ihren Überlegungen tappen, formulierte ein Physiker, der für seine scharfen Überlegungen bekannt war, beim Mittagessen mit Kollegen:

"In einer Diskussion hat einmal Enrico Fermi gesagt, dass, wenn es nur eine einzige kommunikative Zivilisation gäbe in unserer Galaxis und die Zivilisation auch den Weltraum bereisen kann, das wäre die Voraussetzung, dann ist die Vorhersage, dass innerhalb von 30 oder 40 Millionen Jahren die gesamte Galaxis besiedelt sein müsste. Das ist es nicht offensichtlich oder es wird uns nicht mitgeteilt."

… sagt Klaus Strassmeier, Direktor des astrophysikalischen Instituts Potsdam. Diese Überlegung des italienschen Physikers ging in die Annalen der Wissenschaft als Fermi-Paradoxon ein:

"Das Paradoxon in anderen Worten heißt: Warum hat nicht jeder Stern, der einen Planeten hat, auch intelligentes Leben drauf?"
Es gibt zahlreiche Argumente, die zur Lösung dieses Paradoxons vorgetragen wurden. Vielleicht legen andere Zivilisationen keinen Wert auf Kontakt mit uns. Vielleicht gibt es Zivilisationen in unserer Nähe, die auf dem technologischen Stand der Erde vor 150 Jahren sind und noch keine Funktechnik entwickelt haben. Vielleicht können sie nicht ins All reisen. Vielleicht sind wir tatsächlich allein.

In den Anfängen der wissenschaftlichen Suche nach extraterrestrischen Intelligenzen stellte zu Beginn der 60er-Jahre der junge amerikanische Astrophysiker Frank Drake eine Gleichung auf, die Geschichte schreiben sollte: Die Drakegleichung.

Klaus Strassmeier: "Die Drakegleichung ist eine ebenso simple wie verblüffende Feststellung. Sie versucht abzuschätzen, wie viele kommunikative Zivilisationen es in unserer Galaxis gibt. Und muss daher die Frage beantworten: Wie viele Sterne gibt es bei uns in der Galaxis, als Funktion der Zeit. Wie viele Planeten um diese Sterne gibt es. Wie viele dieser Planeten sind erdähnlich. Wie viele dieser Planeten überhaupt die Zeit hatten und in einer habitablen Zone liegen, so dass sich Organismen, erst Einzeller, dann Mehrzeller, dann intelligentes Leben entwickeln konnte."

Das sind Fragen, die man naturwissenschaftlich beantworten könnte. Aber, es gibt auch andere Faktoren in der Drakegleichung, sagt Harro Zimmer:

"Es gibt eine ganze Reihe von Fragen soziologischer Natur, über die Lebensdauer von Zivilisationen, über die Selbstzerstörung, die Zivilisationen möglicherweise beeinträchtigen könnte, über Zivilisationen, die technische Kommunikation entwickeln – das sind also Faktoren, die sehr schwer abzuschätzen sind."

Klaus Strassmeier: "Wenn ein Term davon Null ist, dann ist die Drakegleichung, also die Anzahl der kommunikativen Zivilisationen in der Galaxis Null. Wir haben deswegen die Drakegleichung nicht Null, weil es uns gibt."

Frank Drake ist der Pionier schlechthin bei der Suche nach fremden Zivilisationen. Als einer der ersten richtete er in den 60er-Jahren Teleskope ins All, um auf Signale außerirdischen Lebens zu horchen. Auch nach gut 50 Jahren intensiver wissenschaftlicher Forschung konnte bisher jedoch kein künstliches Signal entdeckt oder bestätigt werden. Aber was sind schon 50 Jahre in kosmischen Maßstäben? Für Frank Drake ist es auch eine Frage des Glücks:
"Intelligentes Leben könnte jederzeit angetroffen werden. Man muss Glück haben, mit einem großen Radioteleskop der richtigen Frequenz an die richtige Stelle im Himmel blicken. Wir könnten schon heute Erfolg haben."

SETI: Die Suche nach extraterrestrischer Intelligenz. Mit Radioteleskopen lauschen die Forscher nach elektronischen Signalen aus dem Weltall. In dem Projekt Seti@home kann sich auch jeder Computerbesitzer daran beteiligen, die riesigen Datenmengen zu verarbeiten. Das machen heute bis zu drei Millionen Computernutzer. Einer von ihnen ist der Wissenschaftsjournalist Harro Zimmer:

"Radioastronomische Signale werden einfach in Pakete aufgeteilt, auf die weltweiten Computer geschickt, mit einem Programm analysiert, ob da etwas Künstliches bei zu entdecken ist, das ist das Eine. Heute sucht man auch nach kurzzeitigen Radiopulsen, die auch die Radioastronomen interessieren können. Das ist also dieser eine Weg. Der zweite, der seit etwa gut 15 Jahren in der Diskussion ist, ist können möglicherweise außerirdische Intelligenzen nicht Radiokommunikation betreiben, sondern sich durch kurzzeitige starke Lichtimpulse, Laserimpulse bemerkbar machen und so hat also eine optische Suche eingesetzt, die den Himmel nach Lichtblitzen absucht."

Auch die Suche nach Planeten in anderen Sonnensystemen, vor allem nach erdähnlichen Planeten wird weltweit von vielen Forschergruppen betrieben. Um den gigantischen Suchbereich einzuschränken, wird in sogenannten habitablen Zonen gesucht, also in einer Entfernung des Sterns, in der beispielsweise Wasser in flüssiger Form vorkommen kann. Wasser wird bei der Suche nach Leben meist immer noch als Grundvoraussetzung angesehen. Doch eine Garantie auf Erfolg, so der Astrophysiker Klaus Strassmeier, liefert auch diese Suche nicht:

"Die Erde ist momentan nur mehr knapp in dieser habitablen Zone. Der Mars ist ebenfalls drinnen, hat aber kein Leben. Also es ist ein nicht unbedingt notwendiges Kriterium, sondern ein hinreichendes."

Und kein Lebensraum heißt: kein Leben. Doch schon eine einzige Entdeckung könnte alle Denkmodelle umstürzen. Deshalb war es eine kleine kosmische Sensation, als kürzlich ein erster erdähnlicher Planet mit ähnlicher Masse und Größe in einer lebensfreundlichen Zone gefunden wurde:

"Und wenn denn die Entdeckung stimmt, dann würde das bedeuten, wenn in unserem Hinterhof der Sonne sogar ein erdähnlicher Planet wäre, dann würde das extrapoliert auf unsere Galaxis, also auf unsere Milchstraße bedeuten, dass wir praktisch schwimmen in solchen erdähnlichen Planeten. Schwimmen hieße: 30 Prozent aller sonnenähnlichen Sterne hätte einen erdähnlichen Planeten. Das ist eine gigantisch hohe Zahl."

Doch sollte sich Leben wirklich auf erdähnliche Planeten beschränken lassen? Wären nicht völlig andere Lebensweisen denkbar? Philosophen wie Immanuel Kant beschäftigten sich intensiv mit dieser ewigen Frage:

"Es ist merkwürdig, dass wir uns für ein vernünftiges Wesen keine andere schickliche Gestalt, als die eines Menschen denken können. So bevölkern wir alle andere Weltkörper in unserer Einbildungskraft mit lauter Menschengestalten, obzwar es wahrscheinlich ist, dass sie nach Verschiedenheit des Bodens, der sie trägt und ernährt, und der Elemente, daraus sie bestehen, sehr verschieden gestaltet sein mögen.""

Werden wir Leben auf anderen Planeten finden? Gibt es "da draußen" intelligente Wesen? Wenn ja, wie leben sie? Oder waren sie gar schon zu Besuch auf der Erde und ließen uns einfach links liegen, warum auch immer? Was treibt sie ... und uns?

Harro Zimmer: "Die Triebfeder ist natürlich die menschliche Neugier. Und es ist auch das Bedürfnis zu wissen, dass man möglicherweise nicht allein im Kosmos ist und das, was dort oben in so zahlreicher Größenordnung vorhanden ist, Sterne und Planeten in dem Sinne tote Himmelskörper sind, tote, die zwar physikalisch äußerst lebendig sind, aber kein intelligentes Leben beinhalten."

Klaus Strassmeier: "Wenn es formal Orte im Universum gibt, wo sich Leben entwickeln könnte, dann wird es sich entwickeln. Vielleicht ist das Meer, das Wasser des Meeres dann das Lebewesen. Eine Symbiose eines organischen Körpers mit dem Planeten. Es ist gar nicht von der Hand zu weisen. Das Gegenteil ist zu beweisen: Warum es den Menschen gibt."

Harro Zimmer: "Ich glaube, so lange der Mensch denken kann, wird er sich fragen: Sind wir allein im All?"
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