Vielleicht hilft schon der nächste Drink

07.08.2013
Saufen und Raufen, Stierkampf und Techtelmechtel, das Vergessen im Rausch nach traumatischen Kriegserlebnissen - das ist Ernest Hemingways Roman "The Sun Also Rises" von 1926. Eine neue Übersetzung zeigt die deutsche "Fiesta" entschlackt und gegenwärtig.
Das Motto, das Hemingway seinem 1926 erschienen Roman "The Sun Also Rises" voranstellte, übernahm er von Gertrude Stein, in deren Pariser Salon er damals verkehrte: "Ihr alle seid eine verlorene Generation." Dieser Satz prägte den Begriff der "Lost Generation" nach dem Ersten Weltkrieg, so wie Hemingway sie erlebte und in "Fiesta" beschrieb. Und doch ist es erstaunlich, wie modern sich die Neuübersetzung von Werner Schmitz liest.

Der erste Teil des Romans beschreibt eine Gruppe junger Amerikaner in Paris, die ihre Zeit vor allem in Cafés und Nachtclubs verbringen, sehr viel Alkohol trinken, und um die schöne, lebensgierige Lady Brett Ashley kreisen wie die Nachtfalter ums Licht. Brett, die sich nach Liebe sehnt, sich aber nicht binden kann und die Männer reihenweise unglücklich macht, steht im Zentrum des Geschehens. Auch der Ich-Erzähler Jacob Barnes, genannt Jake, ein junger Journalist, der durch eine Kriegsverletzung impotent geworden ist, liebt sie, obwohl er um die Vergeblichkeit seiner Gefühle weiß.

Die Suche nach Vergessen im Rausch, nach kurzem ekstatischem Glück, das Leben im Augenblick ohne Ziel und Perspektive - all das unterscheidet sich nur wenig von unserer auf "Spaß" orientierten Gegenwart, auch wenn heute der traumatische Hintergrund der Kriegserlebnisse fehlt.

Barnes ist in seiner sich in die Beobachterrolle rettenden Zurückhaltung ein typischer Hemingway-Held, der mit einigen autobiografischen Zügen ausgestattet ist. Weniger kontrolliert handelt der aus reichem, jüdischem Elternhaus stammende Schriftsteller Robert Cohn, der mit seinem zweiten Roman nicht recht vorankommt und Brett nach einem kurzen, von ihr wohl eher aus Mitleid betriebenen Techtelmechtel hilflos verfällt.


Der US-Autor Ernest Hemingway auf einem undatierten Foto
Ernest Hemingway auf einem undatierten Foto© AP
Hauptsatz an Hauptsatz gereiht
Im zweiten Teil, der von einer gemeinsamen Reise nach Pamplona zu den Stierkämpfen berichtet, kommt es deshalb zum Eklat. Robert erträgt es nicht, dass Brett, die von ihrem zukünftigen Ehemann, einem trunksüchtigen Antisemiten, begleitet wird, auch noch ein Verhältnis mit dem jungen, schönen Stierkämpfer Pedro Romero beginnt.

Bei Hemingways aufs äußerste verknapptem Stil, der Hauptsatz an Hauptsatz reiht und vor allem aus Dialogen besteht, zeigt sich auch die Qualität der Übersetzung in der Kunst der Reduktion. Schmitz geht da eindeutig weiter als Annemarie Horschitz-Horst, die von Hemingway einst als einzige Übersetzerin ins Deutsche autorisiert wurde. Manche bei ihr recht hölzerne Passage ist nun entschlackt.

Wenn bei ihr der nächste Drink mit den Worten "Vielleicht tut dir gerade dieser Not" angepriesen wird, dann heißt es bei Schmitz schlichter: "Vielleicht hilft schon der nächste". Und wenn Brett am Ende des Romans zu Jake sagt: "Wir hätten so glücklich zusammen sein können", macht Schmitz daraus das doch mehr nach Hemingway klingende "Wir hätten eine verdammt gute Zeit haben können." Das sind mehr als nur Unterschiede im Detail, auch wenn es sich bloß um sprachliche Nuancen handelt. Vielleicht hat es auch damit zu tun, dass uns "Fiesta" auf einmal so ungemein gegenwärtig begegnet.

Besprochen von Jörg Magenau

Ernest Hemingway: Fiesta. Roman
Aus dem Englischen von Werner Schmitz
Rowohlt Verlag, Reinbek 2013
318 Seiten, 19,95 Euro
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