Vielfalt der Kunst aus Afrika präsentieren

N'Goné Fall im Gespräch mit Susanne Burkhardt · 01.02.2013
In Berlin findet ein Symposium statt, das die künstlerischen Verflechtungen zwischen Afrika und Europa untersucht. Die Senegalesin N'Goné Fall hat große Schauen zeitgenössischer afrikanischer Kunst kuratiert und viel für den Kunsttransfer zwischen den Kontinenten getan.
Susanne Führer: Die Senegalesin N'Goné Fall hat große Ausstellungen in Afrika und in Europa kuratiert. Sie hat die Biennale von Dakar geleitet. Sie ist außerdem Mitherausgeberin einer Anthologie für afrikanische Kunst und sie war im Kuratorenkommitee der Ausstellung "The Global Contemporary – Kunstwelten nach 1989" in Karlsruhe. Diese Ausstellung ist ab heute in der Akademie der Künste in Berlin unter dem Titel "Nothing to declare" zu sehen. Meine Kollegin Susanne Burkhardt hat N'Goné Fall in Johannesburg getroffen und sie zunächst gefragt wie sie, die studierte Architektin ist, eigentlich zur Kunst kam.

N'Goné Fall: Mich interessierte die Beziehung zwischen afrikanischer Kultur und dem Rest der Welt. Damals, in den späten Achtzigern, feierte die UNESCO gerade 500 Jahre Entdeckung Amerikas, und ich beschloss, als Abschlussarbeit meines Architekturstudiums ein Projekt zu machen, das eine Art Denkmal für den atlantischen Sklavenhandel sein sollte. Ich war eine Architekturstudentin, also erwartete man von mir eigentlich ein Gebäude. Aber meine Arbeit handelte vor allem von den Beziehungen zwischen Afrika, Europa und Amerika. Ich bekam zwei Preise für dieses Projekt. Daraufhin kamen zwei französische Architekten auf mich zu. Sie hatten das erste zeitgenössische afrikanische Kunstmagazin auf den Markt gebracht und boten mir an, in ihrem Team mitzuarbeiten. Das war in den Neunzigern. Es gab kein Internet, keine Handys, kein Kabel-TV – die einzige Möglichkeit, Neues zu entdecken, war, zu reisen. Und ich wurde jetzt sogar dafür bezahlt. Also dachte ich: Okay, ich bin jung, das ist eine fantastische Möglichkeit: Hier haben wir das erste zeitgenössische afrikanische Kunstmagazin, und ich habe die Chance, von Anfang an dabei zu sein. Und so zog ich los und setzte nebenbei auch meine eigenen Recherchen fort zu den Beziehungen zwischen afrikanischen Kulturen und dem Rest der Welt.

Susanne Burkhardt: In den 90er-Jahren gab es in den afrikanischen Ländern gab es überhaupt noch keine entwickelte Kunstszene im Sinne von Art Managern, Kuratoren, auch Autoren, es war alles relativ wenig ausgeprägt außer vielleicht in Südafrika. War es für Sie ein schwieriger Weg, dann auf diesem Kunstmarkt sich etablieren zu können?

Fall: Nein. Ich hatte sehr viel Glück, und ich habe es vielleicht heute noch, weil die beiden französischen weißen Architekten an mich glaubten, weil sie meine Ideen mochten und auch die Art, wie ich die Dinge sehe. Das war ein sehr persönlicher Zugang, der nichts zu tun hatte mit Hautfarbe, Geschlecht, Herkunft. Kunstkurator zu werden war natürlich ein ganz neuer Beruf, den ich von Grund auf lernen musste. Zu dieser Zeit kannte ich die ganzen Mechanismen noch nicht. Aber als ich dann reiste, bemerkte ich, dass es wenig Frauen im afrikanischen Kunstbereich gibt, also kaum Kunsthistorikerinnen, Museumsdirektorinnen, und für die wenigen, die es gab, war es sehr schwierig, weil dieser ganze Bereich sehr männlich dominiert ist. Ich war die einzige Kunstkuratorin. Aber ich hatte damit auch eine privilegierte Rolle.

Burkhardt: Inzwischen haben Sie Ausstellungen in den USA, in Europa, aber eben auch in Afrika kuratiert. Gibt es Unterschiede auf den verschiedenen Kunstmärkten?

Fall: In den Neunzigern gab es diese große Debatte, dass es keine zeitgenössische Kunst in Afrika gäbe, und alle Projekte, die ich damals machte, hatten das Ziel, zu zeigen, was wirklich auf diesem Kontinent stattfindet. Wir haben das dann präsentiert auf der Dak'Art Biennale oder in Kinshasa oder in Sambia, denn keiner wusste so richtig, was in den verschiedenen Gegenden stattfand. Es gab damals ja kaum Internet, ganz selten mal eine Website, und die wenigen Kuratoren, die es gab, die wollten Inhalte zeigen, weitergehen, weiter als die Pariser Ausstellung "Magiciens de la terre", die 1989 alle so begeistert hatte. Damals wurde erstmals zeitgenössische afrikanische Kunst im großen Stil gezeigt. Für uns war das so was wie ein Startpunkt. In den Neunzigern passierte so viel. Die meisten Ausstellungen, die ich kuratiert habe, wurden zuerst in Frankreich gezeigt und reisten dann, waren also Reiseausstellungen. Manche begannen in Afrika, reisten dann durch Europa – man brachte also ein sehr breites Publikum mit ganz unterschiedlichen Themen und der Arbeit von afrikanischen Künstlern zusammen.

Burkhardt: William Kentridge, der südafrikanische Künstler und Theatermacher, sagte mal, wenn über Kunst gesprochen wird, dann ist meistens im Zusammenhang mit Markt und Geld davon die Rede. Erleben Sie das genauso?

Fall: Als Kuratorin ist es das komplette Gegenteil. Manchmal bin ich ganz beschämt, wenn mich jemand nach dem Preis eines Künstlers fragt, dann sage ich: Ich habe keine Ahnung! Ich frage keinen Künstler, was er für sein Werk haben will. Mich interessieren die Themen und die Recherchen der Künstler. Ich mache keine Ausstellungen, damit sie sich verkaufen. Ich arbeite nicht mit kommerziellen Galerien zusammen. Den Marktaspekt betrachte ich sehr distanziert. Ich gehe fast nie zu Kunstmessen, weil ich sie ziemlich deprimierend finde. Es ist so offensichtlich, dass es hier vor allem ums Verkaufen geht. Selbst die Künstler, die ich entdeckt habe, werden hier vor allem verkaufsfördernd präsentiert. Als Kuratoren arbeiten wir da ganz anders. Natürlich kann ich die Künstler verstehen, ihr gespanntes Verhältnis zum Kunstmarkt, denn am Ende des Tages müssen sie schließlich ihre Arbeiten verkaufen. Wir Kuratoren sind da privilegierter. Uns ist der Markt egal. Das ist also eine ganz andere Welt. Wir konzentrieren uns auf die Themen und die gesellschaftliche Dynamik, aber nicht auf den Preis. Vielleicht sind wir deshalb so arm, weil wir nicht auf den monetären Wert von Arbeiten achten, sondern vielmehr auf ihren intellektuellen, theoretischen und ästhetischen Wert. Das ist es, was uns Kuratoren interessiert.

Burkhardt: Das heißt, Sie sind so was wie eine Art Pionier für Themen, für bestimmte Künstler, um die zu entdecken und eben auch einer Öffentlichkeit zu präsentieren?

Fall: Ja, in den Neunzigern, als es noch weniger Kunsthändler gab, die nach Afrika gingen, um Kunst zu kaufen und zu verkaufen, in Galerien, in Auktionshäusern und auf Kunstmessen. Rückblickend kann man sagen: Wir waren die Ersten, die das von Europa aus in Afrika gemacht haben. Ich erinnere mich, als wir nach afrikanischen Kuratoren suchten, abgesehen von Südafrika, wo es bereits ein funktionierendes Kunstsystem gab, da fanden wir niemanden. Das hat sich längst geändert. So gesehen waren wir wirklich Pioniere. Denken Sie nur an Bisi Silva oder Okwui Enwezor, der ein paar Jahre später in New York startete. Die meisten von uns arbeiteten von Europa aus.

Burkhardt: Viele afrikanische Künstler leben in der Diaspora, leben gar nicht in ihren Heimatländern. Hat das den Blick auf afrikanische Kunst verändert?

Fall: Das merkt man natürlich den Arbeiten an, weil der Kontext, in dem man lebt, einen Einfluss hat auf die Themen und das, was einen beschäftigt. Denn zuerst geht es um dich selbst als Individuum, und wie du mit einer Gesellschaft, mit einem Land verbunden bist, also ein ganz persönlicher Dialog, der auch eine Gesellschaftskritik sein kann, je nachdem, wo du lebst. Wenn Museen oder Kuratoren an afrikanische Künstler denken, dann denken sie zunächst an jene, die im Westen leben. Keiner macht sich die Mühe, in die verschiedenen afrikanischen Länder zu reisen. Ich sage immer wieder: Denkt daran, die Mehrheit der afrikanischen Künstler lebt in Afrika! Natürlich ist es gut, auch hier in der Diaspora Künstler zu haben. Aber du musst doch weiter schauen, denn die meisten Emigranten befassen sich mit Themen wie Migration, Exil, Rassismus und Identität. Aber gehst du nach Afrika, findest du ganz andere Themen, da geht es dann um afrikanische Kontexte oder um afrikanische Geschichte. Es verändert sich also die Sichtweise darauf, was afrikanische Kunstproduktion sein kann. Kuratoren sind da viel zu faul. Sie sollten vielmehr direkt nach Afrika schauen, wo die Mehrheit der Kunstschaffenden lebt.

Burkhardt: Was ist die größte Herausforderung für Sie in diesen Tagen im Bereich des Kuratierens von Kunst?

Fall: Die größte Herausforderung für mich ist derzeit, die Dak'Art Kunstbiennale zu stärken. Das ist mein größter Wunsch als Kuratorin, aber auch als Senegalesin, weil Dakar meine Stadt ist. Die zweite Herausforderung wäre es, in den französisch sprechenden afrikanischen Ländern Leute für den Kunstmarkt professionell auszubilden, denn die meisten afrikanischen Kuratoren kommen aus englischsprachigen afrikanischen Ländern, und ich habe das Gefühl, das französischsprachige Afrika schläft noch.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

Link zum Thema:

Akademie der Künste Berlin: "Nothing to declare? - Weltkarten der Kunst nach 89"

Symposium:"Kosmopolitismus neu denken / Afrika in Europa / Europa in Afrika"