Viele Rohstoffe, arme Menschen

Von Ruth Kirchner · 15.11.2011
Die Mongolei gehört zu den zehn rohstoffreichsten Ländern der Erde. Außerdem hat sich der frühere sowjetische Satellitenstaat zu einer funktionsfähigen Demokratie entwickelt. Doch der wirtschaftliche Aufschwung kommt bei vielen Einwohnern nicht an.
Wenn ausländische Investoren das Wort Mongolei hören, dann bekommen sie leuchtende Augen. Schier unerschöpflich scheinen die Rohstoff-Reserven des dünn besiedelten Landes zwischen China und Russland.

Die Mongolei ist die spannendste Boom-Story in Asien, sagt Christopher Wood, Investmentberater bei CLSA in Hongkong. Aber es ist nichts für Angsthasen.

Kohle, Kupfer, Gold, Seltene Erden - die Mongolei hat alles. Unter Investoren herrscht daher Goldgräberstimmung. Die Wirtschaft des Landes ist in der ersten Hälfte dieses Jahres um rund 14 Prozent gewachsen. Doch der Abbau der Rohstoffe hat gerade erst begonnen. Und der wirtschaftliche Aufschwung hat bislang nur eine kleine Elite erreicht, die sich neue Autos, Jeeps und Häuser leisten kann. Ein Drittel der Menschen ist weiterhin bitterarm, sagt Jürgen Wellner, der für die Entwicklungshilfe-Organisation World Vision in Ulan Bator arbeitet:

"Dem Land winkt eine glorreiche Zukunft, dem Drittel der Bevölkerung nicht unbedingt. Die Wachstumszahlen sind enorm, ob das auch unten ankommt, ist eine Frage, die man eher skeptisch sehen sollte. In den letzten zehn Jahren ist das mongolische Bruttosozialprodukt auch sehr schnell angewachsen, aber die Armut bleibt immer dieselbe."

Die Armut ist in Ulan Bator vor allem in den Vororten zu sehen. Außerhalb des Zentrums mit seinen Plattenbauten aus sozialistischen Zeiten gruppieren sich Elendsviertel, in denen die Menschen in Jurten wohnen und von Gelegenheitsjobs leben. Die Hälfte der 2,8 Millionen Mongolen lebt heute in Ulan Bator. Viele sind ehemalige Nomaden, die in die Stadt gezogen sind, weil die Viehhaltung ihnen kein Auskommen mehr sichert - und weil sie den Anschluss an die Moderne suchen. Doch Arbeitsplätze sind Mangelware, sagt Johannes Rey von der Konrad-Adenauer-Stiftung:

"Die Armut kommt daher, dass in den letzten 20 Jahren keine Industrie aufgebaut werden konnte, und dass dieses Land im Grunde genommen nur von den Rohstoff-Erlösen lebt. Das heißt, es gibt momentan immer noch kein produzierendes Gewerbe, es gibt keine Sekundärindustrie. Diese Entwicklung muss parallel laufen, einerseits Rohstoffhandel, aber auf der anderen Seite muss versucht werden, dass man die Rohstoffe nicht nur exportiert, sondern auch selbst im Land verarbeitet."

Die Regierung hat ehrgeizige Pläne, was die Entwicklung einer eigenen Industrie angeht. Doch dafür muss zunächst die Infrastruktur verbessert werden. Derzeit sind 90 Prozent der Straßen nicht geteert, das Eisenbahnnetz ist für das große Land völlig unzureichend. All das soll sich in den nächsten Jahren ändern und die Mongolei hofft, sich dabei auch von den mächtigen Nachbarn, Russland und China, ein wenig abnabeln zu können. Hofft auf Wirtschaftskontakte mit den USA, Europa, Japan und Südkorea.

Doch der Weg von einem isolierten Land der Nomaden zu einer modernen Rohstoff-Nation ist noch weit. Und wie der Reichtum des Landes unter den Menschen verteilt werden soll, das ist eine politische Frage, die noch lange nicht gelöst ist.