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Staatengemeinschaft
Versichern gegen den Klimawandel

Naturkatastrophen mit Bezug zum Klimawandel kommen immer häufiger vor. In reichen Ländern gibt es die Möglichkeit, sich gegen Sturmschäden oder Ernteausfälle abzusichern. In Afrika oder in der Karibik ist das selten der Fall. Eine Initiative versucht, mit Regierungen und Privatwirtschaft auch Kleinbauern in armen Ländern eine Absicherung im Katastrophenfall zu ermöglichen.

Von Georg Ehring | 11.11.2016
    Ein Mann steht nach den Hurrikan "Matthew" in den Trümmern seines Hauses in Jeremie, im Westen Haitis.
    Ein Mann steht nach dem Hurrikan "Matthew" in den Trümmern seines Hauses in Jeremie, im Westen Haitis. (afp/Retamal)
    Mal sind es sintflutartige Regenfälle, dann wieder Dürren, die die Existenz tausender Kleinbauern vernichten und arme Länder um Jahre zurückwerfen – Naturkatastrophen mit Bezug zum Klimawandel sind in den vergangenen Jahren häufiger geworden. In reichen Ländern sind die meisten Hausbesitzer gegen Sturmschäden versichert, auch gegen Ernteausfälle ist eine Absicherung möglich. Kleinbauern in Afrika oder in der Karibik haben diese Möglichkeit bisher nur selten. Sie müssen deshalb im Katastrophenfall Dinge tun, die ihre Lage auf Dauer noch weiter verschlechtern, sagt. Michael Zissener Koordinator der Munich Climate Insurance Initiative.
    Dazu gehört, "dass sie ihre Kinder zum Beispiel aus der Schule nehmen, dass sie ihre Werkzeuge verkaufen müssen, die sie eigentlich für ihren täglichen Beruf brauchen also zum Beispiel ihren Traktor verkaufen müssen, den sie normalerweise für die Feldarbeit brauchen, dass sie ihre Gesundheitsversorgung aussetzen müssen, weil sie eben für die Verluste aus ihren eigenen Ersparnissen aufkommen müssen."
    Grundlegender Versicherungsschutz für Millionen Menschen
    Die vom Rückversicherer Munich Re gegründete Initiative bemüht sich zusammen mit Regierungen und Privatwirtschaft darum, auch Kleinbauern in armen Ländern im Katastrophenfall abzusichern. Rund 400 Millionen Menschen sollen in den nächsten Jahren grundlegenden Versicherungsschutz bekommen. Versicherungsnehmer sind meist Einzelstaaten, die im Fall einer Naturkatastrophe dann nicht mehr auf Spenden angewiesen sind, sondern Anspruch auf eine Leistung haben. Zum Teil sollen die Menschen sich aber auch direkt absichern können. In einigen Staaten Afrikas, im Pazifikraum und in der Karibik gibt es bereits solche Modelle, unter anderem mit Unterstützung aus Deutschland. Haiti und mehrere kleinere Inselstaaten bekamen nach dem Wirbelsturm "Matthew" Anfang Oktober 30 Millionen Dollar durch die Caribbian catastrophe risk insurance facility ausgezahlt – angesichts der Schäden eine geringe Summe, aber eine Summe, auf die die Länder einen Anspruch haben. Auch Privatpersonen können sich auf diese Weise absichern, doch das tun nur wenige, sagt Ulric Trotz, stellvertretender Direktor des Caribbean Community Climate Change Center.
    "In der Karibik ist die Versicherung gegen Klimarisiken derzeit nicht sehr verbreitet, einfach deshalb, weil sie nicht bezahlbar ist."
    Das Grundkapital kommt aus den Industrieländern, die Prämienzahlungen müssen die versicherten Staaten und Personen selbst aufbringen.
    Thema beim Klimagipfel
    Martin Frick, bei der Welternährungsorganisation FAO für Umwelt und Klima zuständig, verweist darauf, dass die Finanzierung gerade in besonders armen Ländern "nicht allein auf den Prämien der Versicherten beruhen kann, sondern dass das auch ein Teil internationaler Transferzahlungen sein muss, denn sonst geht die Rechnung nicht auf."
    Rechtsansprüche an Industrieländer für den Ersatz von klimabedingten Schäden sind ein umstrittenes Thema beim Klimagipfel in Marrakesch. Im Grundsatz hat die Staatengemeinschaft solche Ansprüche bereits anerkannt. Doch nicht jeder klimabedingte Schaden kann zum Versicherungsfall werden, sagt Thomas Foster, Chef der Munich Re Foundation.
    "Versicherung ist tatsächlich für den Schockfall alle zehn, alle 20 oder für den Riesenhurrikan alle 50 Jahre konstruiert, nicht für das jährlich widerkehrende Risiko."
    Wenn eine Region durch den Klimawandel langsam austrocknet oder immer wieder von Überschwemmungen betroffen ist, dann wäre selbst die kapitalkräftigste Versicherung überfordert.