VfB Friedrichshain in Berlin

Ohne Ehrenamtliche kein Verein

Ein Platzwart geht in der Benteler Arena in Paderborn mit Forke und Ball über den Rasen.
Ein Platzwart geht mit Forke und Ball über den Rasen. © picture-alliance / dpa / Friso Gentsch
Von Frank Ulbricht · 14.06.2015
Vereinsvorsitzender, Kassenwart oder Jugendleiter: Die Funktionäre im Sportverein um die Ecke haben mit ihren machtbesessenen Kollegen im Weltfußball wenig gemeinsam. Ohne die mehr als acht Millionen Ehrenamtlichen ginge hierzulande nichts – auch nicht beim VfB Friedrichshain in Berlin.
"So, ihr habt jetzt gleich ein Spiel. Da wird heute noch einmal Fußball gespielt, ihr wollt doch Zweiter werden?! Also, dann gebt euch Mühe, das will ich auch sehen. Ich will sehen, dass ihr auch Zweiter werden wollt. Und dann schafft ihr das auch, verstanden?"
Trainer, Manager, Arzt und Pädagoge in Personalunion
Vor ihrem Spitzenspiel gegen Lichtenberg 47 schwört Trainer Maik Mann seine Jungs vom VfB Friedrichshain noch einmal ein. Die Zehnjährigen wollen endlich spielen, den zweiten Tabellenplatz behaupten. Nur die Eltern sind wie immer nervös.
Maik Mann ist heute wieder Trainer, Manager, Arzt und vor allem auch Pädagoge. Er kümmert sich um die Trikots, tröstet wenn das Knie blutet, schlichtet bei Streitereien und ärgert sich über vergebene Chancen:
"Ach nicht murmeln."
Der 40-jährige ist seit 2009 ehrenamtlicher Trainer und weil sich kein anderer gefunden hat, auch gleich noch Jugendleiter und stellvertretender Vorsitzender. Das Training, die Spiele am Wochenende, dazu die Gespräche mit Eltern und der Verwaltungskram, pro Woche kommen da schnell 20 Stunden zusammen. Arbeit, für die Maik Mann lediglich eine Aufwandsentschädigung von 75 Euro im Monat erhält. Warum macht er das alles?
"Also gerade das hier auf dem Platz, das Training und auch die Spiele, das ist das, was ganz großen Spaß macht. Meine Liebste macht ja auch mit, sonst würde es auch nicht gehen. Wenn die nicht mitziehen würde und mitmachen würde auch, dann könnte ich es nicht machen. Ansonsten habe ich eine 30-Stundenwoche. Ich bin mittlerweile 40 Jahre alt, da arbeite ich nur 30 Stunden die Woche."
Trainer Maik Mann mit seinem Team vom VfB Friedrichshain
Trainer Maik Mann mit seinem Team vom VfB Friedrichshain© Frank Ulbricht
500 Mitglieder und kein einziger Angestellter
Der VfB Friedrichshain mit seinen 500 Mitgliedern hat keinen einzigen Angestellten. Alle 50 Trainer und Betreuer arbeiten ehrenamtlich für den Verein.
"Wenn wir uns alle jetzt hinstellen würden und sagen, wir haben keinen Bock mehr und würden aufhören, reicht ja schon wenn es die Hälfte machen würde, dann würde der Verein krachen gehen."
Die Situation beim VfB Friedrichshain ist nicht die Ausnahme, sondern in Deutschland die Regel. Nur ein Bruchteil der Vereine könnte ohne die ehrenamtlichen Helfer existieren. Die steigende Sport-Begeisterung ist Fluch und Segen zugleich. Wer etwa beim VfB in Berlin Fußball spielen möchte, der landet zunächst auf einer langen Warteliste. Die Zahl derer, die sich unentgeltlich als Trainer oder Betreuer engagieren möchte, sinkt bundesweit seit 1999. Die Lebensumstände haben sich bei vielen verändert. So bleiben nicht nur die Studenten weg.
Veränderte Lebensumstände mit Auswirkungen
"Bei den Gruppen dann ab 30, können wir vermuten, dass das durchaus aus der Kombination aus hoher Mobilität im Erwerbsbereich, Familiengründung berufliche Etablierung. Das dort auch die Zeitreserven deutlich zurückgegangen sind."
Sebastian Braun, Sportsoziologe der Berliner Humboldt-Uni.
"Man bleibt nicht mehr so lange an einer Stelle wohnen wo man sich dann auch langfristig an den Verein bindet und auch eine gewisse Ochsentour in der Organisation durchläuft."
Maik Mann würde beim VfB Friedrichshain gern hauptberuflich arbeiten, als Trainer oder Funktionär. Doch der Blick in die Vereinskasse verrät, das bleibt sein schöner Traum. 60.000 Euro nimmt der Club über seine Mitgliedsbeiträge und kleine Spenden jährlich ein.
Die Vereinskasse reicht nur für Aufwandsentschädigungen
Strom, Platzmiete, neue Bälle und die monatliche Aufwandsentschädigung für die Ehrenamtlichen, für mehr reicht es nicht. Doch der Jugendleiter hätte da eine Idee:
"Viele Vereine die den Breitensportbereich abdecken, bilden ja die breite Basis. Dafür das die da oben (lacht), die da oben, egal ob das jetzt der DFB, die DFL, ob es auch die Profivereine sind, dass die wirklich Milliarden an Euro Gewinne erzielen und damit ihre Leute entsprechend hoch bezahlen können. Ich würde es gerechter finden, dass die ihr Geld verdienen, bis zu einem gewissen Punkt, aber das eben auch ein Anteil von dem Geld wieder zurück in den Breitensport fließt."
Übrigens, das Spitzenspiel haben die Jungs vom VfB mit 6:2 gewonnen. Der zweite Tabellenplatz scheint damit sicher. Eine Siegprämie gab es natürlich auch: für jeden ein Eis.
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