"Versteckte Zweierbeziehungen"

Moderation: Ulrike Timm · 13.01.2013
"Da habe ich mich von meiner letzten Liebe losgemacht", sagte der 31-jährige Johannes Brahms 1865. So reagierte er auf die Gerüchte, er habe mit der Tonfolge a-g-a-h-e im Seitenthema des ersten Satzes des Streichsextetts G-Dur die Initialen seiner Geliebten Agathe von Siebold in Musik gefasst.
Der Musiker und Musikwissenschaftler Peter Gülke sagte über diese biographischen Chiffren im Werk des Komponisten, sie seien so verborgen, "als schäme sich Brahms ihrer als unerlaubte Sentimentalitäten, versteckt, verschlüsselt, vergraben in Strukturen." Die Liebe wurde nicht zur Bindung, sie dauerte nur einen Sommer. Vergraben in Strukturen? Das zweite Streichsextett op. 36 von Brahms steht auch einmal mehr für die Neigung des Komponisten, zwei Werke einer Gattung zu schaffen.

Es ist, als habe Brahms das im ersten Versuch Gelernte noch ein zweites Mal gründlich durchkneten müssen. Und sollte er tatsächlich in diesem Sextett auch noch anderes, Privates durchgeknetet haben, so geschieht das auf eher verinnerlichte Weise in einer Komposition von wehmütigem und sich nicht lauthals offenbarendem Charme. Weniger orchestral als das erste in B-Dur op.18, dafür komplexer, auch kondensierter und empfindlicher gibt sich dieses zweite Streichsextett G-Dur op. 36 von Johannes Brahms.

Kammermusikensembles um die Geiger Isabelle Faust und Isaac Stern, das Leipziger Streichquartett, das Amadeus Quartett oder das Ensemble L'Archibudelli musizieren dieses Sextett aus einer teilweise sehr unterschiedlichen Ästhetik heraus. Und in einer von Brahms sehr geschätzten Klaviertrio-Fassung, die der Kleinmeister Theodor Kirchner angefertigt hat, offenbaren sich die versteckten Strukturen in noch anderer, ohrenfälliger Weise.