Verschuldet und geliebt

Borussia Neunkirchen braucht Geld

Historische Aufnahme aus der Saison 1962/63: Mit einem 3:0 - Sieg über den deutschen Ex-Meister Hamburger SV sorgte der Südwest-Zweite Borussia Neunkirchen am ersten Endrunden Spieltag für eine große Sensation. Hier stellt sich die Mannschaft von Borussia Neunkirchen vor dem Anpfiff auf (v. l. n. r): Karl Ringel, Horst Kirsch, Günter Kuntz, Horst Berg, Elmar May, Paul Pidancet, Erich Leist, Achim Melcher, Günter Schröder, Hans Schreier, Dieter Schock.
Historische Aufnahme aus der Saison 1962/63, die Mannschaft vor dem Anpfiff: Mit einem 3:0 - Sieg über den deutschen Ex-Meister Hamburger SV sorgte der Südwest-Zweite Borussia Neunkirchen anschließend am ersten Endrunden Spieltag für eine große Sensation. © picture alliance / dpa
Von Tonia Koch · 19.04.2015
Borussia Neunkirchen aus dem Saarland, früher mal Bundesligist, steht vor der Pleite. Die Fans trommeln für die Rettung des Vereins, und auch der frühere Bundesliga-Manager Rainer Calmund kann das Elend schlecht mit ansehen. Ob's hilft?
Die Borussen-Kurve versucht Stimmung zu machen. Immerhin sind zum Heimspiel ins Neunkircher Ellenfeld-Stadium am vergangen Samstag 700 Zuschauer gekommen, doppelt so viele wie sonst. Geholfen hat es nicht. Die Partie gegen Pfeddersheim geht mit 0:3 verloren. Kein Wunder, schließlich gehe die aktuelle Situation, der Rückzug des einzigen Großsponsors und die daraus folgende Zahlungsunfähigkeit nicht spurlos an den Spielern vorüber, sagt Vereinsvorstand Martin Bach.
"Ziel ist die Rettung des Vereins und in der verbleibenden Saison nicht noch sportlich in Schwierigkeiten zu geraten. Dieses Jahr gilt es drin zu bleiben.“
Bach klatscht jeden Spieler einzeln ab, bevor sie auflaufen. Er hat allen Grund dazu, denn die Mannschaft verzichtet vorübergehend auf die Auszahlung ihrer Gehälter, berichtet Insolvenzverwalter Marc Herbert:
"Da muss ich sagen, ganz herzliches Dankeschön, denn ohne eine Mannschaft kann ein solches Verfahren überhaupt nicht gelingen.“
Das verschafft der Borussia drei Monate Luft. In dieser Zeit will sie versuchen, so viel Geld aufzutreiben, damit die finanziellen Ansprüche der Gläubiger zumindest teilweise bedient werden können. Nur wenn das glückt, kann die Insolvenzeröffnung und damit der Zwangsabstieg in die Niederungen der saarländischen Fußball-Ligen vermieden werden. Denn dort sieht sich der traditionsbewusste Verein ganz sicher nicht. Marin Bach:
"Die Borussia lebte über viele Jahre in der Tradition und in der Nostalgie, den Storys am Lagerfeuer, was hier in der Vergangenheit war, das ist sehr schön.“
Reportage: "… 120 Sekunden trennen Borussia Neunkirchen von der Bundesliga. Ertz, der lange Schlussmann, aus der Hand abgeworfen, letzter Angriff von Borussia Neunkirchen. Drüben auf der anderen Seite in der Hälfte der Berliner, Karl Ringe, mitgelaufen ist auch Elmar May und Kuntz, der Linksaußen steht in Position …“
Günter Kuntz, dem Vater von FCK-Vorstand Stefan Kuntz, blutet das Herz, wenn er die heutige Tristesse mit der glorreichen Bundesligazeit der Borussen vergleicht.
Reportage: "Sekunden vielleicht noch,10 Sekunden, 5 Sekunden, Schlusspfiff, 43.000 reißt es von den Sitzen …“
Stefan Kuntz: "'64 sind wir aufgestiegen, waren dann zwei Jahre drin in der Bundesliga, sind dann allerdings wieder abgestiegen und ein Jahr später wieder aufgestiegen.“
Die Spieler seien überwiegend im Neunkircher Eisenwerk beschäftigt gewesen; die Unternehmen, die Stadt, die Borussia, man habe zusammengehalten in jener Zeit.
Kuntz: "Es war eine Gemeinschaft, eine richtiger Zusammenhalt hier in der Stadt. Die Borussia, das war was, die Borussia hat Neunkirchen damals in Deutschland bekannt gemacht. Vorher hat doch keiner gewusst, wo Neunkirchen liegt, erst durch die Bundesliga in der wir drei Jahre gespielt haben, ist Neunkirchen richtig bekannt geworden.“
Die Stadt sei zu klein, das wirtschaftliche Potenzial zu gering, um an solche Erfolge anzuknüpfen, resümiert Kuntz. Der Verein müsse sich von hochfliegenden Plänen verabschieden und endlich auf die Jugend setzen, das gebiete die Vernunft und das sei der Club den getreuen Fans schuldig. Zustimmung auf den Rängen.
Ein Fan: "In der ersten Mannschaft, da spielen ja keine Eigengewächse, es ist ja gar keiner dabei. Wenn wir sterben ist keiner mehr da, weil keine Jugend mehr da ist. Deswegen sind wir hier, damit der Verein überlebt. Auch wenn wir in den nächsten Jahren kleinere Brötchen backen: Einmal Borusse immer Borusse!“
Die Fans machen derzeit mit einer nicht alltäglichen Aktion auf die verzweifelte Situation aufmerksam. Mit einem VW-Käfer sind zwei von Ihnen fast 4000 Kilometer von Berlin über Wolfsburg, Leverkusen und München quer durch die Republik gereist. Der Käfer ist mit Solidaritätsunterschriften übersät. Nicky Kassner:
"Wir haben alle Weltmeister drauf, fast alle deutschen Nationalspieler Götze, Lewandowski, Müller ist drauf, also man kann die komplette Bayernmannschaft aufzählen, da sind bis auf drei Namen alle drauf.“
Die Strippen für die ungewöhnliche Aktion der Fans, die das Auto bald versteigern möchten, hat Rainer Calmund gezogen. Der ehemalige Bundesliga-Manager, ist vor geraumer Zeit ins Saarland gezogen, um stressfreier zu leben und dabei soll es bleiben.
Calmund: "Ich werde nicht anfangen hier zu arbeiten. Helfen ja, auch ein paar Schienen legen, aber mehr nicht.“