Verschmutzung des Wassers im Spreewald

Brühe statt Idylle

Kahnfahrer Arwed Franke (75) erklärt stakend den Spreewald.
In manchen Nebenfließen haben Sie nur noch Schlamm, sagt der 75-jährige Kahnfahrer Arwed Franke. © Deutschlandradio / Vanja Budde
Von Vanja Budde · 13.06.2018
Touristen wollen im Spreewald nicht durch eine trübe Brühe fahren. Eisen und Sulfate sind die Folgen der alten Braunkohlegruben. Sie sind eine Gefahr für die Umwelt und das Trinkwasser. Das Problem ist lange bekannt, aber die Politik muss noch liefern.
Der Große Hafen der Kahnfahrer in Lübbenau, einem der Hauptorte des Spreewaldes. Fährmann Günther Kneisel verhandelt mit einem Touristen-Paar über den Preis einer Fahrt mit dem Holzkahn. Die Spree: sie entspringt in der sächsischen Lausitz, fließt durch Brandenburg nach Berlin, mäandert hier im Spreewald durch unzählige verzweigte Fließe und Kanäle. Es ist eine verwunschene Wasserlandschaft, mit dem Titel Biosphärenreservat geschmückt. Seit dem Ende der meisten Braunkohletagebaue in der benachbarten Lausitz sind die Menschen im Spreewald dringend auf die Feriengäste angewiesen. So auch Günther Kneisel:
"Zu DDR-Zeiten war ich nicht der Kahnfährmann, war mal im Kraftwerk tätig und erst mit den Arbeitsplatzverlusten im Kraftwerk sind viele hier im Tourismus gelandet. So geht's eben mir genauso."
Nach der Wende wurden die DDR-Kohlegruben bis auf einige wenige geschlossen. Die Pumpen, die Jahrzehnte lang das Grundwasser in den Tagebauen gesenkt hatten, damit die Braunkohle gefördert werden konnte - sie standen still. Riesige Mengen Pyrit, auch Eisenkies genannt, fielen trocken, spalteten sich auf in Eisen und Sulfat. Seit der Grundwasserpegel wieder steigt, sickern Sulfat und Eisenhydroxid in die Seen und Flüsse der Region, auch in die Spree. Das Sulfat sieht und schmeckt man nicht. Das Eisen aber ist als rotbrauner Schlamm sichtbar. Diese "Verockerung" tötet Mikroorganismen und Fischlarven. Und der unschöne Anblick stört die Touristen, die vom Fährmann durch idyllische Fließe gestakt werden wollen, nicht durch eine trübe Brühe, in der kein Leben mehr herrscht.
Bräunlich-Rot ist das Wasser eines Bachs am 10.01.2013 am Naturspreewaldhafen in Ragow nahe Lübben (Brandenburg) gefärbt. Nach dem Ende vieler Lausitzer Braunkohletagebaue macht ansteigendes Grundwasser Mensch und Natur zu schaffen. So verfärbt sich das Wasser im Oberlauf der Spree bräunlich.
Bräunlich-Rot ist das Wasser eines Bachs am 10.01.2013 am Naturspreewaldhafen in Ragow nahe Lübben (Brandenburg) gefärbt. © picture alliance / dpa / Patrick Pleul
"Es geht ja schon seit Jahren, dass hier die Verockerung das Problem im Spreewald darstellt. Wie auch immer das mal zu Ende gebracht wird – eine echte Lösung ist erst mal nicht zu sehen für uns. Wir müssen damit leben und hoffen, dass das einfach sich nicht verschlimmert, wie es im Moment noch so hier gegeben ist."
Günther Kneisel hat sich mit der Kundschaft geeinigt. Er löst die Ketten, die seinen 23 Personen fassenden Kahn an der Anlegestelle fest halten und fährt los.

"Aktionsbündnis Klare Spree"

Gleichzeitig versammeln sich einige hundert Meter weiter in einem Konferenzsaal des prächtigen Schlosshotels von Lübbenau die Teilnehmer eines Fachgespräches über die Sanierung der Tagebaualtlasten. Die Grünen im Potsdamer Landtag haben dazu eingeladen. Winfried Böhmer vom "Aktionsbündnis Klare Spree" kommt als einer der ersten.
"Wir hatten ja etwa 2010 ein Hochwasser und plötzlich wurden alle Zuflüsse für den Spreewald von Ocker braun. Einige Fährleute saßen dann schon auf dem Schlamm und es hatte sich nichts getan von den Behörden und auch nicht von der LMBV. Das war der Anlass, dass wir das Aktionsbündnis gegründet haben. Das hat alle Betroffenen im Spreewald – von den Fährleuten über die Landwirte, Biosphärenreservat spielt da eine große Rolle aus ökologischen Gründen, die Naturschützer – haben sich alle vereinigt, haben das Aktionsbündnis gegründet, um Druck auf die Landespolitik zu machen. Wir haben gesagt: Hier muss etwas passieren, das geht so nicht, ansonsten ist das Biosphärenreservat Spreewald– es wäre tot."
Neben dem Aktionsbündnis machten auch die von der drohenden Trinkwasserbelastung durch Sulfat betroffenen Städte Druck: Frankfurt/Oder und vor allem die Millionenmetropole Berlin. Gemeinsam setzten die Betroffenen ein Sofortprogramm durch: Sachsen und Brandenburg starteten Gegenmaßnahmen. Sie umzusetzen war und ist Aufgabe der von den beiden Ländern und dem Bund gegründeten "Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbauverwaltungsgesellschaft". Die LMBV ist nämlich zuständig für die Sanierung der alten DDR-Tagebaue und deren Umweltschäden.
"Das heißt, alle Zuflüsse, die hier unmittelbar in den Spreewald kommen, da wird das Wasser aufgefangen und behandelt. Diese sogenannte Barriere ist noch nicht ganz dicht. Da fehlen noch einige Maßnahmen. Aber das fangen wir dann, wie gesagt, unmittelbar vor dem Spreewald auf."

Kinder können an Durchfall erkranken

Wichtigstes Glied in der Barriere vor dem Spreewald ist Spremberg bei Cottbus: Nachdem die Spree die Stadt durchquert hat, wird sie in einer Talsperre gestaut. Hier wird ein Großteil des Eisenockers zurückgehalten. Doch was ist mit der Spree oberhalb der Talsperre?
"Das sind ungefähr 90 Kilometer Fließgewässer, die quasi ökologisch tot sind. Da können auch die Fische aus dem Spreewald nicht mehr in ihre Laichgewässer, weil dort wirklich meterdicke Schichten von Eisenschlamm alles abdeckt. Da ist kein Bachflohkrebs mehr drin, da ist dann kein Fisch mehr drin, da ist kein Eisvogel mehr da. Das ist also die ökologische Situation."
Und keine Talsperre kann das im Wasser gelöste Sulfat zurückhalten: Das belastete Flusswasser muss verdünnt werden, um die Grenzwerte einhalten zu können. Werden die überschritten, können Kleinkinder an gefährlichen Durchfällen erkranken.
"Da hat man ein riesiges Steuerungsmodell aufgebaut, in dem man Wasser verschiedener Qualitäten mischt, um dort für die Wasserwerke die 250 Milligramm, die die Trinkwasserverordnung verlangt, auch einhalten zu können. Gelingt auch nicht immer."
Nach Angaben der LMBV werden in Spremberg statt früher fast 430 Milligramm Sulfat pro Liter nur noch knapp 350 Milligramm gemessen. Immer noch zu hoch, aber Kurt Augustin, der zuständige Abteilungsleiter für Wasser und Bodenschutz im Potsdamer Umweltministerium, sieht die Spreesanierung auf einem insgesamt guten Weg: Die Sofortmaßnahmen zeigten Wirkung. In Berlin sei der Sulfat-Grenzwert noch nie überschritten worden, betont Augustin.
"In all den Jahren ist es bisher immer wieder gelungen, den Grenzwert von 250 Milligramm pro Liter im Trinkwasser zu halten. Ich denke, das ist erst mal eine positive Nachricht. Wenn uns das gelingt, dass wir dort nicht zu erheblichen Überschreitungen kommen, dann, denke ich, ist die Trinkwasserversorgung auch sicher."
Die LMBV und die LEAG, der Betreiber der vier noch aktiven Tagebaue, hätten zugesichert, sich an den Mehrkosten dafür zu beteiligen, sagt Augustin. Auch beim Kampf gegen den Eisenocker seien Etappensiege erreicht worden.
"Wir haben an den Vorflutern natürlich schon Werte, die weit über den Richtwert – bei Eisen von 1,65 Milligramm pro Liter – hinausgehen. Aber im Verlaufe der Spree haben wir durch die Grubenanlagen, die wir wieder reaktiviert haben, doch eine erhebliche Minimierung des Eisenockers zu verzeichnen."
In diesen Grubenwasseranlagen wird das Eisenhydroxid mit Kalk bestreut, sodass es ausflockt, sich absetzt und abgebaggert werden kann.
"Wo dann die Reinigungen stattgefunden haben, sind wir doch schon zu Werten gekommen, die teilweise 50 bis 60 Prozent unter den damaligen Werten liegen. Allerdings müssen wir feststellen, dass wir noch mindestens 20 bis 50 Jahre mit diesem Phänomen zu leben haben."

Politik muss noch ihre Hausaufgaben machen

Darum hat der Brandenburger Landtag Ende 2015 beschlossen: Es muss ein Strategischer Gesamtplan für die Sanierung der Spree und ihrer Zuflüsse her. Doch die rot-rote Landesregierung hat immer noch nicht geliefert. Was Axel Kruschat, den Landeschef des NABU, im Schlosshotel von Lübbenau mächtig ärgert:
"Wir haben jetzt die Aussage, dass 2019 vielleicht ein Hintergrundpapier kommen soll. Wenn man die Beschlüsse des Landtags ernstnimmt, dann steht da ein strategischer Plan bis Ende 2016. Dieser Beschluss ist also definitiv nicht umgesetzt. Wir können also nach mehr als einem Jahrzehnt nicht erkennen, ob das, was an Maßnahmebündeln jetzt immer wieder vorgeführt wird, tatsächlich zum Ziel führt. Ich denke, dafür braucht man den strategischen Gesamtplan. Dafür braucht man den zeitnah und möglichst schnell."
Kahnfahrer Arwed Franke war an dem Abend beim Fachgespräch der Grünen auch dabei. Die Sulfat-Belastung gibt es natürlich auch im Spreewald, aber die bedroht den Tourismus nicht. Denn Sulfat als solches ist kein giftiger Stoff und beeinträchtigt auch die Flora und Fauna nicht. Arwed Franke plagen neben dem Eisenocker aber noch andere Sorgen.

Nebenarme der Spree verlanden

Der 75-Jährige stakt seit 1956 mit einem langen Stocherstab Kähne durch die Fließe und Kanäle. In die verzweigt sich die Spree hier auf einer Gesamtlänge von fast 1000 Kilometern. Doch es werden immer weniger, denn die Nebenarme verlanden zusehends. Vor allem, weil im Spreewald kaum noch Landwirtschaft betrieben wird, erzählt Franke. Zu DDR-Zeiten seien hier immer zwei große, klobige Schwimmbagger unterwegs gewesen, die hätten die Fließe von Ablagerungen befreit. Mit der Wende endete diese Fließbewirtschaftung.
"Wir fordern, dass die Vielfalt der Fließe erhalten bleibt, so wie es früher war, und auch, wie man es sich auf die Fahnen bei der Biosphärenreservats-Gründung geheftet hat. Und das ist stark gefährdet. Wir können ja in so ein Nebenfließ reinfahren, da haben Sie nur noch Schlamm. Und das ist so viel flacher geworden, dass es schon schwierig ist, dass die Fische laichen."
Das Land könne die Spree aber nicht wie damals dauernd ausbaggern, erklärt Kurt Augustin im Umweltministerium in Potsdam. Denn: Im Gegensatz zu DDR-Zeiten gelte heute das Bodenschutzgesetz. Da könne man die belasteten Schlämme nicht einfach auf Äcker und Wiesen abladen. Und den Spreewald-Schlamm in Massen auf kostenpflichtige Deponien zu fahren, sei unbezahlbar, sagt Augustin.
"Also den kompletten Spreewald auszubaggern bzw. von Sedimenten zu befreien, das ist nicht möglich und das wird es auch zukünftig nicht geben."
Er wünschte sich, sagt Fährmann Arwed Franke, dass man seinen geliebten Spreewald einmal kräftig durchspülen könnte. Damit die Enkel auch noch etwas haben von der einmaligen Landschaft.
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