Verlangen nach dem Wesenlosen

Von Nina Josefowicz · 17.01.2013
Vor 125 Jahren fand am 22. Januar 1887 die Uraufführung des zweiten Klavierquartetts von Gabriel Fauré im Salon Pleyel in Paris statt. Fauré, Schüler von Camille Saint-Saëns und Lehrer von Maurice Ravel, war ausgebildeter Organist und Pianist und spielte beim Konzert der Société Nationale de Musique selbst das Klavier.
Der Widmungsträger des Klavierquartetts ist kein geringerer als Hans von Bülow, der als Pianist und Dirigent gleichermaßen berühmt war und noch im selben Jahr 1887 als erster Chefdirigent der Berliner Philharmoniker in Erscheinung trat.

Gabriel Fauré komponierte neben Vokalmusik – seit 1870 hatte er eine Organistenstelle in Paris inne – vor allem Kammermusik, bei der das Klavier eine wichtige Rolle spielte. Fauré reihte sich mit der Wahl der Tonart für sein zweites Klavierquartett g-moll in eine Tradition ein: Nicht nur Mozarts Klavierquartett steht in g-moll, sondern auch Johannes Brahms komponierte 1861 sein erstes Klavierquartett op. 25 in g-moll (zwei weitere Quartette mit Klavier sollten folgen).

Während das erste Klavierquartett von Fauré in c-moll (1879) schon zu Lebzeiten als eines seiner Hauptwerke galt, wurde das zweite Klavierquartett wesentlich zurückhaltender aufgenommen. Im Schaffen des Komponisten hat das Quartett jedoch einen besonderen Stellenwert, da Fauré sich erstmals zu einer programmatischen Intention bekennt. 1906 berichtet er seiner Frau Marie von Kindheitserinnerungen, die sich im Adagio wiederfinden:

"Über diesem dumpfen Läuten erhebt sich eine unbestimmte Träumerei, die wie alle unbestimmten Träumereien nicht mit Worten wiederzugeben ist. Aber kommt es nicht häufig vor, dass ein äußeres Geschehen uns in einen Zustand der Benommenheit versetzt und in so verschwommene Gedanken, dass es eigentlich gar keine Gedanken sind und doch etwas, das einem behagt? Verlangen nach dem Wesenlosen vielleicht; genau das aber ist die Domäne der Musik."

Inmitten der beiden erregteren Ecksätze und dem spielerisch anmutenden Scherzo verleitet der ruhige und melancholische dritte Satz, das Adagio, zu einer Art Innenschau. Der erste Satz sowie der Finalsatz bedienen sich der klassischen Sonatensatzform, wobei Fauré ungewöhnliche Modulationen und Akkordverbindungen gebraucht, wie sie charakteristisch für seine späteren Kompositionen sind. Der erste Satz endet, wie bereits im ersten Klavierquartett, im piano.

Dem darauffolgenden Scherzo mit seinen Momenten der Spielfreude merkt man deutlich an, dass hier ein Musiker auch für den eigenen Gebrauch komponiert hat. Fauré hat das Klavierquartett immer wieder öffentlich gespielt, auch noch 1910 anlässlich einer Tournee in St. Petersburg, als seine Hörkrankheit schon weit fortgeschritten war. Die Musik macht es einem leicht, die besondere Vorliebe, die Fauré für das Klavierquartett empfunden haben mag, zu teilen.
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