Verlage sollen sich an Filial-Eröffnungen beteiligen

Moderation: Dieter Kassel · 16.01.2006
Die Buchhandelskette "Thalia" will Verlage auch an den Kosten bei Umbauten und Neueröffnungen von Filialen beteiligen. Das - so der Geschäftsführer von Thalia, Michael Busch - könne die Vertriebskraft des Buches stärken. Die Kritik an dieser Idee wies Busch zurück, schließlich gehe es nicht um reine Baumaßnahmen, sondern darum, gemeinsam die Mittel zu bündeln, um mehr Bücher zu verkaufen.
Kassel: Bereits im vergangenen Jahr bekamen so ungefähr 100 große Buchverlage, mit denen die deutsche Buchhandelskette Thalia traditionell eng zusammenarbeitet, einen Brief. Das war erst einmal Routine, diente vor allem der Vorbereitung der persönlichen Gespräche, die Thalia auch 2006 wieder, wie in den vergangenen Jahren, mit diesen Verlagen führen möchte. Eines der vorgeschlagenen Themen jedoch, das hat für Ärger gesorgt: Man will nämlich auch darüber reden, dass die Verlage sich an den Kosten für Umbauten in den Thalia-Filialen sowie den Kosten für die Eröffnung neuer Filialen beteiligen sollten. Das gefällt einigen Verlegern nicht. Gerade heute wird sich der Börsenverein des Deutschen Buchhandels in seiner ersten Sitzung in diesem Jahr auch mit diesem Thema beschäftigen. Und in einer kleinen Reihe über den Strukturwandel im deutschen Buchhandel werden wir in dieser Woche im Deutschlandradio Kultur sowohl mit dem Börsenverein als auch mit einigen Verlegern reden. Jetzt aber sprechen wir erst mal mit, na ja, im Großen und Ganzen schon dem Urheber des Ärgers, nämlich dem Urheber dieses folgenschweren Briefes, mit Michael Busch, einem der beiden Geschäftsführer der Thalia Holding. Haben Sie - es ist ja nun schon eine Weile her, dass der Brief formuliert wurde -, haben Sie denn damit gerechnet, dass dieser Brief einen solchen Ärger verursachen würde?

Busch: Also ich glaube, man muss das etwas relativieren. Es gibt ja immer Stimmen, die sich in der Öffentlichkeit dazu melden. Wir messen das immer sehr daran, wie unsere Partner dann in den persönlichen Gesprächen oder in den Jahresgesprächen mit uns darauf reagieren. Und da haben wir ein sehr differenziertes Bild eigentlich wahrgenommen. Wir haben bei vielen Verlagen wahrgenommen, dass sie das als eine schlicht sehr professionelle Vorbereitung auf die Jahresgespräche empfinden, wo wir die Themen, die wir gerne mit den Verlagen diskutieren wollen und wo wir uns auch gemeinsam mit den Verlagen engagieren wollen, eben aufgezeigt haben. Und letztendlich ist das ja immer nur eine Seite der Medaille. Die Verlage machen das ja genauso - und aus unserer Sicht auch korrekt -, dass sie auch im Vorfeld der Jahresgespräche Themen, die sie berührt haben im abgeschlossenen Jahr oder die für sie von Interesse in den Jahresgesprächen uns gegenüber auch schriftlich rübergeben. Also eigentlich eine ganz normale Usance. Deshalb waren wir auch in Teilen etwas überrascht, aber haben dann in den Jahresgesprächen festgestellt, dass es eigentlich auch eine ganz gute Vorbereitung war.

Kassel: Was schlagen Sie denn vor oder verlangen gar? Sagen Sie konkret: Wenn die Verlage ihre Bücher weiterhin prominent bei uns präsentiert haben wollen, dann müssen sie den Umbau zahlen?

Busch: Nein. Also ich glaube, man muss jetzt immer aufpassen, dass man nicht, wenn man über ein ganzes Bild redet, nur über ein Mosaiksteinchen redet. Ich glaube, es ist wichtig, dass man, wenn man ein solches Thema diskutiert, dass man das vor dem Hintergrund immer einer Branchenentwicklung, einer Gesamtsituation bespricht.

Kassel: Was heißt das, diese Entwicklung? Wollen Sie darauf hinaus, dass gewisse gemeinsame Aktivitäten von Verlagen und Buchhandel zum Verkauf der Bücher - Sie merken, ich formuliere das sehr neutral jetzt -, dass die längst normal sind?

Busch: Ja, erstens sind sie normal. Wenn man sich in anderen Ländern das anschaut - ob in den USA oder in Großbritannien -, dann ist da die Entwicklung der Zusammenarbeit zwischen Einzelhandel auf der einen - also Bucheinzelhandel - und Verlagen an der Stelle schon deutlich weiter. Und wenn man sich jetzt hier mal die Situation in Deutschland anschaut, dann haben wir da eigentlich mehrere Entwicklungen, die den strukturellen Wandel in der Buchbranche sehr entscheidend beeinflussen: Wir haben auf der einen Seite seit mehreren Jahren einen stagnierenden, zum Teil sogar rückläufigen Buchmarkt - das Gleiche gilt ja für den Einzelhandelsmarkt insgesamt - und stellen eigentlich fest, dass das Buch immer mehr und deutlich mehr als früher mit anderen Einzelhandelsprodukten über die verschiedenen Altersstufen hinweg konkurrenziert oder im Wettbewerb steht.

Kassel: Heißt das auch so ein bisschen, Sie haben eigentlich auch als Thalia, als erfolgreicher Buchhändler, aber ja auch jemand, der sich immer wieder auch bedroht fühlt von der Konkurrenz, gar nicht so viel Angst vor Amazon und zum Beispiel vor Hugendubel, sondern mehr Angst vor Lidl und Aldi, die auch Bücher verkaufen?

Busch: Nein, nicht nur Lidl und Aldi. Wir haben ja innerhalb der Branche, also neben der Tatsache, dass der Markt wie gesagt stagniert, haben wir eine Verschiebung zwischen den Vertriebskanälen. Die großen Vertriebskanäle, was früher in fast, oder zu einem größten Anteil der stationäre Buchhandel war, verschieben sich ja in zwei Richtungen oder drei Richtungen: Einmal in Richtung - Sie haben es gerade erwähnt, Stichwort Amazon -, in Richtung Internet; zum Zweiten in Richtung Discount - also nehmen Sie eine Weltbild-Gruppe, die mit ihren, also der Discount-geprägten Läden deutlich stärker expandiert sowohl in der Anzahl wie auch im Umsatz als wir das tun; und als Drittes eben die eben von Ihnen erwähnten Nebenmärkte, die Aldis, die Lidls, die REALs, wo gerade Spitzentitel wie zum Beispiel ein "Harry Potter" in großen Mengen vertrieben werden. Und wenn man eine solche Verschiebung zu anderen Vertriebskanälen hat, dann gilt es natürlich für den stationären Buchhandel - das heißt, nicht nur für uns, sondern auch für andere -, sich die Frage zu stellen, wie man darauf am besten reagiert.

Kassel: Nun ist das ja durchaus eine einsehbare Begründung dafür, dass Sie Filialen umbauen, renovieren. Das gehört ja heute zu einem großen Buchgeschäft dazu, dass man da zum Beispiel Kaffee trinken kann; das ist ja in vielen Thalia-Filialen, auch bei der Konkurrenz, schon recht üblich. Es ist ja auch nichts dagegen zu sagen, dass Sie weitere Filialen eröffnen. Nun geht es aber bei den Zahlen, die mir vorliegen, ja gegen den Branchentrend Thalia ganz gut. Was man sich ja fragt, ist: Wenn Sie Filialen umbauen, neu eröffnen, warum können Sie das nicht komplett selber bezahlen?

Busch: Wir konkurrenzieren ja nicht nur eben mit anderen Buchhändlern, sondern, wenn Sie sich die Einzelhandelslandschaft heute anschauen, dann haben heute Läden - ob es im Bereich Textil ist, ob es in anderen Einzelhandelsbereichen ist - eine enorme Entwicklung mitgemacht, das Ambiente, was die Atmosphäre in diesen Läden angeht. Und letztendlich, wenn man auch mit hierzu im Wettbewerb steht, dann müssen Sie Läden bauen, die dem auch gerecht werden.

Kassel: Aber das, Herr Busch - leuchtet mir völlig ein -, aber das erklärt ja nur - und das, glaube ich, versteht man ja -, warum Sie Filialen umbauen, warum Sie auch, wo das geht und wirtschaftlich Sinn macht, weitere, neue Filialen eröffnen. Aber das erklärt ja nicht, warum Sie der Meinung sind, die Verlage sollen das teilweise mitbezahlen.

Busch: Wir überlegen ja mit den Verlagen gemeinsam, wie die Mittel, die wir haben - sprich: wir als Buchhändler - und die den Verlagen zur Verfügung stehen, wie die am besten eingesetzt werden können, damit am Ende des Tages das Buch eine stärkere und intensivere Verbreitung bekommt. Und es ist ja nicht so, dass Verlage bei uns einfach dafür bezahlen sollen, dass wir Buchhandlungen bauen. Sondern wir überlegen ja hier gemeinsam, wenn es Neueröffnungen gibt, wenn es große Umbauten gibt, wie wir im Rahmen dieser Umbauten eben ein Umfeld schaffen können, werbliches Umfeld, Aktionen in den Filialen, die eben am Ende dazu führen, dass die Vertriebskraft für das Buch gestärkt wird. Also das ist ja nicht eine reine Baumaßnahme, sondern es geht hier darum, gemeinsam die Mittel zu bündeln, um Bücher mehr zu verkaufen. Und Sie haben ja eben angesprochen - und das ist auch richtig so -, dass wir mit Thalia insgesamt in den letzten Jahren eine Entwicklung hatten, eine deutlich bessere Entwicklung als das die Branche hatte. Und das honorieren auch viele Verlage, die sagen: Am Ende des Tages haben sie ja ein hohes Interesse daran, dass eben das Buch eine stärkere Verbreitung findet. Und deshalb erleben wir auch in den Gesprächen, dass grundsätzlich zu dem Thema, wie kann man das gemeinsam gestalten, eine große Offenheit da ist. Da gibt es verschiedene Ansätze, wie man das machen kann. Und das ist ja immer so, wenn man in ein Gespräch hineingeht und man versucht dann, eine gemeinsame Position zu finden, dann gestaltet die sich am Ende nicht mit jedem Partner gleich, sondern da suchen wir nach Lösungen, wo nachher beide ihre Interessen vernünftig wiederfinden.

Kassel: Wie könnte das am Ende aussehen? Wenn wir davon ausgehen, diese Zusammenarbeit findet mit zumindest einigen Verlagen statt. Sie vergleichen ja zu Recht auch immer mit anderen Branchen, und da gibt es ja Sachen, die empfindet man gar nicht als schlimm, sind total normal: Wenn man in ein Kaufhaus geht, in den guten Kaufhäusern gibt es heute eine Ecke, da ist nur die Marke, da ist auch ein riesen Aufsteller dazu, da gibt es nur Anzüge von dem und da hinten ist die Fachabteilung für Esprit - sei eine Marke genannt, aber es werden auch viele andere ausgestellt. Soll das mal so aussehen? Wird es in modernen Thalia-Filialen mal die Rowohlt-Ecke da und die Suhrkamp-Ecke hier geben?

Busch: Ja, das hängt von den verschiedenen Segmenten im Buchbereich ab. Es gibt ja verschiedene Arten von Marken. Im Buchhandel haben Sie einmal die Marke den Verlag. Es gibt bestimmte Verlage, die für den Endverbraucher als Marke einen hohen Wiedererkennungswert haben. Die andere Marke im Buchhandel ist der Autor. Also unabhängig vom Verlag. Und das Dritte ist eben, ein Kriterium, wo der Kunde sehr stark danach schaut, sind die entsprechenden - wie wir sagen - Themengruppen, wo der Kunde eben sagt: So, ich suche nach Romanen oder ich suche nach Kochbüchern. Und das schauen wir uns sehr differenziert an, was in den einzelnen Bereichen eigentlich das Suchkriterium des Kunden ist. Und da versuchen wir eigentlich, den richtigen Mix zu finden. Dort, wo der Verlag die dominierende Marke ist, da kann es und wird es auch in diese Richtung gehen, dass wir bestimmte Verlage da sehr prononciert darstellen, ...

Kassel: Verstehen Sie nicht dennoch Sorgen, die sich viele Verlage machen jetzt? Egal, ob es jetzt um diesen Brief und die Umbauten geht oder um andere Zusammenarbeit. Es werden ja zum Beispiel selbst von den rund 100, die Sie angeschrieben haben, manche werden das eine mit Ihnen machen, manche das andere und manche nichts. Wir leben doch in der wirklichen Welt. Es wird doch so sein, dass die, die Ihnen nicht entgegenkommen, natürlich auch die Bücher nicht mehr so dick präsentiert finden in Ihren Filialen?

Busch: Also das ist, glaube ich, ein bisschen eindimensional oder sagen wir, da ist die Gefahr, dass da eine gewisse Eindimensionalität hineinkommt. Am Ende des Tages ist es ja so: Der Kunde sucht bestimmte Bücher. Und wenn wir den Anspruch haben, dem Kunden ein gesamtes Sortiment zu präsentieren, dann möchten wir ihm das beste Sortiment präsentieren - da sind auch die besten Bücher am prononciertesten dargestellt. Wir spüren eigentlich im Moment gerade bei den großen Verlagen und bei den Verlagen, die wirklich erstklassige Bücher produzieren und verlegen, dass da ein hohes Interesse dran ist, über die Plattform Thalia sich richtig zu positionieren.

Kassel: Aber - Entschuldigung, da unterbreche ich Sie jetzt mal - das klang jetzt - vielleicht war es nicht so gemeint - so als ob Sie, weil Sie sagen die "großen" Verlage, die wertvollen Sachen produzieren, ...

Busch: Nein, nein.

Kassel: ... tun das denn die kleinen nicht?

Busch: Nein, nein, dann habe ich mich da falsch ausgedrückt. Die Verlage insgesamt, die einfach gute Absatzentwicklungen haben, wo einfach man merkt, die entsprechen dem Trend, dem Zeitgeist, und da mache ich überhaupt keine Unterscheidung jetzt mal zwischen den großen und kleinen Verlagen, sondern da gehe ich im Besonderen auf die Qualität ein.

Kassel: Wenn man so ein bisschen nach dem zweiten Rotwein mit gewissen Verlagsvertretern und Buchhändler redet, hört man immer wieder die Geschichte: Es gibt Buchhandlungen, da zahlt man eine bestimmte Summe für drei laufende Meter Regal und dann darf man dann da seine Bücher reinstellen. Gibt es das oder ist das nur üble Nachrede?

Busch: Also, ja, das gibt es. Es gibt es nicht bei Thalia. Also es mag ganz wenige Fälle geben, wo einzelne Filialen mal eine Aktion mit einem Verlag derart machen. Grundsätzlich machen wir das bei Thalia nicht. Es ist aber an vielen Stellen, insbesondere in den Nebenmärkten, seit Jahren eine ganz übliche Umgangsform zwischen den Verlagen und Händlern. Und wenn man jetzt mal sich vom rein stationären Handel löst und sich den Handel insgesamt anschaut und dabei auch auf den Versandhandel guckt, dann ist es im Versandhandel eine Usance, die es seit langer Zeit gibt, wo Katalogplätze für Geld verkauft werden. Und letztendlich, das Pendant zum Regal des stationären Buchhändlers ist der Platz im Katalog des Versandbuchhändlers.