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Meinungsfreiheit
Ist Kuba wirklich libre?

Angesichts der Annäherung zwischen Havanna und Washington kann zuweilen der Eindruck entstehen, in Kuba wehe ein gänzlich neuer Wind der Freiheit. Doch die politische Opposition und unliebsame Journalisten werden mit unverminderter Brutalität verfolgt. Über einen Internetanschluss verfügen nicht einmal fünf Prozent der Bevölkerung.

Von Peter B. Schumann | 05.07.2015
    Ein Kubaner mit einem Obama-T-Shirt.
    Ein Kubaner mit einem Obama-T-Shirt. (Deutschlandradio / Henning von Löwis)
    Anders als bei früheren Aktionen wollte Tania Bruguera diesmal nicht in der Öffentlichkeit auftreten, sondern lud in ihre Parterre-Wohnung in Alt-Havanna ein. Die Künstlerin wollte das rund 1000-seitige Werk "Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft" von Hannah Arendt in einem 100-stündigen Marathon vorlesen. Sie war bereits mehrfach wegen ihrer provokanten Auftritte vom Staatssicherheitsdienst verwarnt und kurzfristig verhaftet worden. Zurzeit hat sie Ausreiseverbot und steht unter Polizeiaufsicht. Doch Tania Bruguera lässt sich durch solche Schikanen nicht von ihrem Protest abhalten. Deshalb schickte das Regime diesmal eine Brigade des Elektrizitätswerks und ließ die Straße vor ihrem Haus für "dringend nötige Reparaturen" aufreißen.
    "Wir verbieten nichts, denn Verbote machen erst das obskure Objekt der Begierde attraktiv."
    Das hat erst vor kurzem Abel Prieto in einem Interview mit der spanischen Tageszeitung EL PAIS behauptet. Und dann fügte der ehemalige Kulturminister und einer der wichtigsten Berater Raúl Castros hinzu:
    "Die Idee, dass wir in einem Regime leben, das alles kontrolliert, was der Bürger konsumiert, ist eine Lüge, eine unhaltbare Karikatur dieser miteinander verbundenen Welt."
    Unter fünf Prozent der Bevölkerung haben bislang Internetzugang
    Natürlich lässt sich im Zeitalter der Handys und USB-Sticks nicht mehr "alles" unter Kontrolle halten. Doch noch nicht einmal fünf Prozent der Bevölkerung haben bisher Zugang zum Internet. Die Regierung ist zwar dabei, das Netzt auszuweiten, aber hauptsächlich in leicht überprüfbaren Internet-Cafés und Jugendclubs. Donnerstag vergangener Woche wurden 35 solcher Orte mit Wifi-Anschluss auf der Insel zugelassen.
    Viele hoffen auf neue Betätigungsfelder, was dieser Sketch im staatlichen Fernsehen auf die Schippe nimmt. Da träumt einer davon, Geschäftsführer einer neuen Telekommunikationsfirma zu werden, kann aber noch nicht einmal ein einfaches Kabel für die Reparatur eines TV-Apparats beschaffen. Doch nichts ist undenkbar, seit die Entspannungspolitik zwischen Havanna und Washington eine Flut neuer Reisemöglichkeiten und Kontakte bietet. Auf der Kunstbiennale, die letzte Woche zu Ende ging, präsentierte sich erstmals eine US-amerikanische Institution, das Bronx-Museum in New York. Die Direktorin Holly Block:
    "Wir zeigen hier 90 hochkarätige Werke von 56 Künstlern aus unserer Sammlung. Und nächstes Jahr wird das Nationalmuseum Kubas bei uns eine Ausstellung durchführen. Es gibt also Synergie-Effekte zwischen den beiden Städten, die lange Zeit keine Beziehung hatten."
    Eine ganze Reihe kubanischer Künstler, die die Insel teilweise seit Jahrzehnten nicht mehr aufgesucht haben, zieht es zurück nach Havanna, um ihre Arbeiten vorzustellen. Der kubanische Kunstmarkt boomt, wie schon lange nicht mehr. Vor allem Touristen und Galeristen aus den USA haben ihn entdeckt.
    In jüngster Vergangenheit wurden auf Kuba mehrere Journalisten verhaftet
    Die Annäherung der beiden Länder hat für die Bevölkerung manche Erleichterungen gebracht und Hoffnung auf die Zukunft geweckt. Diesen Optimismus teilt die Opposition keineswegs, denn sie wird mit unverminderter Brutalität verfolgt. Mehrere oppositionelle Journalisten wurden verhaftet. Seit Monaten warten der Blogger und Schriftsteller Angel Santiesteban und der Karikaturist Sexto auf ihren Prozess wegen angeblicher Verunglimpfung der Regierung. Auch der Bürgerrechtler Antonio Rodiles, einer der intellektuellen Köpfe der Opposition, wurde immer wieder wegen "Widerstands gegen die Staatsgewalt" festgenommen. Er hat vor wenigen Tagen in einer Videobotschaft über die willkürlichen Verhaftungen friedlicher Demonstranten und sogar über Folter berichtet.
    Rodiles hat aber auch das Schweigen der internationalen Gemeinschaft angesichts der Verfolgung kubanischer Dissidenten kritisiert. Und er fordert von der Europäischen Union, die Lage der Opposition bei ihren Verhandlungen mit Kuba zur Sprache zu bringen.
    Die Europäische Union sollte die Menschenrechte und die demokratische Entwicklung auf die Tagesordnung setzen. Und sie sollte die kubanischen Demokraten stärker unterstützen, damit wir bald ein anderes Kuba erreichen: eine Demokratie, einen Rechtsstaat, ein prosperierendes Land.