"Verhaltensmuster angelegt wie Schlafsäcke"

Von Georg Gruber |
"Jagdhunde" heißt der erste lange Spielfilm der 31-jährigen Regisseurin Ann-Kristin Reyels, der mit dem Filmkunstpreis 2007 ausgezeichnet wurde. Es wird darin nicht viel gesprochen. "Es ist ein Film über Kommunikation, die nicht mehr stattfindet, über Fremdheit, über Kälte und Wärme", erklärt Reyels.
Lars lebt mit seinem Vater seit kurzem irgendwo in der Uckermark, will über Weihnachten mit dem Zug zur Mutter, die sich gerade vom Vater getrennt hat.

Szene aus dem Film:
" (Vater) Mir tut das ganz gut.
(Sohn) Was tut dir gut?
(Vater) Naja, paar Tage allein sein.
(Sohn) An Weihnachten "

Am Bahnhof lernt Lars Anna kennen, verpasst den Zug. Sie freunden sich an. Und dann wird das Weihnachtsfest doch ganz anders als geplant: Die Schwester der Mutter taucht auf, ist auf einmal mit dem Vater zusammen, die Mutter selbst erscheint auch noch, mit jugendlichem Liebhaber.

Reyels: " Es ist ja ein Film über Kommunikation, die nicht mehr stattfindet, über Fremdheit, über Kälte und Wärme, über allso Dinge, die man nicht groß erklären kann. Das ist so eine Parallele zu den Leuten, die wollen alle, die sehen auch, was mit ihnen passiert, aber die haben sich halt über die Jahre so Verhaltensmuster angelegt wie so Schlafsäcke, immer ein Schlafsack über den anderen und kommen da nicht mehr raus. "

Klingt etwas verkopft.

Aus dem Film:
" (Frau) Du bist so ein ekelhafter Zyniker. "

Konstruiert. Könnte dröge sein - ist es aber nicht. Ann-Kristin Reyels ist mit "Jagdhunde" ein Film gelungen, der berührt. Die 31-Jährige hat auch am Drehbuch mitgeschrieben.

Reyels: " Das war uns halt auch beim Schreiben und später auch beim Inszenieren ganz wichtig, dass jede Figur auch was liebenswertes hat, die möchten gerne, die können aber nicht, und im Gegensatz dazu stehen die beiden jungen Menschen, die, obwohl sie keine Möglichkeit haben zu kommunizieren, kommunizieren, weil das Mädchen gehörlos ist, deswegen ist das alles sehr reduziert, und das passt auch zu mir, ich red jetzt auch nicht soviel irgendwie. "

Ann Kristen Reyels, blond, braune Augen, sagt, sie habe Glück gehabt, mit den Schauspielern. Klar, Josef Hader ist immer ein Glücksfall.

Aus dem Film:
Hader: " Es ist ja alles ganz großartig, zuerst sagst du, du brauchst mehr Zeit für dich, dann fühlst du dich beengt am Land, du willst wieder in die Stadt ziehen, für kurze Zeit, dann rufst du zwei Monate nicht an, und der erste Anruf ist, ich will meinen Sohn zu Weihnachten haben, das ist alles und ohne irgendwas zu besprechen kommst du einfach daher. "

Aber es wird dann doch auch mit ihrer Herangehensweise zu tun gehabt haben, dass der Film so gut funktioniert, ganz besonders die Liebesgeschichte zwischen den zwei Jugendlichen. Luise Berndt, die das Mädchen spielt, lernte sie an der Filmhochschule in Potsdam kennen. Constantin von Jascheroff fand sie erst über ein Casting, bei dem die Kandidaten nicht wussten, dass sie es mit einem gehörlosen Mädchen zu tun haben würden.

Für Ann-Kristin Reyels, geboren 1976 in Leipzig, war schon früh klar, dass sie zum Film will. Jugendtraum war Schauspielerin. Nach dem Fall der Mauer zieht sie mit ihren Eltern, der Vater Ingenieur, die Mutter Sportwissenschaftlerin, nach Nürnberg. Als sie nach dem Abitur von zwei Schauspielschulen abgelehnt wird, geht sie für ein Jahr nach London, betreut dort eine behinderte Frau - und findet dann doch noch einen Weg ins Filmgeschäft. Sie arbeitet lange als Kameraassistentin, auch bei dem Film "Komm süßer Tod", wo sie so begeistert ist von dem Zusammenspiel von Regie, Kamera und Schauspielern, dass sie beschließt, Regisseurin zu werden:

" Das war so großartig, so eng, das war wie Pingpong spielen, das war so eine hohe Konzentration und das fand ich so toll und da hab ich gemerkt, vielleicht ist das ja das, was alles vereint, das Interesse für’ s Spielen und das große Interesse für Bilder, das ich über die Jahre bekommen hab. "

2001 beginnt sie ihr Studium an der HFF in Potsdam. Sie lebt in Berlin, mit ihrem Mann, einem Gitarrenbauer und Musiker. Seit zweieinhalb Jahren sind sie verheiratet. Sohn Finn kam vor 10 Monaten auf die Welt, einen Tag nachdem die Tonmischung von Jagdhunde fertig war. Zu dritt hat sich ihr Leben verändert:

Reyels: " Jetzt hat man natürlich auch eine andere Form von Verantwortung. Der akzeptiert das natürlich nicht, der Kleine, wenn man im Kopf woanders ist und es ist extrem heilsam, am Tag auch mal für ein paar Stunden komplett abzuschalten und ich merke, dass mir das ganz viel Kraft gibt. "

Ihr nächster Film wird eine Ost-West-Geschichte. 1988: Zwei Schwestern machen Urlaub in Ungarn, treffen dort auf zwei Jungs aus Hamburg.

Reyels: " Die eine verliebt sich und so doll, dass sie sich entscheidet zu flüchten, dass sie das auch macht und das auch gelingt, und das ist das Ende des Films. "

Auch diesmal schreibt sie am Drehbuch mit. Da passt es ganz gut, dass sie selbst beide Seiten kennt und dass man von ihrem Arbeitszimmer in Berlin den ehemaligen Mauerstreifen sieht, der Ost- und Westberlin trennte.

Reyels: " Das ist wirklich auch ein Film über Freiheit ganz viel, über eine Liebe, die nicht möglich ist, durch die Mauer, eine kleine Geschichte, die einen ganz großen Hintergrund hat. "

Ein Film, auf den man gespannt sein darf.
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