Vergessene Sportarten

Beim Ballonspringen die Schwerkraft überwinden

04:26 Minuten
Eine Ballonabfahrt um 1900 in Frankreich. (Symbolbild)
Ballonpioniere probierten eine ganze Menge aus, auch den Sprung aus dem Korb wenn der Ballon hoch am Himmel fuhr. © imago images
Von Matthias Baxmann · 26.04.2020
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Wer behauptet, dass Ballonspringen einfach wäre, irrt. Die leider vergessene Sportart ist es wert, wiederentdeckt zu werden. Denn sie erfüllt den menschlichen Wunsch, immer ganz hoch hinauszuwollen.
Das Ballonspringen – ein aufregender neuer Himmelssport! Sie möchten ihre Samstagnachmittage mit einem Vergnügungsausflug durch die Lüfte verbringen? Dem Springen über Gartenzäune, dem Hüpfen über Büsche und Bäume, ja, Sie wollen sogar die Laube ihres Nachbarn einmal von oben betrachten?
Dann versuchen Sie es mit der sensationellen Sportart des Ballonspringens! Legen Sie den Hosenträgergurt an. An ihm, mit Seilen befestigt, schwebt über Ihnen ein mit Gas gefüllter Ballon mit einem Durchmesser von sechs Metern.

Spüren Sie den Wind?

Mit einem kräftigen Sprung schwingen Sie sich so über die Wiese, überwinden die Schwerkraft und bewegen sich wie ein Forscher auf dem Mond voran. Je nach ihrer Sprungkraft haben Sie nach zehn Metern wieder festen Boden unter den Füßen, um von Neuem abzuheben.
Doch allein auf die Kraft in Ihren Beinen müssen Sie sich nicht verlassen. Zwischen Ihnen und dem Ballon befindet sich ein horizontal angebrachter Propeller, angetrieben durch ein Seil in Endlosschleife, das über Rollen zu Ihnen nach unten führt. Mit einigem Elan ziehen Sie am Seil – und der Propeller surrt direkt über Ihrem Kopf.
Alles, was Sie brauchen, ist eine gesunde Muskelkraft, um den Propeller schnell genug zu drehen. Spüren Sie den Wind und lassen sich von einer verspielten Brise durch die Luft treiben. Vielleicht zum nächsten Apfelbaum? Springen Sie von Ast zu Ast, greifen im Vorbeiflug ein paar Früchte. Und beißen hinein.

Auch Rauchen ist möglich

Ihr Dach ist nicht mehr dicht, es tropft in Ihre Küche? Kein Problem! Springen Sie hinauf und erkunden die Ursache. Selbst aufs Rauchen müssen Sie während Ihrer Flugübungen nicht verzichten. Denn der Sack über Ihnen wird nach Wunsch auch mit Helium befüllt – statt mit explosivem Wasserstoff.
Der handgetriebene "Springende Ballon" ist die Erfindung von M. Q. Corbett, W. E. Hoffman und C. F. Adams des Armeegeschwaders "Leichter als Luft" aus Dayton aus dem Jahre 1923. Eine revolutionäre Sportart, die laut Ballonfahrern faszinierender ist als jeder andere Sport auf der Welt. Sie träumen bereits von neuen Wettkampfformaten: Ballonwettrennen mit hohen Hindernissen, weil dadurch die Besonderheit dieser Sportart voll zum Tragen kommt.

Vorsicht vor Hochspannungsleitungen

Doch die Zunft der Himmelstürmer warnt: Bei den ersten Sprungversuchen empfiehlt sich eine Leine um die Hüfte des Piloten, dessen anderes Ende eine Person am Boden hält, um zu verhindern, dass der Aeronaut durch einen zu starken Windstoß zum Schwanz eines außer Kontrolle geratenen Drachens wird.
Deshalb das Wichtigste: Das Körpergewicht muss immer größer sein als die Auftriebskraft des Ballons, damit man nicht ganz einfach in die Stratosphäre entschwindet oder schwere Unfälle passieren wie der des britischen Fallschirmspringers Brainy Dobbs. Einer seiner Ballonsprünge brachte ihn gefährlich nah an ein Hochspannungskabel. Als er sich mit den Füßen darin verhedderte, griff er beherzt in eines der Stromkabel, wurde in einem Funkenhagel zu Boden geschleudert und war auf der Stelle tot.
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