Verfolgung von Erdogan-Gegnern in Deutschland

Türkische Imame als Spione

Blick auf die Zentrale der Ditib (Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion) in Köln
Blick auf die DITIB-Zentrale in Köln © dpa / Rolf Vennenbernd
Von Kemal Hür · 12.12.2016
Im Sommer wurde bekannt, dass der türkische Geheimdienstes MIT in Deutschland spioniert: Türkische Behörden hatten ihre Landsleute aufgefordert, Erdogan-Gegner zu melden. Nun wird klar, dass sich auch Prediger des islamischen Dachverbandes DITIB in großem Stil als Spione betätigt haben – auf Anweisung des türkischen Religionspräsidiums.
Die regierungskritische türkische Tageszeitung Cumhuriyet dürfte in diesen Tagen wieder Probleme mit der Regierung bekommen. Sie veröffentlicht Listen von mutmaßlichen Gegnern des türkischen Staatspräsidenten Erdogan - angefertigt auch von Predigern des größten islamischen Dachverbandes in Deutschland, DITIB.
Darin geben die Imame Auskunft über Personen, die angeblich dem Netzwerk des Predigers Fethullah Gülen angehören. Erdogan macht Gülen für den Putschversuch Mitte Juli verantwortlich. Der Vorsitzende der Kurdischen Gemeinde, Ali Ertan Toprak, kritisiert die DITIB seit der Gründung der Deutschen Islamkonferenz vor zehn Jahren als deutschen Ableger des türkischen Religionspräsidiums.

Das Präsidium forderte "ausführliche Berichte"

"Die Imame, die in Deutschland in den DITIB-Moscheen eingesetzt werden, sind türkische Beamte. Und sie werden auch eingesetzt, um die muslimische Gemeinde, die sie betreuen, zu kontrollieren und alle kritischen Stimmen dem Staat zu melden. Und das sind Stasi-Methoden. Das darf es in Deutschland nicht geben."
Die Prediger der DITIB spionierten auf eine schriftliche Anweisung des türkischen Religionspräsidiums. In dem Schreiben, das uns vorliegt, fordert der für Auslandsangelegenheiten zuständige Vizevorsitzende des Präsidiums "ausführliche Berichte" über alle Tätigkeiten, Einrichtungen und das Personal der Gülen-Organisation. Das Papier ist adressiert an alle Auslandsvertretungen der Türkei. Im Ergebnis entstehen 50 Berichte aus 38 Ländern, die einer Kommission des türkischen Parlamentes vorgelegt wurden.
Bereits im Sommer dieses Jahres war bekannt geworden, dass der türkische Geheimdienst MIT in Deutschland 6000 Informanten beschäftige. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele, Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium, das die deutschen Nachrichtendienste überwacht, fordert die Bundesregierung und die Sicherheitsbehörden auf, die bespitzelten Bürger zu beschützen.

Die Denunzierungen sind schwere Straftaten

Solche Denunzierungen wie die durch die DITIB-Imame seien schwere Straftaten, sagt Ströbele.
"Das ist im Paragraf 99 unseres Strafgesetzbuches mit erheblichen Strafen bewährt. Da reicht schon, dass man sich bereit erklärt, etwa einem fremden Geheimdienst, insbesondere hier dem türkischen Geheimdienst, Informationen zu beschaffen und zu liefern."
Ob die deutschen Dienste die Spionagetätigkeit von DITIB-Imamen bestätigen können, könne er nicht sagen. Diese Informationen seien streng geheim, sagt Ströbele.
"Aber dass zu befürchten ist, dass der türkische Geheimdienst hier Tätigkeiten entwickelt, das ist ganz offensichtlich der Fall."
Unter den 50 Listen finden sich übrigens Berichte der türkischen Generalkonsulate Köln und Düsseldorf. Berichterstatter sind Imame der DITIB-Moscheen, die ihre eigenen Namen genauso vollständig nennen wie die Namen der Personen und Vereine, die sie denunzieren.
Ein Muslim betet am 26.05.2015 im Gebetsraum der DiTiB-Moschee in Stuttgart 
Betender Muslim in der DITIB-Moschee in Stuttgart© dpa / picture alliance / Daniel Naupold
Einige Imame arbeiten auch in München. Die DITIB-Zentrale teilt in einer kurzen Presserklärung mit, weder der Bundesverband, noch seine Landesverbände hätten eine Anweisung des türkischen Religionspräsidiums erhalten. Auch seien keine Berichte verfasst und weitergegeben worden.
Ali Ertan Toprak hält die DITIB, die laut einem Gutachten des Bundestages vom türkischen Religionspräsidium kontrolliert wird, für unglaubwürdig und fordert Konsequenzen.
"Ich weiß nicht, was noch passieren muss, damit unser Bundesinnenminister und unsere Bundesregierung reagieren. Der DITIB muss man endlich die Rote Karte zeigen. Es kann nicht sein, dass wir die Zukunft der deutschen Muslime, der deutschen muslimischen Kinder in die Hände dieser Organisation legen, weil DITIB in verschiedenen Bundesländern auch mitverantwortlich ist für den islamischen Religionsunterricht. Das ist in meinen Augen skandalös."
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