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Film der Woche: "Sicario 2"
Der Drogenkrieg als Apokalypse

Der italienische Regisseur Stefano Sollima hat die Fortsetzung des Drogenthriller "Sicario" gedreht. Auch in "Sicario 2" - wieder mit Benicio del Toro als Auftragskiller und Josh Brolin als CIA-Agenten – geht es um den gnadenlosen Drogenkrieg an der Grenze zwischen den USA und Mexiko.

Von Hartwig Tegeler | 16.07.2018
    Benicio Del Toro and Josh Brolin star in SICARIO 2: SOLDADO. (2018) Columbia Pictures Los Angeles CA PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY Copyright: xRichardxForeman,xJr.xSMPSPx 33554_001THA
    Benicio Del Toro und Josh Brolin in der verstörenden mythischen Erzählung über das Böse in der Welt (imago stock&people)
    Wenn die Welt aus den Fugen gerät, wenn Menschenschmuggel und Terrorismus Alltag sind in der globalen Welt, wenn die Schmugglerrouten der mexikanischen Kartelle auch zu Schleichpfaden für islamische Terroristen werden, die auf dem Weg in die USA gelangen, wenn sich am Anfang von Stefano Sollimas "Sicario 2" Selbstmordattentäter in einem US-Supermarkt in die Luft sprengen, dann ist damit der Grundton gesetzt, auch auf der akustischen Ebene mit dem düsteren Soundtrack von Hildur Guðnadóttir. Wenn dem also so ist, dann gilt es zurückzuschlagen im Drogenkrieg. Meint der US-Innenminister – Matthew Modine – zum CIA-Paramilitär Graver – Josh Brolin:
    Graver: "Sie wollen das echt durchziehen? Das wird dann aber unschön."
    Minister: Wollten wir es schön, wären Sie nicht hier."
    Ein Kind im Zentrum der Macht
    Deswegen holt Graver Alejandro aus der Versenkung.
    "Keine Regeln diesmal. Du hast freie Hand."
    ... den Sicario, den Auftragskiller – gespielt von Benicio del Toro. Effektivster, weil tödlichster Mitarbeiter bei den geheimen Operationen im undurchschaubaren Konflikt zwischen den USA, Mexiko, den Drogenkartellen und ihren Leuten in Polizei und Justiz.
    "Du hilfst uns, einen Krieg anzufangen. Gegen wen? - Gegen alle."
    Garver und Alejandro entführen die Tochter eines Kartellbosse, um einen Krieg zwischen den Marktkonkurrenten auszulösen. Was zum Desaster gerät, weil die Politik auf einmal andere Ziele verfolgt und möchte, dass die Spuren verwischt werden. Dabei sind die Bilder dieses Drogenthrillers gefüttert mit Bildern der gesellschaftlichen Realität: der Anschlag im Supermarkt; die Grenze zwischen Mexiko und den USA; teilweise schon mit der Mauer; Migranten, die sich in Mexiko aufmachen in den gelobten Norden, die USA. Diese Sättigung des Genrefilms mit Realitätsgehalt: Dafür steht Drehbuchautor Taylor Sheridan, der schon den ersten "Sicario"-Teil geschrieben hat. Dafür steht auch "Sicario 2"-Regisseur Stefano Sollima, der mit der Serie "Gomorrah" und seinem Film "Suburra" europäische Erzählungen über das organisierte Verbrechen drehte. Und sich dort wie jetzt in "Sicario 2" in die Tradition des fatalistischen Blicks der Mafia-Filme von Damiano Damiani, Franceso Rosi oder Henri Verneuil stellte.
    "Viel Glück! Jenseits der Grenze gibt es kein Glück"
    Maschinen eines politischen Plans
    Im Gegensatz zu Denis Villeneuve verzichtet Stefano Sollima nämlich auf ein moralisches Zentrum, das im ersten Teil noch von der jungen FBI-Agentin gebildet wurde. Der CIA-Agent und der Auftragskiller sind jetzt nur noch Maschinen eines politischen Plans, der sich "Terrorismusbekämpfung" nennt, am Ende aber als Luftblase erweist. Werte, Humanität spielen keine Rolle mehr, sagt uns Sollima. Schließlich steht Auftragskiller Alejandro vor dem jungen Mann, der Karriere bei den Kartellen machte, weil er dem Auftragskiller, dem Sicario ins Gesicht schoss. Alejandro überlebte und fragt nun: "Du willst Auftragskiller werden?" Es geht immer weiter. Stefano Sollima hat uns mit "Sicario 2" in die Hölle von Dantes "Göttlicher Komödie" geführt, an deren Tor der Satz prangte: "Ihr, die ihr hier eintretet, lasst alle Hoffnung fahren." Alejandro ist am Ende ein schwarzer Engel und "Sicario 2" eine verstörende mythische Erzählung über das Böse in der Welt.