Vereinfachung und Illustration

25.04.2013
Vom antiken Mythos bis zum Barock-Roman - Brockhaus presst jetzt die Klassiker ins Comic-Format. Der Verlag hat gerade eine Reihe gestartet, die Weltliteratur in Bildern anbietet - leider ist die Umsetzung etwas klischeehaft und bietet daher nicht mehr als einen Einstieg in die Originale.
Das Konzept und die Titel der neuen Brockhaus-Reihe wurden aus Frankreich importiert: Weil Jugendliche nicht mehr so viel lesen wie früher, wolle man "ihnen die großen Stoffe der Literatur auf den Wegen zugänglich machen, die sie mögen und akzeptieren", erläutert der Verlag. Kinder sollen über die Brücke des Comics an Klassiker herangeführt werden.

In diesem März sind "Die Geschichten aus 1001 Nacht" und Jules Vernes "Reise zum Mittelpunkt der Erde" erschienen. 2012 kamen unter anderem "Madama Bovary", "Die Odyssee", "Don Quijote", "Die Schatzinsel" und "Quo vadis" heraus. Vom antiken Mythos über den Barock-Roman bis zum 19. Jahrhundert - alles ist möglich.

Darf, kann man die Kunst des Comics nutzen, um Kindern berühmte Werke der Weltliteratur schmackhaft zu machen? Man darf sicher, denn Kunst darf alles, außer schlecht sein. Art Spiegelman und viele andere haben bewiesen, dass es keine Grenzen der Comic-Kunst gibt, die Form der Graphic Novel zum Beispiel macht weder vor dem Konzentrationslager noch vor den Texten von Franz Kafka oder Thomas Bernhard Halt. Die Frage ist nur, ob man auch kann. Ob ein Weg der Gestaltung gefunden wird, der den zusammen gestrichenen Originaltexten irgendwie qualitativ adäquat ist. Und zweitens, ob Kindern die klassische Romanwelt überhaupt näher gebracht wird.

Was die Gestaltung der neuen Brockhaus-Reihe betrifft, so bekommt man schnell den Eindruck, dass hier die inzwischen auch von Kunst-Kennern anerkannte Comic-Kunst dem pädagogisch-guten Zweck absolut untergeordnet ist. Denn zum einen gehören die Zeichner nicht zu den bekannten Vertretern ihres Fachs, außerdem werden sie auf dem Umschlag gar nicht erwähnt.

Ein Blick auf die konventionellen Illustrationen mit sehr typisierten Protagonisten, 08/15-Layout und ohne erkennbare Innovationen bestätigt diesen Eindruck. Es geht dem Verlag also nicht um die Übertragung eines bekannten Stoffes in ein neues Medium und eine andere künstlerische Dimension, sondern allein um seine Vereinfachung und Illustration. Da wurde eine große Chance verpasst!

Eine kurze Stichprobe bei verschiedenen Texten macht schnell deutlich, dass abenteuerlastige Texte ("1001 Nacht", "Odyssee", die Romane von Jules Verne) sich weitaus leichter bebildern lassen. Hier können die Illustratoren bunt, schwung- und effektvoll auf die Pauke hauen. Mit einer "Madame Bovary" und ihrem komplizierten Innenleben muss das weitaus schwieriger sein - und kommt leider entsprechend klischeehaft daher.

Bleibt die Frage, ob diese Comic-Klassiker trotzdem ihr Publikum erreichen - und vor allem ihr Ziel, die Neugierde auf die klassischen Originale zu wecken. Das ist schwer zu beurteilen und bedarf langfristiger Beobachtung. So ganz mag man dem Verlag diese Absicht aber gar nicht abnehmen, werden doch auch die Autoren der Originaltexte auf dem Umschlag nicht erwähnt. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt und unterstellt, man sei zufrieden, wenn die Literaturcomics verkauft werden. Die zu fördernden Originaltexte erscheinen ja in anderen Verlagshäusern!

Besprochen von Sylvia Schwab

Brockhaus Literaturcomics: Die Geschichten aus 1001 Nacht und Reise zum Mittelpunkt der Erde, Weltliteratur im Comic-Format
Brockhaus Verlag, München/Gütersloh 2012/2013
Jeweils 58 Seiten, 12,95 Euro, ab 10 Jahren