Verdis "Simon Boccanegra" in Zürich

Liebe, Macht, Gewaltexzesse

07:43 Minuten
Ein Mann liegt auf dem Boden und wird von einem Mob bedrängt. Er richtet einen Revolver auf die Menge. Ein anderer Mann steht abseits und beobachtet das Geschehen.
Trotz gelegentlichem Tumult auf der Bühne: Die Figurenführung sorge eher für Lähmungserscheinungen, sagt unser Kritiker. © Monika Rittershaus
Jörn Florian Fuchs im Gespräch mit Eckhard Roelcke · 06.12.2020
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"Simon Boccanegra" ist Verdis vielleicht düsterstes Werk. Trotz positiver Ansätze in Inszenierung und Bühnenbild ermüdet die aktuelle Zürcher Aufführung rasch. Das Orchester spielte live per Schalte.
Die Handlung spielt im 14. Jahrhundert, ein Doge kämpft um Macht(erhalt), doch sein Widersacher triumphiert, weil der Herrscher am Ende freiwillig abdankt. Das tut der Doge Boccanegra vor allem, weil sich drei Akte lang ein kompliziertes Familiendrama abspielt, das ihn in tiefste Verzweiflung stürzt.

Wirklich aktuell wirkt wenig

Verdi schrieb mit "Simon Boccanegra" sein vielleicht düsterstes Werk und diese Stimmung, diese Grundfarbe ("tinta") vermitteln in Zürich Regisseur Andreas Homoki und sein Bühnenbildner Christian Schmidt schon gut. Das Personal schleicht, irrt, schlendert durch diverse, einander sehr ähnliche Räume, die Drehbühne ist im Dauereinsatz. Diese verschachtelte Architektur korrespondiert in gewisser Weise durchaus mit den Verwicklungen des Stücks.
Doch leider ermüdet das ewige, gleichsam gebückte Umherwandern der Figuren rasch. Die erstaunlich konventionelle Personenführung sorgt zudem für Lähmungserscheinungen. Wirklich aktuell wirkt hier wenig - und man muss sich schon fragen, warum die Oper Zürich in der derzeitigen Krise - die auch eine der Kulturinstitutionen ist - gerade dieses Stück auf diese Weise 50 Zuschauern im Saal sowie einem weltweiten Publikum via Arte anbietet.
Guiseppe Verdis „Simon Boccanegra“ inszeniert von Andreas Homoki am Opernhaus Zürich.
Guiseppe Verdis „Simon Boccanegra“ inszeniert von Andreas Homoki am Opernhaus Zürich.© Monika Rittershaus
Christian Gerhaher gibt sein Rollendebüt als Boccanegra und singt oft wunderbar lyrisch, herzergreifend melancholisch. Er wirkt jedoch bisweilen etwas gebremst, auch und vor allem szenisch. Christof Fischesser gibt seinen Widersacher Fiesco mit fiesem, brachialen Timbre, Jennifer Rowley bewältigt die einzige Frauenpartie (Amelia Grimaldi) technisch brillant. Ihre gewaltige, sehr metallige Stimme geht indes arg an die Hörnerven.
Fabio Luisi dirigiert das Philharmonia Orchester sowie die Chöre mit starkem Druck, die Klangkörper werden trotz der wenigen Zuhörerinnen und Zuhörer aus einem Saal nahe der Oper live zugespielt. Diese Zürcher Spezialität wurde eigentlich entwickelt, damit man vor fast vollem Haus spielen kann!

Guiseppe Verdis "Simon Boccanegra" in der Inszenierung von Andreas Homoki steht in der Arte-Mediathek als Video-On-Demand zur Verfügung.

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