Verboten, aber nicht verschwunden

Von Michael Weisfeld · 21.10.2013
Schutzgeld, Drogen, Menschenhandel - den Hamburger Hells Angels wurden schwere Straftaten zur Last gelegt. So schwer, dass der damalige Bundesinnenminister die Rockergruppe am 21. Oktober 1983 verboten hat. Doch Ende der 90er erlebte sie ein Comeback.
"In einer Aktion, die gestern Abend begann, kurz nach 20 Uhr, sind 24 Personen verhaftet worden von der Gruppe Hells Angels, es sind 80 Lokale, Bordelle und Wohnungen in Hamburg und in anderen Bundesländern durchsucht worden, (…) dieser Aktion vorausgegangen sind lange Ermittlungen, die sich über 16 Monate erstreckten", " sagte der Hamburger Innensenator Alfons Pawelzcyk im August 1983.

Die Polizei hatte das Vereinslokal der Rocker an der Sternschanze während einer Vorstandssitzung gestürmt und 24 Männer festgenommen. Den Hamburger Hells Angels wurden schwere Straftaten zur Last gelegt: Drogenhandel, Menschenhandel, Schutzgelderpressung. Gut zwei Monate später, am 21. Oktober 1983, sprach der Bundesinnenminister das Verbot der Hamburger Hells Angels aus.

Von Weltkriegsveteranen gegründet
Veteranen des Zweiten Weltkriegs hatten die Hells Angels 1948 in Kalifornien gegründet. In Hamburg entstand die erste Ortsgruppe in Deutschland. Nach dem Verbot vor 30 Jahren wurde es zunächst still um die Rocker, erst Ende der Neunziger Jahre erlebten sie einen neuen Aufschwung. Damals versuchten kriminelle Banden aus Osteuropa in Deutschland Fuß zu fassen. Heike Rudat vom Landeskriminalamt Berlin:

" "Wir haben durchaus das Phänomen, dass Zuhälter oder andere Kriminelle in den Rockerorganisationen Unterschlupf finden oder bewusst Unterschlupf suchen."

Ausländische Banden wollten bei Prostitution und Drogenhandel mitverdienen, Kleinkriminelle und Zuhälter stellten sich unter den Schutz der Hells Angels.

"Die Hells Angels sind traditionell deutsch, mit deutschen Mitgliedern besetzt. Dann haben sie sich lieber das ausgesucht und haben gesagt: Okay, dann bleiben wir im deutschen Bereich und schlüpfen unter das Dach der Hells Angels."

Hannover wurde nach Hamburg neues Zentrum
So vervielfachte sich um die Jahrtausendwende die Anzahl der organisierten Rocker. Nicht mehr Hamburg, sondern Hannover war nun ihr neues Zentrum. Im Rotlichtviertel der Stadt hatte es bis dahin blutige Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Zuhältergruppen gegeben. Jetzt beanspruchten die Hells Angels die Kontrolle über Diskotheken und Bordelle für sich allein und setzten sich durch.

Sie gründeten eine eigene Sicherheitsfirma, als deren Angestellte sie durch die Straßen patrouillierten. All das geschah mit der Billigung von Behörden und Politikern und unter dem Jubel der Lokalpresse. Es war eine goldene Zeit für die Hells Angels.

Heike Rudat vom Berliner Landeskriminalamt im Jahr 2010:

"Sie wachsen in legale Bereiche rein, und die Krönung ist dessen, wenn sich Politiker auf Parties, auf Empfängen inzwischen zeigen mit den Köpfen dieser Herren, wenn die Sensibilisierung der Politiker fehlt, Geschenke von diesen Leuten anzunehmen, sich zu Veranstaltungen von diesen Leuten einladen zu lassen, genau das wollen sie."

Bandidos vs Hells Angels
Aber auch andere Rockergruppen wie die Bandidos oder der Gremium Motorradclub wollten mit Gewalt großes Geld machen. Es gab viele Verletzte und Tote, das Image der Rocker bei Politikern, Journalisten und Bürgern verdüsterte sich. Die Polizei rechnete die Hells Angels bald der Organisierten Kriminalität zu, leitete Ermittlungen ein und machte Razzien. Rechtsanwalt Thomas Lasthaus, der sich als Bürger gegen die Hells Angels in Niedersachsen engagiert.

"Ich habe schon den Eindruck, dass seit Anfang des Jahres 2012 die gesamte Ausrichtung in der Politik aber auch in der Polizeitaktik gegenüber Hells Angels bundesweit eine andere geworden ist. Man hat deutlich stärker den Hells Angels auf die Finger geguckt und ist deutlich stärker auch in deren Sphären eingebrochen."

Umzug in andere Städte und ins Ausland
In Kiel, Köln, Pforzheim, Berlin und anderen Städten wurden Ortsvereine der Hells Angels verboten. In Hannover lösten sie im Sommer 2012 ihre Gruppe selbst auf, um einem Verbot zuvor zu kommen. Verschwunden sind sie jedoch nicht. Sie haben sich in kleinere Städte zurückgezogen, um dort ihre Strukturen auszubauen, beobachtet das Landeskriminalamt Niedersachsen.

Frank Hanebuth, früher "Präsident" der Hells Angels in Hannover, ist sogar bis nach Mallorca ausgewichen. Um sich zu erholen, sagt sein Anwalt. Doch die spanische Justiz nahm Hanebuth im Juli dieses Jahres in Untersuchungshaft. Die Vorwürfe: Erpressung, Betrug, Zuhälterei und Geldwäsche.

Rund 1200 Mitglieder hatten die Hells Angels Ende 2011 in Deutschland, sagt das Bundeskriminalamt. Verbote werden die Rocker nicht zum Verschwinden bringen, da sind sich die Sachverständigen einig.

Doch das demonstrative, einschüchternde Auftreten in Lederjacken mit fliegendem Totenkopf als Emblem ist den Rockern nicht mehr möglich, ebenso wenig wie ihre "Ausfahrten" in langen Kolonnen schwerer Motorräder. Das gilt allerdings nur für Städte wie Hamburg, in denen die Hells Angels verboten sind.