Venezuela vor der Präsidentschaftswahl

30 Liter Sprit für einen Viertel Cent

Eine Frau trägt in Caracas in Venezuela einen Kanister auf einem alten Einkaufskarren.
Eine Frau trägt in Caracas in Venezuela einen Kanister auf einem alten Einkaufskarren. Sie sucht eine Wasserquelle. © dpa picture alliance / Manu Quintero
Von Burkhard Birke · 16.05.2018
Venezuelas Präsident Nicolás Maduro kämpft um seine Macht: Zu den vorgezogenen Präsidentschaftswahlen wurden wichtige Konkurrenten nicht zugelassen. Gut 70 Prozent der hungernden Bevölkerung erhalten Lebensmittel günstiger. Reicht das?
Benzin verkaufen sei ein gutes Geschäft, sechs Bolivar kostet der Liter -Tankwart Jose in seiner roten Uniform kann sich ein breites Grinsen nicht verkneifen. Für 179 Bolivar füllen wir den Tank: Fast 30 Liter für umgerechnet ein Viertel Eurocent zum offiziellen Kurs. Nein - das ist kein Witz. Benzin ist das einzig billige in Venezuela in diesen Tag. Der Sprit wird quasi verschenkt: Ein Sandwich oder eine Packung Kekse kosten 1,3 Millionen Bolivar und damit fast die Hälfte des Mindestlohns. Besonders hart trifft es die Alten.
"Die Rente reicht gerade Mal für zwei Tage", sagt José Manuel. "Wenn Du Medikamente, Antibiotika kaufen musst, ist die Rente weg, denn die billigsten Antibiotika kosten vier Millionen Bolivar, wenn Du überhaupt welche findest. Eine Packung mit zwölf Eiern kostet 1,2 Millionen - was Du an Rente kriegst ist erbärmlich."

2018 soll die Inflation bei 15 000 Prozent liegen

Vier Fünftel der Venezolaner hungern. Selbst in einstigen Mittelklassewohngegenden durchwühlen Menschen den Müll nach Essbarem. Bis zu neun Kilo Gewicht habe der Venezolaner letztes Jahr im Schnitt verloren, behaupten Ärzte.
"Der Währungsfonds rechnet für 2018 mit einer Inflation von 15 000 Prozent. Es gibt aber Ökonomen, die rechnen mit 26 000 bis 30 000 Prozent, einige sogar mit 80 000 Prozent. Die Zahl ist schwer zu prognostizieren, aber zum ersten Mal erlebt Venezuela eine Hyperinflation."
Für den Sozialwissenschaftler Trino Marquez vom Thinktank Cedice sind die Probleme hausgemacht: Preis-, Produktions- und Devisenkontrolle, Misswirtschaft in den verstaatlichten Betrieben, allen voran beim Ölkonzern PDVSA, dessen Produktion sich mehr als halbiert hat in den letzten Jahren. Die Regierung indes sieht sich als Opfer eines Wirtschaftskrieges der USA und Unternehmer im Land.
Präsident Maduro will diesen Krieg gewinnen, kündigte er im Wahlkampf an. Wie? Nachdem Kellogs Venezuela verlassen hat, hat er gestern erklärt, die Fabrik einfach zu verstaatlichen.

Will Maduro länger als weitere sechs Jahre im Amt bleiben?

Die Ärmsten der Armen und die Regimetreuen rettet der Verkauf subventionierter Lebensmittel, die sogenannten CLAP Tüten. Für Vicente Leon vom Meinungsforschungsinstitut Datanalisis steckt dahinter System, vor allem kurz vor dem Urnengang.
Der Staat behält durch die Verteilung subventionierter Grundbedarfsgüter die soziale Kontrolle über die ärmsten Bevölkerungsschichten. 70 bis 73 Prozent der Gesamtbevölkerung bekommen in diesem Monat solche Vergünstigungen.
Der Oppositionskandidat Henri Falcon beantwortet Fragen der Presse bei einem Wahlkampfauftritt.
Henri Falcon will der Opposition bei den vorgezogenen Präsidentschaftswahlen in Venezuela zumindest eine Stimme geben. Eine Chance hat er vermutlich nicht.© dpa picture alliance / Rayner Peña
Ungewöhnlich viele. Präsident Nicolas Maduro, dessen Amtszeit Ende des Jahres erst ausläuft, hat die Wahl kurzerhand vorgezogen. Das Schicksal Venezuela für die nächsten 30 Jahre entscheide sich am 20. Mai, behauptet er. Plant Maduro mehr als eine Verlängerung der sechsjährigen Amtszeit!?
Wichtige Kontrahenten und Parteien wurden nicht zugelassen. Weite Teile der Opposition rufen zum Boykott auf. Ernst zu nehmen sind, wenn überhaupt, nur der Evangelikale Prediger Javier Bertucci und der frühere Sozialist und Gouverneur des Staates Lara, Henry Falcon.
"Ich bitte Euch nur, mir diesen einen Tag zu schenken", wirbt Henry Falcon um Wahlbeteiligung und Wählerstimmen. Der 46-Jährige will mit der Einführung des Dollar die Hyperinflation stoppen. Dafür bräuchte er aber eine hohe Wahlbeteiligung. Eine Frau auf der Straße sagt: "Ich werde wählen gehen, um diesen Alptraum zu beenden, es gibt nichts zu essen, nichts zu tun."
Mehr zum Thema