Venezolanischer Musiker OneChot

Mit Musik gegen Gewalt

Von Burkhard Birke · 11.07.2018
Der Name OneChot, den sich der venezolanische Musiker für sein erstes Soloprojekt gab, wurde schicksalsträchtig. Er wurde angeschossen. Statt eines Protestalbums gegen die Zustände in seiner Heimat setzt er thematisch einen ganz anderen Akzent.
OneChot: "Hier als Musiker zu überleben, ist schwer, ist extrem teuer. Man muss sich ständig neu erfinden. Wenn Du Musik liebst und davon leben willst, darfst Du aber nichts anderes tun."
Wegen seines Erfolgs ist OneChot privilegiert. Viele seiner Band- und Musikerkollegen in Venezuela mussten das Land verlassen: Wenn für eine Packung Mehl ein halber Monatsmindestlohn draufgeht, gibt es auch kein Geld mehr für Konzerte. Und davon leben Musiker in erster Linie. OneChot stellt seine Musik sogar gratis ins Netz, lebt von freiwilligen Beiträgen und Ersparnissen.
"Die Situation wird sich verbessern. Ich verliere nie den Glauben daran. Deshalb bleibe ich hier. Ich könnte überall auf der Welt leben, aber ich spüre, dass es meine Aufgabe ist, an den Veränderungen und der Erholung Venezuelas mitzuarbeiten. Wenn ich weggehe – kann ich das nicht."

Seine Musik: Reggae und Dance Hall

Mit zehn Jahren hat Juan David Chacón - wie OneChot mit bürgerlichem Namen heißt - die Musik für sich entdeckt, angefangen Gitarre zu lernen. Den Kontakt zu seinem ersten Musiklehrer und großen Mentor Gerry Weil hat er nie abbrechen lassen. Als der Sänger seiner ersten, einer Heavy Metall Band, ausfiel, sprang Juan David ein. Seither singt er – auch und vor allem Reggae und Dance Hall. Seit einer ersten Reise 1996 nach Jamaika ließ ihn die Insel nie mehr los. Zuerst mit Negus Nagast und später mit der Band Papashanty huldigte er musikalisch Jamaika, vor allem dem Dancehall. Es war wie eine Wiedergeburt, sagt der heute 40-Jährige mit den geflochtenen Rasterlocken und dem Stirnband.
"Ich wollte die Realität Jamaikas auf Venezuela übertragen. Die Menschen auf Jamaika leben mit sehr wenig und sind glücklich. Es gibt zwar Armut, aber kein Elend wie hier in Venezuela."
Das Elend in Venezuela wächst von Tag zu Tag ebenso wie die Gewalt – und zwar schon seit Jahren.

Die Abgründe seiner Heimatstadt

"Rotten Town": Die scheußlichen Seiten seiner Heimatstadt Caracas besang OneChot in diesem auch als Videoclip produzierten Song, bei dem ein kleiner Junge von einer verirrten Kugel erschossen wird. Kurz darauf – am 28. Februar 2012 – wird OneChot selbst von einer Kugel am Kopf getroffen.
"Die Ärzte sagten meiner Mutter, ich würde nie wieder singen oder sprechen können, dass ich Behinderungen behalten würde. Die Rehabilitation war hart und intensiv, aber nach zwei Monaten habe ich schon wieder vor Publikum gesungen: 'Rotten Town'."

"Der Schlüssel ist zu verzeihen"

OneChot – der Name, den sich der Sänger für sein erstes Soloprojekt 2008 gegeben hatte – wurde auf bizarre Art schicksalsträchtig – auch wenn Juan David OneChot mit Ch statt mit sh für den ersten Schuss schreibt. Meine zweite Wiedergeburt war es, sagt OneChot, der seither weder Gras noch Alkohol anrührt.
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