Velvet-Underground-Ausstellung in Paris

Der Sound der radikalen Freiheit

Ein Besucher betrachtet die Ausstellung "The Velvet Underground - New York Extravaganza" in der Philharmonie de Paris in Paris.
Blick in die Ausstellung "The Velvet Underground - New York Extravaganza" in der Philharmonie de Paris © picture-alliance / dpa / Ian Langsdon
Von Kathrin Hondl · 29.03.2016
Fotos, Filme, viel Musik: Ohne Nostalgie und Fankitsch können die Besucher von "New York Extravaganza" in die Welt von The Velvet Underground eintauchen. Die Pariser Ausstellung räumt auch auf mit dem Mythos, die New Yorker Band sei ein Projekt des Künstlers Andy Warhol gewesen.
Bevor in der Pariser Ausstellung "New York Extravaganza" irgendein Velvet Underground-Song zu hören ist, sorgt ein Dichter für die Hintergrundmusik: Allen Ginsbergs "America" – ein sarkastisches Monolog-Gedicht über amerikanische Lebenslügen in den Zeiten des Kalten Krieges.
Die Poesie der Beat Generation, sagt Kurator Christian Fevret, war der Boden, auf dem The Velvet Underground gedeihen konnte:
"Lou Reed sagte: Ohne Ginsberg ist es unmöglich, moderne Rockmusik zu schreiben."

Keine Schöpfung von Andy Warhol

Indem sie Allen Ginsberg als geistigen Vater von Lou Reed präsentiert, räumt die Pariser Ausstellung fast beiläufig auf mit einem weitverbreiteten Mythos: Der Idee nämlich, The Velvet Underground sei ein Projekt des umtriebigen Andy Warhol gewesen.
Christian Fevret: "Die Band existierte vor Warhol und sie existierte danach. Die Zusammenarbeit mit Warhol dauerte eineinhalb Jahre. Da stand Velvet Underground durch und mit ihm im Rampenlicht. Es war eine fruchtbare Zeit, die Band konnte in Ruhe Platten aufnehmen, proben und Konzerte geben. Aber Velvet Underground ist eben, anders als viele meinen, keine Schöpfung von Andy Warhol."
Entscheidend war vielmehr die Begegnung des 22-jährigen Singer-Songwriters Lou Reed und des klassisch ausgebildeten Avantgarde-Musikers John Cale 1965 in New York. In einem für die Ausstellung produzierten Dokumentarfilm erinnert sich John Cale an die Songs, die Lou Reed ihm damals vorspielte.
Mit Fotos, Filmen und natürlich viel Musik ermöglicht es die Ausstellung, einzutauchen in die New Yorker Welt von Velvet Underground. So gibt eine Vitrine Einblicke und Hörbeispiele in das Werk des Minimal Music und Fluxus-Künstlers La Monte Young, mit dem John Cale zusammen arbeitete.

Ein unverwechselbarer Sound

Experimentelle Avantgarde-Klänge, die zusammen mit Lou Reeds literarischer Rock'n'Roll-Stimme den unverwechselbaren Velvet Underground-Sound bildeten.
Ein eigener kleiner Filmraum ist Nico gewidmet, alias Christa Päffgen aus Köln. Die schöne Blonde, die unter anderem im Fellini-Film "La Dolce Vita" zu sehen war, war über Andy Warhol zu Velvet Underground gekommen.
"Das hab ich bei Lou Reed sofort empfunden. Das war so klar wie der helle Sonnenschein.
"Klar wie der helle Sonnenschein" wird in der Ausstellung auch die Rolle, die der Gebrauch von Drogen – besonders Heroin – bei der Entstehung des unverkennbaren Velvet Underground-Sounds spielte.
Die Pariser Ausstellungsmacher haben viele Dokumente zusammengetragen. Raritäten wie der erst 2006 entdeckte Film, den Andy Warhol bei einem Velvet Underground Konzert in Boston gedreht hatte. Oder Fotografien eines legendären Konzerts 1966 bei der New Yorker Gesellschaft für Psychiatrie. In der "Herald Tribune" war danach zu lesen: "Die Psychiater bekamen eine Elektroschock-Therapie, die sie so schnell nicht vergessen werden."

Einfluss auf Kunst, Popkultur und Politik

Doch es sind weniger die vielen Anekdoten, Dokumente und Geschichten, die diese Velvet Underground Ausstellung grandios machen. Den Ausstellungsmachern ist vielmehr das Kunststück geglückt, ohne Nostalgie und Fankitsch die Geschichte einer Band zu erzählen, die Kunst und Popkultur entscheidend prägte. Und die, so erinnert Kurator Christian Fevret, sogar politisch wirkte:
"Der Einfluss von Velvet Underground war in Europa, besonders in der ehemaligen Tschechoslowakei wichtig. Das war der Soundtrack der samtenen Revolution. Vaclav Havel brachte 1967-68 Velvet-Platten nach Prag, es war seine Musik, die später der Sound der samtenen Revolution wurde."
Und vielleicht ist es tatsächlich die in jeder Hinsicht radikale Freiheit von The Velvet Underground – ästhetisch, moralisch und eben auch politisch -, die diese Band heute noch so attraktiv macht. "Das Erbe von Velvet", schreibt der Sänger der Band The Strokes im Ausstellungskatalog, bedeute vor allem eins: "Sich selbst treu zu sein."

Die Ausstellung "The Velvet Underground – New York Extravaganza" ist vom 30. März bis zum 21. August 2016 in der Philharmonie de Paris zu sehen.