Vegane Burger

Erbsenfleisch macht noch keine Revolution

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"Jetzt noch fleischiger", steht auf Packungen mit Beyond Burger-Pattys von Beyond Meat in einem Supermarkt in den USA.
Veganes Fleischimitat: Die pflanzlichen Burger-Pattys der US-Firma Beyond Meat lösten hierzulande einen Kundenansturm aus. © picture alliance / AP Images / Steve Helber
Ein Standpunkt von Hilal Sezgin · 07.08.2019
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Pflanzliche Fleischimitate erleben aktuell einen Hype. Dass sie auch in normalen Supermärkten zu haben sind, sei nur ein kleiner Gewinn, sagt die Autorin und Veganerin Hilal Sezgin – angesichts 70 Milliarden weltweit geschlachteter Tiere pro Jahr.
Ein Bekannter hat mir einige der heiß begehrten Beyond Meat Hamburger-Pattys mitgebracht, und jetzt liegen sie da im Kühlschrank und warten darauf, dass ich mich traue. Ein wenig Mut braucht es schon, denn dieser Burger schmeckt angeblich fast genau wie Fleisch, also nach totem Tier, was ich seit Jahrzehnten nicht mehr in den Mund genommen habe.
Und auch äußerlich sind die runden Scheiben dem Original täuschend echt nachempfunden, mit schwarzen Streifen vom vorgeblichen Grillen und mit blutrotem Saft.
Aber keine Sorge, die Substanz ist tatsächlich Erbsenprotein, und für das "Blut" gab's Rote Bete. Jedenfalls wurden in Freilandtests schon beinharte Fleischesser getäuscht, die vor laufender Kamera schmatzend lobten, genau so müsse Fleisch schmecken.

Fleisch aus Erbsen, Blut aus Rote Bete

Als dieser aus den USA stammende Burger vor einigen Wochen erstmals bei einem deutschen Discounter verkauft wurde, gab es einen Riesen-Run auf die Kühltruhen, und schnell war das vegane Kunstfleisch ausverkauft. Mittlerweile ist das Unternehmen Beyond Meat an die Börse gegangen und hat den Startpreis der Aktie in nur zwei Monaten nahezu verachtfacht.
Der Umsatz hat sich im Vergleich zum Vorjahr fast verdreifacht: Das lässt vermuten, dass auch omnivore Menschen gelegentlich zu dieser Alternative greifen. Doch immer noch bekommt man als Veganer die Frage zu hören, warum wir denn so viel daran setzen würden, Essen zu erfinden, das möglichst nah an Fleisch herankommt? Nun, ganz ehrlich: Für uns selbst machen wir das gar nicht! Wir machen das für Euch, liebe Fleischis, beziehungsweise für diejenigen, die meinen, ohne Fleisch "könnten sie nicht leben"!
Es wurden auch, ungelogen, schon Fleischesser beobachtet, die vor einem wundervollen veganen Buffet standen, auf dem fleischfreie Würste angerichtet waren, und die einander zuraunten: "Eine Wurst ganz aus Erbsen – ich weiß nicht, ob ich mich das traue." - Also wenn ich überlege, wie viel Mut es wohl erfordert, eine Erbse zu essen, und wie viel Überwindung, in einen Kadaver zu beißen, stehe ich doch gar nicht so schlecht da mit meinem anfänglichen Zaudern.
Und ehrlich gesagt: Mein Zaudern hat sich gehalten. Diese Vorstellung, dass da Rote-Bete-Saft austritt. Ich werde die Burger im Kühlschrank den nächsten Gästen servieren.

Vegan ist nicht automatisch gesund

Falls es sich um Fleischesser handelt, werden sie vermutlich wissen wollen, ob das nun automatisch wahnsinnig gesund sei? Nein, da muss ich sie enttäuschen: Auch vegane Burger kommen nicht direkt au dem Gemüsebeet, sondern sind ein Mix aus pflanzlichen Proteinen, Ölen, Aromen und Gewürzen.
Also genau wie ein Fleischpatty kein Natur-Produkt, sondern vom Fließband. Immerhin sollen bei der Herstellung dieses Pattys 90 Prozent weniger Land verbraucht und weniger Treibhausgase verursacht werden. Gesund ist so ein Pflanzen-Burger also vor allem für die Umwelt – und halt für die Tiere.
Doch so erfreulich die Entwicklung ist, dass es Fleisch-Alternativen auch in regulären Supermärkten zu erwerben gibt – dies ist nur eine kleine gewonnene Schlacht in einem langen Krieg, in dem es um über 70 Milliarden Leben geht.

Tiere achten, nicht essen

So viele Tiere werden nämlich jedes Jahr weltweit geschlachtet. Und nicht mal die deutschen Tiere haben Ruhe, wenn in unserem Land mehr Pseudo-Fleisch aus Soja und Erbsen gegessen wird: Deutschland ist eine Exportnation, und das gilt nicht nur für Autos, sondern auch für Tiere: Hühnerküken werden von deutschen Brütereien um die halbe Welt geschickt; ausrangierte Milchkühe verlädt man in tagelang fahrende Transporter. Und die deutsche Schweinefleischindustrie zählt Exporte insbesondere nach China schon lange zu ihrem zweiten Standbein.
Was wir bräuchten, ist ein also ein Ende der Subventionen für Tierbetriebe, eine Verschärfung der Gesetze zur Tierhaltung und eine Schließung der Schlachthöfe.
Ohne das wird es uns nicht gelingen, um wirklich in einer Welt "jenseits von Fleisch" zu leben, also in einer Welt, in der der Mensch das Tier achtet, statt es zu verspeisen.

Hilal Sezgin, Schriftstellerin und Journalistin, studierte Philosophie in Frankfurt am Main und arbeitete danach mehrere Jahre in der Feuilletonredaktion der "Frankfurter Rundschau". Seit 2007 lebt sie als freie Schriftstellerin und Journalistin in der Lüneburger Heide, wo sie auch einen Gnadenhof für Schafe unterhält. In Buchform erschien von ihr zuletzt das Sachbuch "Nichtstun ist keine Lösung: Politische Verantwortung in Zeiten des Umbruchs", DuMont Buchverlag 2017.

Hilal Sezgin lächelt vor einer Bretterwand für ein Pressefoto.
© Barbara Fisahn
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