Van Gogh der organischen Moleküle

Von Konrad Lindner · 18.12.2011
Am Institut für Angewandte Photophysik in Dresden arbeiten Forscher an modernen Beleuchtungstechnologien mithilfe organischer Moleküle. Die Ergebnisse sollen in Handys und Fernsehern eingesetzt werden - und könnten die quecksilberhaltige Leuchtstoffröhre ersetzen.
Nicht nur motivierte Mitarbeiter gehören zum Institut für Angewandte Photophysik. Auf dem Flur steht auch ein Schrank aus der Kaiserzeit im Halbdunkel. Glaskolben mit Flüssigkeiten sind zu sehen, die kräftig in allen Regenbogenfarben leuchten. Karl Leo – Professor für Optoelektronik und Leiter des Instituts – wirkt vor dem historischen Glasschrank wie ein Alchemist aus dem Mittelalter.

"In diesem Schrank haben wir einfach für die Besucher ein paar Bauteile zu Leuchtdioden aufgebaut. Ein paar organische Leuchtdioden, wie sie bei uns hier in der Forschung gemacht werden. Ein blaues, oranges und rotes leuchtet hier auf. Dann ein kommerzielles Produkt von Osram. Eine weiße Leuchtdiode. Und hier sehen wir mal in Lösungsmitteln gelöst organische Farbstoffe. Die werden von einer nicht sichtbaren UV-Lampe von unten angeregt und zeigen diese schöne Farbvielfalt, die man erzielen kann."

Im traditionsreichen Institut in Dresden wird heute an modernsten Beleuchtungstechnologien gearbeitet. In den Glaskolben befinden sich organische Moleküle. Sie können auch als trockene und dünne Schicht aufgetragen werden und ein Handy-Display schmücken. OLED ist die Kurzbezeichnung für organische Leuchtdioden. Sie funkeln wie Glühwürmchen.

"Glühwürmchen leuchten mit der sogenannten Chemolumineszenz. Man kann auch chemische Reaktionen so gestalten, dass dabei Licht frei wird. Das heißt ein Glühwürmchen setzt chemische Energie um, um Licht zu emittieren. Das ist verwandt, aber nicht identisch mit dem, was wir tun. Denn wir setzen elektrische Energie um in der Elektrolumineszenz. Das ist das Grundprinzip einer Leuchtdiode. Aber die beiden Prozesse sind verwandt."

Bei den Leuchtdioden der OLED-Welt wird ein Halbleitermaterial, das aus organischen Substanzen besteht, durch ein elektrisches Feld zum Leuchten gebracht. Die Physikerin Christiane Falkenberg steht gerade vor dem OLED-Labor.

"Man sieht in diesem Labor auch eine große Vakuumkammer, an der viele, viele kleine Vakuumkammern dran sind. In diesen Kammern sind die organischen Materialien drin. Ganz verschiedene mit verschiedenen Eigenschaften, sodass wir rot, grün, blau, orange, gelb usw. alles machen können, was das Herz begehrt."

Unter Millionen und Abermillionen von Molekülen müssen die Spezialmoleküle herausgesucht werden, die den jeweils gewünschten Farbeffekt ergeben. Obwohl bereits Flächenleuchten aus organischen Molekülen auf den Markt gekommen sind, muss noch Grundlagenforschung geleistet werden, um die besten Farbmoleküle ausfindig zu machen. Karl Leo über die Anwendungsmöglichkeiten.

"Da gibt es natürlich viele Möglichkeiten, weil die organische Leuchtdiode eben eine Riesenfarbvielfalt abbilden kann. Zum einen kann man das direkt in einem Display umsetzen, wo ich alle Farben sehr schön darstellen kann und wirklich Displayqualitäten erhalte, die nach meiner Ansicht die besten Flachdisplays überhaupt sind. Aber es gibt auch viele, viele Anwendungen - wie im Messebau, in der effektvollen Beleuchtung von Gebäuden -, wo diese Eigenschaften genützt werden können. Da stehen wir allerdings mit der OLED ganz am Anfang, weil einfach die Preise der organischen Leuchtdiode noch deutlich zu hoch sind."

In Leuchtdioden erzeugen elektrische Felder Licht. In Solarzellen erzeugen Photonen elektrischen Strom. In beiden Fällen kommt es darauf an, dass Elektronen und Photonen in Beziehung treten. Im Institut für Angewandte Photophysik bilden die organischen Moleküle ein Sprungbrett in die Zukunft.

"Die beiden Anwendungen, die im Moment hervorstechen, sind natürlich die Leuchtdioden. Sie sind auch kommerziell beinahe erhältlich. Und die organischen Solarzellen. Aber ich glaube, dass man mit organischen Halbleitern noch viel mehr machen kann: Ganz neue Art von Elektronik. Flexibel. In Kleidungsstücken. Medizinische Anwendungen. Auf Pflastern und vielen Bereichen, an die man noch gar nicht denkt."

Die Photophysiker in Dresden sind dabei, energiesparende und umweltverträgliche Zukunftstechnologien zu entwickeln. Nicht nur die Energie fressende Glühlampe, sondern auch die quecksilberhaltige Leuchtstoffröhre betrachtet Karl Leo als Museumsstück.

"Ich bin davon überzeugt, dass wir mittel- bis längerfristig ausschließlich LED-Beleuchtung haben werden. Anorganische LEDs die Punktlichtquellen. Und organische LEDs für Flächenlichtquellen."

Synthetisch hergestellte organische Moleküle funkeln im Institut für Photophysik in einer Farbenpracht, die selbst Vincent van Gogh begeistern würde. Diese Moleküle werden in den kommenden Jahren den Alltag sicher mehr und mehr zum Leuchten bringen.