Usedomer Musikfestival

Heimatliebe

Kaiserbädersaal im Forum Usedom
Kaiserbädersaal im Forum Usedom © Maritim Usedom
14.10.2014
Ein Festkonzert zum Tag der Deutschen Einheit - mit Musik von drei polnischen und einem halbpolnischen Komponisten. Wo anders kann so etwas stattfinden als auf Usedom, der Insel am Stettiner Haff.
Polen - das ist der Länderschwerpunkt des Usedomer Musikfestivals 2014. Damit rennen die Organisatoren im Grenzland zwischen Vor- und Hinterpommern offene Türen ein. Dank der europäischen Einigung gibt es quasi keine Grenzen mehr. Kooperation und Austausch sind beiderseits der Oder inzwischen Alltag, vielleicht schon zu sehr Alltag. Denn in der Öffentlichkeit werden oft nur die negativen Seiten offener Grenzen ausgebreitet. Die vielen positiven Aspekte werden stillschweigend vorausgesetzt.
Um so wichtiger ist es, die kulturellen Leistungen Polens darzustellen und zum Tag der Deutschen Einheit damit auch den politischen und sozialen Vorkämpfern in unserem Nachbarland die Ehre zu erweisen. Ohne die Gewerkschaft Solidarnosc und des demokratischen Untergrunds zu Kriegsrechtszeiten wäre eine friedliche deutsche Einigung 1989 unmöglich gewesen.
Das Konzert beginnt mit der „Österreichischen Suite" von Sergej Bortkiewicz. Der Komponist wurde als Sohn polnischer Adliger in Charkiw in der heutigen Ukraine geboren. Nach der bolschewistischen Revolution ging er ins Exil nach Wien. Vorher hatte er schon in Leipzig und Berlin studiert. „Im Stephansdom – Spaziergang im Wienerwald – Wiener Walzer – Im Wurstelprater" sind die Abschnitte seiner Suite überschrieben, die man als Danksagung an sein Exilland hören kann.
Noch größeren Erfolg in seinem Gastland hatte Andrzej Panufnik, der vor einhundert Jahren in Warschau zur Welt kam. Er ging in den 50er Jahren nach England. Die Befreiung seiner Heimat konnte er noch miterleben, genauso wie den zunehmenden Ruhm seiner Musik in Polen, wo er zuvor "persona non grata" gewesen war.
Panufniks Violinkonzert entstand 1972 für Yehudi Menuhin. Damit wollte der Komponist den "spirituellen und poetischen Qualitäten" des Interpreten entsprechen. Im Kaiserbädersaal spielt der hoch gelobte polnische Geiger Piotr Pławner zusammen mit der Kammersymphonie Berlin dieses facettenreiche Stück. Einen weiteren.
Der Spezialist für vergessene und verfemte Musik, der Dirigent Jürgen Bruns, bereichert das Programm des Festkonzerts noch um ein Werk des schlesisch-polnischen Komponisten Michał Spisak. Auch er ging den Weg der meisten polnischen Komponisten seit Frédéric Chopin, nämlich ins Exil nach Paris. In seinem "Adagio und Allegro für Violine und Streichorchester" kehrt er 1954 zum Instrument seiner Jugend zurück, mit dem er anfangs Meriten gesammelt hatte.
Polnische Vorfahren hatte auch Dimitrij Szostakowicz (wie der berühmte Petersburger Komponist auf Polnisch geschrieben wird). Seine Kammersymphonie op. 110a ist die von Rudolf Barschai angefertigte Streichorchesterfassung des achten Streichquartetts. Schostakowitsch hat dieses Werk 1960 in Dresden komponiert, unter dem Eindruck der Kriegszerstörungen in der sächsischen Residenzstadt. Inzwischen ist diese Kammersymphonie zu einem emotional ergreifenden Gedenkstück par excellence geworden. Im Festkonzert zum Tag der Deutschen Einheit erinnert es daran, dass alles Feiern hierzulande nicht ohne mahnendes Erinnern auskommt.
Kaiserbädersaal, Seebad Heringsdorf
Aufzeichnung vom 03.10.2014
Sergej Bortkiewicz
Österreichische Suite op. 51
Andrzej Panufnik
Konzert für Violine und Streichorchester
Michał Spisak
Adagio und Allegro für Violine und Streichorchester
Dmitrij Schostakowitsch
Kammersymphonie für Streichorchester op. 110a
Piotr Pławner, Violine
Kammersymphonie Berlin
Leitung: Jürgen Bruns