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Christiane Vulpius
Vom armen Blumenmädchen zur Frau Minister

Erst war sie Johann Wolfgang von Goethes Geliebte, dann seine Ehefrau und Beraterin. Heute vor 250 Jahren wurde Christiane Vulpius in Weimar geboren. Die Freiheit, von der sie insgeheim träumte, konnte sie in ihrem Leben nur zum Teil verwirklichen.

Von Christoph Schmitz-Scholemann | 01.06.2015
    Christiane Vulpius, Frau von Johann Wolfgang Goethe, mit ihrem gemeinsamen Sohn August, zeitgenössisches Bildnis.
    Christiane Vulpius, Frau von Johann Wolfgang Goethe, mit ihrem gemeinsamen Sohn August, zeitgenössische Darstellung. (dpa/picture alliance)
    Bis heute ergreift das Leben der Christiane Vulpius unsere Herzen. Geboren am 1. Juni 1765 in Weimar, aufgewachsen als Tochter eines armen Kanzleikopisten, gut ausgebildet allenfalls in Kartoffelschälen und Wäschewaschen, war sie als junges Mädchen froh, in einer Werkstatt für Papierblumen ein paar Groschen zum Überleben ihrer Familie zu verdienen. Unsterblich aber wurde sie durch die stürmische Liebe zu einem komplizierten Dichter - Johann Wolfgang von Goethe. Und wie sah sie aus?
    Annette Seemann:
    "Sie war klein und ein bisschen pummelig, sie hatte aber sehr schöne schwarze Locken, dunkle Augen, einen südlichen Teint, und das war's wahrscheinlich auch, was Goethe sehr fasziniert hat, er kam ja grade aus Italien, als er sie kennenlernte."
    Die Weimarer Schriftstellerin Annette Seemann hat in vielen Büchern die Kulturgeschichte der Klassiker-Stadt erkundet. Es war an einem Sommertag im Jahre 1788, als die 23-jährige Christiane den damals schon europaweit berühmten, fast 17 Jahre älteren Dichter und Minister auf einem Spaziergang abfing - und es wurde, vermutlich im Park an der Ilm, zwischen Busch und Tal, eine Gefühlsexplosion für beide. In seinen Römischen Elegien schwärmte er:
    "Uns ergötzen die Freuden des echten nacketen Amors
    Und des geschaukelten Betts lieblicher knarrender Ton"
    Von wilder Ehe zur Dichter-Ehefrau
    Tatsächlich gibt es aus der fraglichen Zeit Rechnungen eines Weimarer Schlossers über Bettreparaturen in Goethes Haushalt. Die Hochgefühle hielten an. Das "kleine Naturwesen", wie Christiane sich selbst anfangs nannte, liebte den Dichter von Herzen und er sie gewiss nicht minder. Sie wurde schwanger, Goethe nahm sie zu sich, aber heiraten wollte er vorerst nicht.
    Annette Seemann:
    "Mit Goethe zusammen bildete sie so etwas wie eine mésalliance. Und das ist der Urgrund für Verwerfungen in der Beziehung zwischen Goethe und ihr, aber auch in der Beziehung Goethes zu der Stadt Weimar, die ja eine kleine, spießige Residenz war. Ob Frau von Herder, Frau von Schiller oder Bettine von Brentano - die gebildeten und vor allem eingebildeten Damen trugen die Nasen hoch im Paradies der Aufklärung. "Bettschatz" war noch ein freundlicher Ausdruck für Christiane, "Hure" und "Blutwurst" waren andere. Christiane trug es mit Fassung. Tatsächlich führten die Liebesleute in den ersten Jahren eine wahrhaft wilde Ehe, sie tanzlustig, trinkfreudig, fleißig und treu, er ein notorischer Schwerenöter, aber auch immer wieder verliebt in seine Christiane. Wenn er in Jena zum Dichten weilte, musste sie ihm nicht nur Briefe schicken, sondern auch selbstzubereitete Pasteten und einmal sogar ihre zertanzten Schuhe. Nach acht Jahren, immerhin, schrieb er ein Testament zu ihren Gunsten, und 1806 heiratete er sie. An der intellektuellen Entwicklung seiner Frau war Goethe allerdings wenig interessiert.
    Annette Seemann:
    "Das war nicht sein Programm. Ihm hat grade das Natürliche an Christiane gut gefallen, und sie sollte so bleiben, so natürlich, so ungezwungen wie er sie kennengelernt hatte. "
    Doch Christiane wurde im Laufe der Beziehung selbstbewusster, beriet ihren Mann in Fragen des Theaters, reiste allein, manchmal sogar mit Pistolen zur Selbstverteidigung, trat von Mal zu Mal diplomatischer auf. Goethe konnte dieser Wandlung seiner Frau nur wenig abgewinnen.
    Qualvoller Tod
    Annette Seemann:
    "Und am Schluss ist es ein Sich- Abschotten Goethes ... ja es gibt ja dann auch die Trennung des Arbeitsbereichs Goethes und Schlafzimmers Goethes, während am Anfang hatten sie natürlich ein gemeinsames Schlafzimmer."
    Fünf Kinder hat sie zur Welt gebracht, eines wurde tot geboren, drei starben in den ersten Lebenswochen. Am 6. Juni 1816 starb Christiane von Goethe an Nierenversagen, von schrecklichen Krämpfen gefoltert. Der einzig überlebende Sohn August kümmerte sich um das Begräbnis. Goethe nahm daran nicht teil. Er wurde krank, wie immer, wenn ihm etwas nahe ging. Wie tief ihn der Tod seiner Frau erschütterte, zeigt seine letzte Liebeserklärung. Er schrieb sie für ihren Grabstein:
    "Du versuchst, o Sonne, vergebens,
    Durch die düstren Wolken zu scheinen!
    Der ganze Gewinn meines Lebens
    Ist, ihren Verlust zu beweinen."