USA

Willkommen in Amerika

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Der Versammlungsraum der Sacred Heart-Kirche in der texanischen Grenzstadt McAllen © Axel Rahmlow
Von Axel Rahmlow  · 15.10.2014
Dass Menschen aus Lateinamerika in die USA wollen, ist nichts Neues. Aber die Zahlen haben sich zum Teil verdreifacht und die Behörden kommen kaum noch hinterher.
Mit Applaus zur Begrüßung hat Maria nicht gerechnet. Sie ist überrascht als sie den schmucklosen Versammlungsraum der Sacred Heart-Kirche in der texanischen Grenzstadt Mcallen betritt. Aus allen Ecken blicken sie freundliche Gesichter an. Auf dem Arm hat die kleine junge Frau aus El Salvador ihre Tochter Nina, vier Jahre alt, neugierig und hellwach.
Gott sei Dank, sagt die 20-jährige immer wieder, ihre Stimme klingt kräftig und froh. Sie sieht müde aus. Maria und Nina gehören zu den über 100.000 Flüchtlingen aus Honduras, Guatemala oder El Salvador, die in den vergangen Monaten über Mexiko in die USA gekommen sind. Nachts sind sie in einem Schlauchboot über den Grenzfluss Rio Grande, nur zehn Kilometer von hier. Dann hat sich Maria ganz bewusst dem Grenzschutz gestellt. Denn sie hofft auf Asyl.
Die Auffanglager sind überfüllt
Die Gewalt in ihrer Heimat, keine Arbeit, Angst vor den Gangs: So begründet Maria und viele andere Flüchtlinge ihren Antrag. Neben unzähligen Familien sind allein seit Januar 20,000 minderjährige Kinder alleine über die Grenze gekommen, dreimal mehr als im letzten Jahr. Viele Eltern haben ihre Kinder ohne Papiere losgeschickt - damit die Amerikaner keine Chance haben sie abzuschieben. Der Grenzschutz kommt nicht mehr hinterher. Viele Auffanglager sind überfüllt. Zehn Tage haben Maria und ihre Tochter in einer Zelle gesessen.
"Wir mussten auf dem Boden schlafen, weil es so voll war. Es war kalt, das Essen war schlecht. Meine Tochter ist nach der Flucht traumatisiert, sie spricht nicht mehr viel. Hier werden wir zum ersten Mal freundlich behandelt. Aber ich habe Vertrauen in Gott."
Ganz plötzlich kommen Maria die Tränen. Ihre kleine Tochter kuschelt sich an sie. In wenigen Stunden werden sie mit dem Bus nach Boston fahren, in den Nordosten. Dort lebt Marias Schwester. Die Flüchtlinge dürfen die Auffanglager verlassen, wenn sie im Land Familie haben und dort bleiben bis ihr Antrag vor ein Einwanderungsgericht kommt - was Monate dauern kann.
Viele freiwillige Helfer
Die wenigen Stunden bis zur Abfahrt dürfen Maria und Nina in der Sacred Heart Kirche im Zentrum von Mcallen verbringen. Über 6000 Flüchtlinge haben hier in den letzten Monaten kurz Ruhe gefunden. Samentha Helan ist eine der vielen freiwilligen Helfer die aus dem ganzen Land gekommen sind und hier im Schichtdienst arbeiten. Sie ist aus Kalifornien.
"Ich will unbedingt etwa Liebe zeigen. Denn viele kennen das gar nicht mehr, dass man einfach nur freundlich zu ihnen ist. Und meine Familie ist ursprünglich aus Mexiko und es hat lange gedauert, bis sie hier richtig angenommen worden sind. Aber es war nicht so schlimm wie für diese Menschen hier."
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Kisten voller Hosen und T-Shirts - Spenden aus allen Ecken der USA. © Axel Rahmlow
Sie setzt der kleinen Nina eine Krone auf und nimmt sie mit in eine Spielecke. Der Weg dorthin sieht aus wie in einem großen Second-Hand-Laden.
Jede Menge Kisten voller Hosen und T-Shirts in allen Farben. Spenden aus allen Ecken der USA. Einige der Helfer suchen mit anderen Flüchtlingen nach der richtigen Größe, andere sortieren Schuhe. An einem improvisierten Stand gibt es Zahnbürsten, Duschbad, Deo, Rasierer. Und dann Spielzeug.
Politik spielt in der Kirche keine Rolle - es geht um die Menschen
Nina stürzt sich auf den bunten Teppich und schnappt sich eine Puppe mit langen Zöpfen. Hinter ihr an der Wand hängt in großen ausgeschnitten Buchstaben ein buntes "Welcome" und gemalte Bilder von anderen geflüchteten Kindern. Flüchtlinge sind nichts Neues hier an der texanischen Grenze - aber bald wird ein neuer Gouverneur gewählt und landesweit sind Kongresswahlen. Einige Politiker fordern deshalb "Sicherheit an der Grenze", machen Stimmung gegen eine "Invasion", das Militär soll aushelfen. Es geht auch schon um die Nachfolge von Barack Obama 2016. Samentha Helan ist dafür, dass die Flüchtlinge einen legalen Status bekommen. Aber Einwanderungspolitik spielt in der Kirche keine Rolle.
"Ich bin mir sicher, dass wir verschiedene Ansichten über die Einwanderungspolitik haben. Ich kenne auch Leute hier die sehr viel konservativer sind und der Regierung vorwerfen, dass sie die Grenze nicht richtig abriegelt. Aber darüber sprechen wir hier nicht weil es uns allen um die Menschen geht und nicht um die Politik."
Während ihre Tochter spielt, kriegt Maria an einem Schreibtisch nebenan einige Zettel in die Hand gedrückt: Die wichtigsten Sätze auf Englisch, denn sie kann kein Wort. Und eine Karte der USA auf der McAllen in Texas und Boston im Nordosten eingezeichnet sind. Zwei Tage lang werden sie im Bus sitzen bis sie bei Marias Schwester ankommen. Vorher gibt es gleich noch ein warmes Essen und eine Dusche. Die Puppe und die Krone darf Nina behalten.
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