USA vor den Präsidentschaftwahlen

Besuch in Trumpland

Donald Trump bei einer Wahlkampfveranstaltung im US-Bundesstaat Indiana Anfang Mai 2016.
Donald Trump bei einer Wahlkampfveranstaltung Anfang Mai 2016 © picture alliance / dpa / Tannen Maury
Von Tom Noga · 14.05.2016
Er pöbelt, provoziert und hat noch nicht mal ein Programm: Donald Trump könnte trotzdem der nächste US-Präsident werden. Wieso? Eine Suche nach Erklärungen in South Carolina.
Liberty ist klein. Ein Städtchen mit 3000 Einwohnern, malerisch gelegen in den grünen Hügeln South Carolinas. Im Zentrum die Main Street, knapp 50 Meter lang. Dort sitzt April Phelps, auf der Holzbank vor einem Trödelhandel, eine kleine Frau mit rot-blonden Haaren und Sommersprossen. Geboren und aufgewachsen in Liberty.
Phelps: "Die meisten Leute hier sind freundlich. Das ist mir wichtig. Weil… in einer Kleinstadt kennt jeder jeden. Und wenn jeder jeden kennt, ist man freundlich zu jedem."

Trump spricht ehemalige Nichtwähler an

Liberty könnte das pure Idyll sein. Wenn es genug Jobs gäbe für Menschen wie April Phelps. Die wenigen, die es gibt, sind schlecht bezahlt und unsicher: April hat als Verkäuferin und Kellnerin gearbeitet, aber nie länger als ein paar Monate am Stück. Aus dem politischen Diskurs im Land hatte sie sich lange verabschiedet, zuletzt im Jahr 2000 gewählt, als George Bush gegen Al Gore angetreten ist.
"Aber als ich gehört habe, dass Donald Trump antritt, dachte ich: Das wird interessant. Weil er kein Politiker ist und niemandem verpflichtet."
April Phelps hat sich als Republikanerin registrieren lassen und mit ihrer Stimme dazu beigetragen, dass Trump die Vorwahlen der Partei in South Carolina gewann. Zwar nur mit relativer Mehrheit, aber das sichert dem umstrittenen Milliardär alle 50 Delegierten für den Nominierungsparteitag Anfang Juli.

Seine "Schneidigkeit ist erfrischend"

Phelps: "Das mit seinem Geschäftssinn macht doch für mich Sinn: jemanden zu haben, der die Stärke hat, auf diesem Niveau zu agieren. Warum sollte er das nicht auch mit unserer Wirtschaft schaffen?"
Laut Wahlanalysen verdankt Trump seine Erfolge vor allem ehemaligen Nichtwählern wie April Phelps. Überall im Land, vor allem im Süden, besonders in South Carolina. Hier machten sie 70 Prozent der für ihn abgegebenen Stimmen aus. Bei dieser Gruppe schaden ihm weder seine kryptischen Reden noch seine chauvinistischen Sprüche, im Gegenteil.
Phelps: "Als Politiker hat man so was wie ein Drehbuch. Politiker wissen, wie's läuft und was sie sagen dürfen und was nicht. Weil Donald Trump kein Politiker ist, sieht man noch seine Schneidigkeit. Ich finde das erfrischend."
Nate Leupp zuckt unwillkürlich zusammen, wenn er solche Argumente hört. Er ist Geschäftsführer eines christlichen Verlags und der stellvertretende Vorsitzende der Republikaner in Greenville, eine halbe Autostunde von Liberty entfernt. Donald Trump? Er schüttelt den Kopf.

Trump kandidiert? Das ist ein Witz

"Ich war in Los Angeles als er seine Kandidatur im Fernsehen verkündet hat. Ich habe gedacht: Das ist ein Witz. Aber wir mussten lernen, dass er es ernst gemeint hat, und jetzt steht er kurz vor der Nominierung durch die republikanische Partei."
Nate Leupp ist ein Schlacks mit jugendlicher Ausstrahlung. Wie er so da sitzt, in seiner Mittagspause in einem mexikanischen Restaurant, sieht er aus wie die Zukunft der Republikaner: jung und modern, eloquent und gebildet, offen und weltgewandt. Aber man versteht auch, warum sich viele im Land von einem wie ihm nicht repräsentiert fühlen. Im Herbst 2015 hatte sich das Trump-Lager an ihn gewendet: ob er nicht einsteigen möchte. Trump wüsste, wie er gewinnt, weil eine Werbeagentur die Wahlen für ihn analysiert habe.
Leupp: "Im Rückblick denke ich mir, dass seine Frage an die Marketingleute lautete: Ich will Präsident werden, was ist der beste Weg? Und als Antwort dürfte er bekommen haben: Versuch's auf der extremen Rechten, mit Slogans wie 'Ich mache Amerika wieder groß', mit der Absicht, eine Mauer zu bauen und mit einem Sündenbock. Das hat er perfekt umgesetzt und alle Erwartungen übertroffen."
Nate stochert lustlos in seinem Essen herum. Noch hat Trump die Parteitagsmehrheit nicht erreicht, jene 1237 Delegierten, die ihm die Nominierung garantieren. Aber er wird sie erreichen, weil alle anderen Kandidaten ausgestiegen sind und ihm die die Stimmen in den restlichen Vorwahlen automatisch zufallen werden. Wie viele Parteiführer steht Nate damit vor einer schwierigen Frage:
"Als Parteifunktionär darf ich niemanden unterstützen, der gegen unseren Kandidaten antritt. Auf der persönlichen Ebene muss ich mir klar werden, ob ich es mit meinem Gewissen vereinbaren kann, für Trump zu stimmen."

Eine lange Version dieser Reportage können Sie am Sonntag um 12:30 Uhr in der Sendung "Die Reportage" hören.

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