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Kfz-Versicherungen
"Autofahrer in Dresden zahlen einiges mehr"

Wo ich wohne, entscheidet, wie viel ich zahle. Die Autohaftpflichtversicherung dürfte für einige dieser Tage steigen, weil die Versicherer die Regionalklassen neu bestimmt haben. Veränderungen gibt es auch bei der Einteilung von Autotypklassen.

Beate-Kathrin Bextermöller im Gespräch mit Jule Reimer | 02.11.2015
    Zwei Holzkreuze an einer Landstrasse in der Nähe von Pulsnitz ( Sachsen ) erinnern an zwei an dieser Stelle tödlich verunglückten Verkehrsteilnehmer.
    Dresden steigt in der Regionenklasse in Stufe 10, hier sind viele und kostenintensive Unfälle passiert. (imago/Jörn Haufe)
    Jule Reimer: Bei vielen Autofahrern liegen in diesen Tagen die Bescheide über die Beitragshöhe zur Autohaftpflicht 2016 im Briefkasten. Der Beitrag wird sich für manche Versicherte deutlich ändern, denn die Versicherer haben die Regionalklassen neu eingeteilt, die die Schadenbilanz der Regionen widerspiegeln und an denen sich die Höhe der Beiträge orientiert. Kurz vor dieser Sendung bat ich Beate-Kathrin Bextermöller von der Zeitschrift "Finanztest", die Auswirkungen dieser Entscheidung anhand eines Beispiels für Autofahrer aus Mainz und Dresden deutlich zu machen!
    Beate-Kathrin Bextermöller: Wenn man sich jetzt zum Beispiel an den Statistiken des GDV orientiert, dann ändert sich eigentlich, was die Regionalklasse angeht, für die Mainzer so gut wie nichts und für die Menschen in Dresden, die ihr Auto versichert haben, gibt es eigentlich nur eine Veränderung in der Haftpflichtversicherung, und da steigt diese Region von der neun in die zehn.
    Reimer: Und warum ist das so? Mehr Unfälle in Dresden, oder?
    Bextermöller: Ja, oder teurere Unfälle. Wenn man jetzt mal Mainz und Dresden vergleicht, dann ist es so, dass Mainz zum Beispiel eingestuft ist im Zweier-, Dreierbereich und Dresden fast acht, neun Klassen höher. Das heißt, die Autofahrer dort zahlen einiges mehr.
    Reimer: Neben der reinen Haftpflicht können sich Autofahrer auch für eine Teilkasko- oder Vollkasko-Versicherung entscheiden. Was ist der Unterschied und an was orientiere ich mich, wenn ich vor der Entscheidung stehe, welche dieser drei Versicherungsarten, die ja auch dann unterschiedlich teuer sind, ich wählen sollte?
    Haftpflicht-, Teil- und Vollkasko - die Qual der Wahl
    Bextermöller: Die Haftpflicht kommt für die Schäden auf, die ich bei den Dritten produziere, die sogenannten Unfallopfer, ob das Sachschäden oder Personenschäden sind. Die Schäden an meinem Auto werden von der Haftpflicht nicht gezahlt, sondern die muss ich schon dann über eine Kasko-Versicherung regulieren lassen. Die Teilkasko, die deckt die Schäden zum Beispiel durch Brand, Diebstahl des Fahrzeugs, Hagel, aber auch Glasbruch oder Wildunfälle, und die Vollkasko-Versicherung kommt für die Schäden der Teilkasko auf und zusätzlich noch für selbst verursachte Schäden am eigenen Auto, oder Wandalismusschäden. Und was ich davon wähle hängt ganz stark von meinen persönlichen Neigungen ab und meinen persönlichen Verbindungen zu meinem Auto, aber auch vom Fahrzeugalter.
    Ich habe zum Beispiel ein Auto, das schon über zehn Jahre alt ist, und habe das immer noch vollkaskoversichert, weil wenn ich das vergleiche, dann ist das im Moment immer noch recht günstig für mich. Es kommt ja darauf an, wie viel Unterschied das macht zur Haftpflicht plus Teilkasko. Ansonsten ist es natürlich so, dass man, wenn man einen Neuwagen hat, ganz klar Haftpflicht plus Vollkasko versichert, und dann muss man sich immer angucken, was ist das Fahrzeug noch wert und danach entscheidet man sich eigentlich. Diese Faust- oder Daumenregeln, manche sprechen von acht Jahren, dass dann sich vielleicht gerade noch eine Teilkasko lohnt und dann vielleicht anschließend auch noch die Haftpflicht, das muss jeder im Endeffekt selbst entscheiden. Das ist ja auch eine Frage des Geldbeutels.
    Reimer: Aber es lohnt sich, da schon verschiedene Angebote einzuholen?
    Bextermöller: Auf jeden Fall!
    Neue Typklassen bei Versicherungen
    Reimer: Gut die Hälfte der Teil- und Vollkasko versicherten Autos werden jetzt in neue Typklassen eingestuft. Was bedeutet das denn für meine Versicherung, auch für die Prämienhöhe?
    Bextermöller: Das ist genau ein ähnliches System wie bei den Regionalklassen. Da geht es auch nach der Unfall- und Schadenbilanz und je nach Häufigkeit und Schadenhöhe werden diese verschiedenen Automodelle - es gibt, glaube ich, ungefähr 24.000, die auf den deutschen Straßen so herumfahren - eingestuft. Und man kann sagen: Je höher die Klasse, desto teurer ist der Versicherungsschutz.
    Reimer: Und das heißt praktisch: Golf wird wahrscheinlich öfter von jüngeren Männern mit spritzigem Fahrstil gefahren, hat eine höhere Unfallhäufigkeit als irgendeine Familienkutsche und ist wahrscheinlich in einer teureren Typklasse?
    Bextermöller: Das ist durchaus möglich, wobei es dann auch nicht nur einfach Golf ist, sondern es kommt wirklich auf das individuelle Modell an, mit welcher Kilowattzahl, und zum Teil kann man sogar noch erkennen, ob es eine Sportversion ist. Das ist schon ziemlich fein heruntergebrochen, sage ich mal. Wobei natürlich die Typklassen und die Regionalklassen, das sind zwei Teile von ganz, ganz vielen, die im Endeffekt die Prämie beeinflussen. Und es kann auch sein, dass ich zum Beispiel in einer Regionalklasse höhergestuft werden und zeitgleich in der Typklasse runter. Mein Alter spielt eine Rolle, in welcher Schadenfreiheitsklasse bin ich, wer fährt noch, wie alt sind die zusätzlichen Fahrer, wo steht das Fahrzeug nachts, wie viel Kilometer werden im Jahr gefahren und so weiter. Das sind alles Faktoren, die im Endeffekt meine Prämie beeinflussen.
    Reimer: Wir reden immer mehr vom vernetzten Auto, vom Bordcomputer. Inwieweit gibt es schon Versicherungsanbieter, die mit günstigeren Tarifen winken, falls sich dann der Versicherte via Bordcomputer über die Schulter blicken lässt? Da gibt man ja auch Informationen preis über Fahrverhalten, über den Rhythmus, in dem ich mein Auto in eine Werkstatt bringe zum Beispiel.
    Bextermöller: Das machen noch nicht viele. Bei unserer Abfrage war es eigentlich so: Die Signal Iduna machte es schon länger. Auch eine Sparkassen-Direktversicherung hat das 2014 angefangen. Die großen Versicherer wie Allianz, HUK Coburg, die sind in den Startlöchern, sage ich mal. VHV wollte es jetzt Anfang des Jahres einführen und Aachen-Münchener und Generali im Sommer. Man muss natürlich dann auch bereit sein, sich über die Schulter schauen zu lassen.
    Reimer: Genau! Würden Sie solche Tarife empfehlen?
    Bextermöller: Die Versicherer werben ja zum Teil mit einer Ersparnis von 30 bis 40 Prozent. Und wenn ich jetzt zum Beispiel zu einem Personenkreis gehöre, der recht hohe Prämien bezahlen muss - dazu gehören ja auch sehr viele Fahranfänger -, kann man sich natürlich überlegen, ob man über diesen Weg vielleicht seine Prämie ein bisschen drücken kann. Aber man muss sich darüber im Klaren sein, dass das Fahrverhalten beobachtet und irgendwo auch registriert wird - ich denke mal in anonymisierter Form, aber das muss man wollen. Und ich weiß das aus den Erfahrungen der Sparkassen-Direktversicherung.
    Ich glaube, das hat manchen Leuten auch Spaß gemacht. Sie konnten dann hinterher am Computer verfolgen, in welcher Kurve sie stark abgebremst haben, und es entwickelte sich quasi der Spaß, das nächste Mal vielleicht diese Strecke dann besser zu absolvieren.
    2018 wird ja in jeden Neuwagen so ein automatisches Notrufsystem eingebaut, was dann bei einem Unfall sofort an irgendwelche Zentralen Notrufe aussendet. Damit verbunden ist natürlich auch eine Kontrolle, der wir wahrscheinlich auf Dauer uns nicht wirklich entziehen können. Aber diese Telematik-Tarife sind ja freiwillig. Die meisten Anbieter haben auch weiterhin ganz normale Tarife im Angebot und man muss sich einfach mal ausrechnen lassen, ob sich das lohnt. Auch wenn einer jetzt mit 30 Prozent wirbt, kann es trotzdem sein, dass ein anderer Versicherer ohne Telematik-Tarif mir trotzdem vielleicht noch ein günstigeres Angebot macht.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.