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Big Brother Award 2015
Datenkraken im Kinderzimmer und am Arbeitsplatz

Puppe als Datensammler oder das Abfragen von Gesundheitsdaten durch Unternehmen - solche Datenkraken wurden dieses Jahr mit dem Big Brother Award 2015 ausgezeichnet. Insgesamt wurden in sieben Kategorien Negativpreise vergeben.

Von Wolfgang Noelke | 18.04.2015
    Kind mit Puppe
    Ein Unternehmen will ein Puppe auf den Markt bringen, die Tonaufnahmen in die USA sendet. (dpa / picture alliance)
    Hinter der Worterfindung "Digitale Spurensicherung" steckt nach Ansicht der Jury wieder die, von Karlsruhe verbotene Vorratsdatenspeicherung. Die wurde dann in "Mindestspeicherfrist" umbenannt und heißt seit letzem Mittwoch Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten. Der Bundesnachrichtendienst erhielt in der Kategorie "Behörden Verwaltung" den Big Brother, unter anderem für seine Verquickung mit der NSA.
    Die Kategorie "Politik" belegen Bundesinnenminister de Maizière und dessen Vorgänger Friedrich, für ihre: "systematische und grundlegende Sabotage der geplanten Europäischen Datenschutzgrundverordnung". In der Kategorie "Technik" glänzen die Firmen Mattel und Toytalk, für ihre in Deutschland noch nicht erhältliche Puppe Hello Barbie. Die sendet Tonaufnahmen in die USA, kritisiert Laudator Linus Neumann vom Chaos Computer Club:
    "Mit W-Lan, Mikrofon und Lautsprecher, ermöglicht die neue Hello Barbie schon unseren Kindern, sich mit einer Serverfarm, irgendwo da draußen, in den Weiten des Internets zu unterhalten. Sie bringt also eine datenschutzrechtlich äußerst fragwürdige Technik, ohne jeglichen sinnvollen Anwendungszweck direkt in unsere Kinderzimmer."
    Und Eltern, die heimlich Tagebücher ihrer Kindern lesen:
    "(Sie) lässt Mattel an den gesammelten Daten teilhaben. Und so finden sie in der Cloud das Protokoll der Sorgen, Träume und Geheimnisse, die ihr Kind seiner besten Freundin, der Serverfarm von Mattel und Toytalk anvertraut. Und so haben sich Mattel und Toytalk diesen wunderschönen Award in der Kategorie Technik verdient."
    Intime Gesundheitsdaten
    Wer als Kind lernt, keine Geheimnisse haben zu dürfen, unterschreibt als Erwachsener vielleicht auch Arbeitsverträge, wie den, der in der der Kategorie "Arbeitsrecht", bedachten Amazon Logistik GmbH in Bad Hersfeld. Deren Belegschaft soll intimste Gesundheitsdaten offenlegen. Die Kategorie "Wirtschaft" beehrt das ebenfalls von Amazon betriebene Portal Mechanical Turk, in dem Menschen für Cent-Beträge umfangreiche Webdienstleistungen erbringen. Nicht viel besser ergehe es Mitarbeitern des Portals Elance-oDesk, dessen Deutschland- Boss die perfide Überwachungs-App, die auf jedem Mitarbeiter-PC installiert sein muss auch noch schönrede, so Laudatorin Rena Tangens:
    "Die Team-App registriert Tastauranschläge und Mausbewegungen - und schickt sechs mal pro Stunde in unregelmäßigen Abständen einen Screenshot vom Monitor an den Auftraggeber. Zu diesem Kontrollwerkzeug befragt, sagt Nicolas Dittberner: 'Wir kontrollieren nicht, sondern wir stellen Rahmenbedingungen zum Vertrauensaufbau zur Verfügung'. Aha, Kontrolle ist Vertrauen. Klingt verdammt nach George Orwell."
    Nicht weit von Orwell entfernt sei nach Auffassung der Jury Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe, dessen sogenannte eHealth- Projekte in der Kategorie "Verbraucherschutz" den Big Brother erhielt. Diese würden nicht nur das Vertrauensverhältnis zwischen Ärzten und Patienten aufweichen, kritisiert Laudator padeluun:
    "Unter anderem geht es da um den freien Fluss von Daten, innerhalb von 23 Staaten. Die Verhandlungen laufen im Geheimen und sollen erst fünf Jahre nach Verhandlungsabschluss veröffentlicht werden. Lassen Sie sich das mal auf der Zunge zergehen: Da werden Verträge von Dritten zu Ihren Lasten abgeschlossen und Sie dürfen noch nicht einmal wissen, was in diesen Verträgen steht, geschweige denn, dass Sie mitbestimmen dürfen. Dabei geht es um Ihr Geld, Ihre Gesundheit, Ihre intimsten Daten und unser Gemeinwesen."