US-Kulturkämpfe unter Donald Trump

Ein Land ohne Kompass

Symbolbild zum Thema der fortschreitenden gesellschaftlichen Spaltung der Vereinigten Staaten von Amerika USA seit der Amtsübernahme von Präsident Donald Trump: Flagge Stars and Stripes mit Spalt und Rissen und Schatten Trump
Der Politologe Tobias Endler konstatiert eine Spaltung der USA unter Präsident Trump. © imago images / Ralph Peters
Tobias Endler im Gespräch mit Eckhard Roelcke · 23.12.2018
Die Politik des US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump hat gravierende gesellschaftspolitische Auswirkungen. Der USA-Experte Tobias Endler sieht in der Spaltung des Landes eine mögliche europäische Zukunft vorweggenommen.
Donald Trump habe die Kommunikation zwischen Politik, Medien und Bürgern in großem Umfang verändert, sagt der Politologe Tobias Endler. "Er verschiebt Diskursgrenzen und sorgt ganz gezielt für eine Verrohung der Sprache. Das ist ja nicht irgendjemand, der das tut, sondern das Staatsoberhaupt."

Präsidiale Beschimpfungen per Twitter

Die Medien kämen kaum noch mit der Aufarbeitung der Verzerrungen, Lügen und Wirklichkeitsverschiebungen aus dem Weißen Haus hinterher, sagt Endler. Trump wirke mit seinen präsidialen Beschimpfungen und Beleidigungen per Twitter einerseits stilprägend, greife aber auch einen vorhandenen Tonfall in den sozialen Medien auf, so Endler:
"Er strapaziert damit die in den USA groß geschriebene Meinungsfreiheit über ihre Grenzen hinaus. Das ist nicht zu unterschätzen. Denn die Meinungsfreiheit ist in den USA sehr aufgeladen. Es handelt sich schließlich um eine Nation, die am Reißbrett entworfen wurde und sich auf der Idee des freien Diskurses gründet. Diese Nation kann und muss viel aushalten, und jetzt muss sie Trump aushalten."

Zu wenig Austausch unter Andersdenkenden

Auf dieser Idee des freien Diskurs beruhe es, dass die Hassrede, oder das Schüren von Hass, in den USA nicht ganz so scharf im Widerspruch zur Meinungsfreiheit stehe wie hierzulande. Das Problem sei aber vielmehr, dass die Thematik Meinungsfreiheit zu lange nicht im öffentlichen Diskurs und in den Köpfen der Menschen präsent gewesen sei. Im Alltag hätten sich die Menschen lange mit Andersdenkenden viel zu wenig auseinandergesetzt.
"Da ist nun etwas herangekocht und der Deckel hält sich nun nicht mehr auf dem Topf. Die Foren des öffentlichen Diskurses stehen nicht mehr im Austausch miteinander", fasst Endler zusammen. "Das linksliberale Klima an der University of California und die damit einhergehende Haltung hat beispielsweise nichts zu tun mit der Lebenswirklichkeit der Amerikaner im Mittleren Westen. Und wer Fox-News schaut oder Infowars, der meidet CNN. Da findet kein Austausch statt."

Rückkehr der Kulturkämpfe

Wir sähen in den USA eine Zukunft, die auch für Europa möglich sei, so Endler. "Es muss nicht so kommen, aber die USA sind uns da sozusagen einen Schritt voraus, allerdings in einer schwierigen Richtung, nämlich was die Spaltung des Landes angeht." Auch an zweien der Obersten Richter der USA zeige sich diese Spaltung:an der liberalen Richterin Ruth Bader Ginsburg und ihrem neuen Kollegen Brett Kavanaugh, den Trump durchgesetzt hat. Diese internen Kulturkämpfe, die Frage des Umgangs mit Andersgläubigen, die Frage des Umgangs der Geschlechter miteinander, die Frage der Einwanderung, schienen seit den Achtzigern überwunden.
"Aber diese 'culture wars', es sind wirklich Kulturkriege, die brechen jetzt wieder auf und sie werden auch über den obersten Gerichtshof geführt." Er gehe davon aus, dass der Graben, der die Bevölkerung teile, noch tiefer werden wird, sagt Endler. "Aber ich sehe zwei Szenarien: Eine Blockadepolitik der Demokraten, die darin münden könnte, Trump aus dem Amt zu heben. Das würde ihn natürlich zu einer aggressiven Antwort verleiten. Das andere Szenario ist eine punktuelle Zusammenarbeit von Trump und den Demokraten."
Auf dem außenpolitischen Gebiet zeigt sich Wendler angesichts des bevorstehenden Rücktritts von Verteidigungsminister James Mattis besorgt. "Übrig geblieben sind die Hardcore-Strategen, die Draufgänger." Die Konsequenz könne sein, dass die Weltmacht USA ohne Kompass voranschreitet.
(rj)
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