US-Gesetz

Durchleuchtete Container

Von Dirk Asendorpf · 27.11.2013
Laut Beschluss des US-Kongresses sollen Container vor der Verladung auf gefährliche Güter wie Bomben durchleuchtet werden. Doch schon zwei Mal wurde das Gesetz verschoben, weil dies nur schwer zu garantieren ist. Dennoch: Ein mit 3,9 Millionen Euro ausgestattetes Forschungsprojekt in Bremerhaven zeigt, wie das Scannen möglichst effizient durchgeführt werden kann.
"Sie sehen hier einen unserer Chassis-Plätze wie wir sagen. Das ist also der Platz, wo die LKW-Fahrer auf den Van-Carrier treffen."
Manuela Drews ist Betriebsleiterin auf dem Eurogate-Containerterminal in Bremerhaven. Sie ist dafür verantwortlich, dass beim täglichen Umschlag von Tausenden Stahlboxen nichts schief läuft. Elf Meter sind die rot lackierten Van-Carrier hoch, die auf ihren acht Reifen zwischen Containerstapeln und Ladebrücken hin- und herflitzen. Wenn sie sich mit ihrer tonnenschweren Fracht über einen Schwerlaster schieben, wirkt der nur noch wie ein Spielzeugauto.
"Der Van-Carrier hat jetzt gerade einen Container abgesetzt, fährt zurück und kriegt danach sofort den nächsten Fahrauftrag aufgesetzt."
Alle Abläufe sind auf höchste Effizienz getrimmt, die Konkurrenz zwischen den Häfen ist beinhart. Kein Wunder, dass in Bremerhaven niemand begeistert war, als der US-Kongress das Gesetz HR1 beschloss.
Containerscannen möglichst schnell und platzsparend
Alle Container, die auf ein Schiff in Richtung USA geladen werden, so heißt es darin, müssen zuvor gescannt, also mit Röntgenstrahlen durchleuchtet und auf Radioaktivität getestet werden. Im Juli 2014 soll HR1 in Kraft treten. Forscher aus zehn wissenschaftlichen Instituten und Unternehmen haben in den vergangenen drei Jahren ein Konzept dafür erarbeitet, wie das Containerscannen möglichst schnell und platzsparend ablaufen könnte.
Direkt neben dem LKW-Ladeplatz haben sie dafür eine Testanlage aufgebaut. Sie sieht aus wie ein Torbogen, direkt daneben steht eine graue Stahlbox mit einer schmalen Öffnung an der Seite. Der Kernphysiker Hermann Ries hat sie konstruiert.
"Hinter dieser Glasscheibe ist unsere Strahlungsquelle, die Röntgenquelle. Vor dem Beschleuniger sind zwei vertikale Platten angeordnet mit einem Schlitz zwischendrin von vier oder fünf Millimetern. D.h. wir produzieren uns dort einen ganz dünnen Strahl, einen Fächerstrahl. Dieser Fächerstrahl füllt dann fast den ganzen Torbogen aus. Das hat viele Vorteile. Unter anderem hat’s den Vorteil, dass wir den Fahrer durchfahren lassen können und dann erst anschalten und der Fahrer kriegt nix mehr ab. Wenn wir da jetzt ein großes Strahlenbündel hätten, wäre das nicht möglich."
Im Schritttempo rollt der Lkw mit dem 40-Fuß-Container unter den Torbogen. Sobald die Führerkabine auf der anderen Seite wieder herauskommt, beginnt der Scanvorgang und ein Signal warnt vor der Strahlung.
Das Ergebnis erscheint in Echtzeit auf dem Computerbildschirm. In Zukunft könnte der direkt in den USA stehen, für die Übertragung reicht eine verschlüsselte Internetverbindung. Die Datei ist nur ein paar Megabyte groß, enthält aber weit mehr Informationen als ein simples Abbild des Containerinhalts.
"Der Operateur kann sich jetzt zum Beispiel Kontrastunterschiede noch durch Falschfarben besser erkennbar machen. Der sitzt nicht da und schaut sich das Bild an. Der arbeitet mit dieser Workstation, der macht einen Zoom auf irgendeinen Bereich, der schaut sich irgendwas im Detail an, der fährt Hell-Dunkel durch, um irgendwo wo es schwer durchdringbar ist, eben doch noch durchgucken zu können, der hat also richtig Arbeit. Der kann in 20 Sekunden fertig sein, er kann aber auch unter Umständen zwei, drei Minuten brauchen, weil vielleicht was Komplexes drin ist."
Software setzt die Einzelbilder zu 3-D-Ansicht zusammen
Passt der Scan zu den Ladepapieren, erteilt der Operateur die Freigabe und der Container darf aufs Schiff. Gibt es Zweifel, kommt er zur Sonderbehandlung in eine Extrahalle. Dort wird er von allen Seiten durchleuchtet. Eine Software setzt die Einzelbilder dann zu einer 3-D-Ansicht zusammen. Der Physiker Stefan Moser hat das System mit entwickelt – und zum Beweis seiner Schlagkraft ein paar unerwünschte Objekte in den Testcontainer geschmuggelt.
"Wir haben hier eine Bombenattrappe. Wir sehen, es ist ein Material in einer Box, in dem sich ein Zünder, also Elektronik-Bausteine, befinden. Schon mal sehr suspekt. Was auf dem 2-D-Röntgenbild wie ein dunkler Bereich aussieht, können wir sehen im 3-D-Röntgenbild, ist ein massives Stahlrohr, in dem sich ein noch massiveres Objekt befindet. Und wir haben hier eine semi-transparente Darstellung, d.h. wir können durch die Objekte ein bisschen durchgucken, wir sehen die dunklen Bereiche sind massive Materialien, die hellen Bereiche sind nicht so massive."
Rein technisch steht der Durchleuchtung der Container nichts mehr im Weg. Davon ist Frank Arendt, der Koordinator des Forschungsprojekts, nach Abschluss der Arbeiten überzeugt.
"Von den Prozessen im Terminal scheint es auch möglich zu sein, das durchzuführen. Dass es natürlich erhebliche logistische Herausforderungen für die Terminalbetreiber darstellt, ist klar. Das bedeutet zusätzliche Transporte, zusätzliche Van-Carrier, zusätzliche Fahrerstunden und all das ist letztendlich dann auch in unsere Kostenberechnung mit eingeflossen. Und je nachdem welches Szenario wir angesetzt haben, liegen die Kosten zwischen 50 und 100 Euro pro Container."
Das sind bis zu zehn Prozent des gesamten Transportpreises – im eng umkämpften Containergeschäft eine enorm hohe Summe. Wer sie zahlen soll, ist bisher völlig unklar. Frank Arendt hat nach Antworten gesucht – und ist gescheitert.
"Wir hatten vor, mit unserem Team, auch gerade mit den Juristen, einen Besuch in den USA durchzuführen, um mal unsere Fragen face-to-face zu diskutieren, haben dort aber keinen gefunden, der dazu bereit war. Was auch immer man daraus jetzt ableiten kann (lacht)."
Fachleute gehen davon aus, dass das Inkrafttreten des amerikanischen HR1-Gesetzes im nächsten Jahr noch einmal verschoben wird. Die nagelneue Testanlage wird deshalb erst einmal wieder abgebaut – und was wirklich in den Export-Containern steckt, bleibt vorerst im Dunkeln. Dafür freuen sich die Fahrer der flinken Van-Carrier über etwas mehr Manövrier-Platz am vollgestellten Kai.