US-amerikanisches Kino

"Er dreht Filme mit großer Leidenschaft"

US-amerikanische Regisseur David O. Russell verfolgt am 07.02.2014 in Berlin die Pressekonferenz für seinen Film "American Hustle".
Der US-amerikanische Regisseur David O. Russell © picture alliance / dpa / Arno Burgi
Moderation: Britta Bürger · 09.02.2014
"American Hustle" ist in den USA der bisher erfolgreichste Film von David O'Russell. Der Filmkritiker Jörg Taszman ist sich sicher, dass O. Russell damit auch in Deutschland einem breiten Publikum bekannt wird. Er mache "populäres Unterhaltungskino" im besten Sinne.
Britta Bürger: Acht Filme hat David O. Russell bisher gedreht, unter anderem "Three Kings" mit George Clooney oder im Vorjahr "Silver Linings" mit Jennifer Lawrence und Bradley Cooper. Nun kommt mit "American Hustle" sein bisher erfolgreichster Film in unsere Kinos. Zehn Oscarnominierungen und über 134 Millionen US-Dollar Einspiel an den Kinokassen, dazu Lobeshymnen von Filmkritikern. Am Rande der Berlinale kam David O. Russell nun nach Berlin und stellte seinen neuen Film persönlich vor. Jörg Taszman, Sie haben ihn gesprochen aber zunächst um welche Geschichte geht es eigentlich? Wer legt hier wen rein?
Jörg Taszmann: Der Film spielt Ende der 70er-Jahre in New York und in New Jersey. Christian Bale spielt Irving Rosenfeld einen Schwindler und Betrüger, der mehrere Waschsalons besitzt aber vor allem mit dubiosen Krediten handelt. Er hat eine Frau und eine Geliebte und das FBI kommt ihm auf die Schliche und erpresst ihn. Er soll mehrere, korrupte Politiker ans Messer liefern u. a. auch einen charismatischen Bürgermeister, der Spielcasinos mit der Mafia bauen will. Der Film erzählt das jedoch als unterhaltsame, satirische Retrokomödie, die einfach sehr viel Spaß macht und vor allem den Look und die Musik der 70er-Jahre wieder aufleben lässt. Für den Regisseur ist dieser Film der Abschluss einer Trilogie, die mit "The Fighter" vor drei Jahren begann und im Vorjahr mit "Silver Linings" weiter ging.
O. Russell: "Für mich hat sich mit 'The Fighter' ein neues Kapitel aufgeschlagen. Ich habe jetzt das Gefühl, das Kino zu machen, für das ich geboren wurde. Mir wurde klar, dass alles davor nur eine Art Vorbereitung bedeutete. Jetzt habe ich drei Filme gedreht, in denen es um ganz bestimmte Menschen und Gefühle ging. Das sind Menschen, die es sich nicht leisten können, aufzugeben. Dabei müssen sie hart kämpfen. Und so sind es die Lieben ihres Lebens, die sie dazu führen, alles zu überstehen. Auch wenn es mich schockiert, aber ich bin ein großer Romantiker und ich habe jetzt diese sehr kinematografische Struktur mit Musik und Kamerabewegungen gefunden."
Bürger: Nun sagt David O. Russell, dass sich sein Kino so verändert habe, aber ist es nicht eher so, dass er heute nur sehr viel erfolgreicher geworden ist, an der Kinokasse und bei den Kritikern ?
Taszmann: Also mir gefielen auch seine ersten Filme. Das fing mit der schrägen Komödie "Flirting with Desaster" ein Roadmovie mit Ben Stiller und Patricia Arquette als ein Paar, dass sich nicht auf den Namen für ihr gemeinsames Baby einigen kann. Dann folgte der anarchistisch angehauchte, satirische Actionfilm "Three Kings" mit George Clooney und Mark Wahlberg und darauf folgte eine verschrobene Komödie "I heart Huckabees" über "existentielle Detektive" u.a. mit Jude Law und Dustin Hoffman. Das waren jedoch alles Filme, die trotz eines gewissen Erfolges eben nicht das ganz breite Publikum erreichten, so wie es die letzten drei Filme getan haben. Und dann schafft es David O. Russell nun aus seinen Schauspielern etwas herauszukitzeln, dass man sonst so nicht bei ihnen gesehen hat. Vor allem bei Christian Bale, der in "The Fighter" einen abgemagerten Crack abhängigen Ex- Boxer spielt und in "American Hustle" einen übergewichtigen Schwindler. Aber auch Jennifer Lawrence die für "Silver Linings" einen Oscar gewann oder Bradley Cooper sind bei David O' Russel großartig.
O. Russell: Man muss ein ganz besonderes Kinoerlebnis schaffen, um ihre Aufmerksamkeit und ihren Respekt zu erlangen. Ich hatte mir mit meinen ersten vier Filmen schon etwas Respekt verschafft, aber jetzt im zweiten Kapitel meiner Karriere, in dem ich etwas reifer geworden bin, musste ich kämpfen. Dieser Kampf hat mich schlauer gemacht. Ich arbeite als Filmemacher auch direkter und einfacher. Das finden Schauspieler attraktiv, weil sie dann wissen, wer du bist. Sie wollen dann Teil dieses Feuers sein, dass in dir brennt. Und so gehen sie mit dir zusammen ein Risiko ein. Genau das macht für mich das Aufregende des Kinos aus, weil ich dann plötzlich Charaktere und Menschen sehe, wie nie zuvor."
Bürger: Was die Filme, vor allem diese drei letzten ja auch auszeichnet, ist das soziale Milieu in dem sie spielen. In "The Fighter" war es eine sogenannte "white Trash" Familie, hier im neuen Film geht es auch um die Mittelklasse oder ganz einfache Arbeiter. Wie genau ist bei David O. Russell denn das Milieu geschildert?
Taszmann: Das ist ja genau etwas, dass die Amerikaner so gut in den 70er- und 80er-Jahren verstanden haben mit ihrem klassischen Erzählkino. Und David O. Russell kommt aus einer Einwandererfamilie mit jüdisch-russischen und italienischen Wurzeln. Und schon in "The Fighter" oder "Silver Linings" hat das Milieu so sehr gestimmt. Das ist auch in seinem neuen Film so und für den Regisseur ist es auch wichtig, dass seine Filme nicht nur Intellektuelle oder Bildungsbürger erreichen. Er macht im besten Sinne, populäres Unterhaltungskino. Damit ist er auch aufgewachsen.
O. Russell: Ich bin nicht mit Arthouse Filmen aufgewachsen, sondern mit dem Erzählkino. Ich sah Filme von Polanski oder Coppola, Capra und Hawks. Ich sah diese Filme in ganz normalen Kiezkinos. Erst als ich älter wurde, sah ich dann auch Filme von Fassbinder beispielsweise. Die beste Kritik, die man mir geben kann, ist es wenn ein Arbeiter auf dem Bau aus meiner Familie sagt: Wow, das verging wie in 15 Minuten, dann ist es für mich wie eine Fünf-Sterne-Kritik. Und dann sagt er noch, das sind Leute mit denen ich gerne Zeit verbringen würd - Boom das ist es!"
Bürger: In Deutschland haben die Filme von David O. Russell bisher nicht so gut funktioniert wie in den USA. Meinen Sie das wird sich nun ändern?
Taszmann: "The Fighter" war wahrscheinlich zu ernst, fast zu hart und spielte wirklich in einem Arbeitermilieu und war oberflächlich betrachtet ein Boxerfilm. Dafür fehlt dann in Deutschland ein breites Publikum. Für die eher bildungsbürgerlichen Kinobesucher erscheint das zu banal und andere soziale Schichten gehen nur ins Kino, um unterhalten zu werden. "Silver Linings" wurde schlecht vermarktet mit einem englischen Titel, den hier viele auch nicht verstanden. Es sprach sich einfach nicht genug herum, wie großartig und unterhaltsam dieser Film ist. Mit "American Hustle" wird David O. Russell aber nun endlich der Durchbruch gelingen. Jetzt ist er angesagt und hipp genug und er hat es verdient. Er dreht Filme mit einer großen Leidenschaft.
O. Russell:Ich drehe jede Szene so, als könnte es die letzte sein und jeden Film als könne es der letzte sein. Ich kann es nur so machen, ich kennen keinen anderen Weg. Nur so sehe ich eine Chance etwas zu tun, das nicht blöd wird. Wenn man nicht alles mit einbringt was man hat, macht man es sich zu leicht."
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