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Baustoff Stroh
Wärmt und schützt mehr als 100 Jahre lang

Man nehme 1000 Strohballen, 100 Tonnen Lehm und ganz viel Holz: Fertig ist der Rohbau eines fünfstöckigen Hauses komplett aus Naturmaterialien. So geschehen auf einem ehemaligen Kasernengelände im niedersächsischen Verden. Dort hat das Norddeutsche Zentrum für Nachhaltiges Bauen ein neues Büro- und Ausstellungsgebäude aus diesen Materialien gebaut.

Von Beate Hinkel | 24.12.2014
    Strohballen, die auf einem Feld in Niedersachsen gestapelt stehen.
    Strohballen dienen als Wärmedammstoff und wirken in dreifacher Hinsicht klimaschützend. (imago/blickwinkel)
    "Das ist sehr dicht gepresst, das Stroh. Das ist einfach geeigneter Putzträger. Man sieht hier auch die Ballen, ganz normale Ballen von der Ballenpresse vom Acker nebenan. Die werden hier in die Gefache gepresst, dann wird das Stroh noch etwas abrasiert, und dann ist es der fertige Putzträger, die fertige Wand. Die Statik übernehmen die Holzständer, die die Last tragen. Und hier in unserem Gebäude bis zu 5 Geschosse hoch."
    Thomas Isselhard ist Architekt. Mit dem fünfstöckigen Büro- und Ausstellungsgebäude aus Holz und Stroh, hat er Pionierarbeit geleistet. Denn so groß hat noch niemand zuvor mit diesen Naturmaterialien gebaut, sagt Dorothee Mix. Sie ist die Geschäftsführerin und Bauherrin des "Norddeutsche Zentrum für Nachhaltiges Bauen" in Verden:
    "Meines Wissens gibt es in Frankreich ein achtgeschossiges. Das ist aber so, dass der Kern aus Beton gebaut worden ist, und dann die Dämmung von außen mit Stroh funktioniert."
    In Verden sind vier Gebäudeteile entstanden, - farblich voneinander abgehobenen: "Wir haben an der Straße entlang einen zwei-zügigen Bereich, also zwei Etagen... 90 Gradwinkel dazu einen dreistöckigen, in der Mitte unseren Turm vier und en top eben eine fünfte Etage oben drauf, mit einem wunderbaren Blick."
    Die ersten Skizzen für den Bau entstanden schon vor zehn Jahren, erinnert sich der Architekt. Doch zunächst musste noch viel geforscht, entwickelt und getestet werden, um so hoch und ein Bürogebäude bauen zu dürfen: "Ohne diesen Bau im Focus hätte niemand die Ressource aufgebracht. Denn der letzte Forschungs- und Entwicklungsimpuls, das waren 1,5 Mio. Euro, die die Partner gemeinsam aufgebracht haben. Und es brauchte schon das große Ziel vor Augen."
    In Deutschland gibt es rund 300 strohgedämmte Wohnhäuser. Bisher fast ausschließlich Ein- und Zweifamilienhäuser. Für jeden Bau musste dabei bislang eine Sondergenehmigung eingeholt werden. Das entfällt in Zukunft, denn nun sind die nötigen Nachweise erbracht. Die Strohballentechnik ist zertifiziert und es wurde eine "Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung" erteilt. Zum Beispiel. was den Brandschutz angeht, denn das Stroh wird so verdichtet, dass es nicht brennt. Und deshalb durfte in Verden sogar der Fahrstuhlschacht aus Holz und Stroh gebaut werden.
    Anfangsinvestitionen rechnen sich langfristig
    Doch ist das alles nicht nur etwas für Ökofreaks mit großem Geldbeutel? "Nein", sagt Thomas Isselhard. Zwar müsse man anfangs mehr investieren, aber längerfristig rechnet es sich:
    "Denn wir haben nur noch ganz, ganz geringe Heizkosten. Und wir sagen: Bitte die Gesamtkostenrechnung machen, nämlich nicht nur die Investition, sondern letzten Endes geht es um die monatliche Belastung, die dabei rauskommt, inklusive der Heizkosten. In der Investition ist es vielleicht fünf bis zehn Prozent teurer wie ein normales Gebäude. Wenn ich aber hier weniger als ein Euro Heizkosten pro qm und Jahr habe, amortisiert sich das. Da können Sie sich ganz entspannte zurücklegen, sie werden de facto keine Heizkosten mehr haben, die Sie quälen."
    So ein Strohballenhaus ist dreifacher Klimaschutz, sagt der Architekt: Zum einen speichert Stroh CO2. Zum anderen braucht diese Bauweise wenig Energie: Sowohl bei der Herstellung der baufertigen Ballen als auch beim Energieverbrauch im Haus. Und, Isselhard ist sich sicher: Die Strohballen werden uns alle überleben: mindestens 100 Jahre.
    Das "Norddeutsche Zentrum für Nachhaltiges Bauen" entwickelt gerade eine Ausstellung, - damit in Zukunft mehr ganz normale Häuslebauer mit Stroh bauen:
    "Die Ausstellung wird alle Verfahren zeigen in der Altbausanierung und beim Neubau, die ökologisch nachhaltig sind. Dass heißt, wir wollen hier umfassend informieren und Leute dazu bewegen, begeistern, wirklich zu investieren. Wir zeigen die Möglichkeiten zu bauen im ökologisch nachhaltigen Bereich, die Haustechnik dazu einen kleines Mikroblockheizkraftwerk, Pelletheizung. Das heißt, wir haben Informationen zum Erleben, Hören, Fühlen, Anfassen, dass man sagen kann jetzt weiß ich, wie ich das für mein Haus auch umsetzen kann."